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AFRIKA/1124: General Motors entschädigt südafrikanische Apartheidopfer (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2012

Ein erster Schritt?
General Motors entschädigt südafrikanische Apartheidopfer

von Dieter Simon



2002 reichte die Menschenrechtsorganisation Khulumani stellvertretend für südafrikanische Apartheidopfer in den USA eine Entschädigungsklage gegen mehrere international tätige Konzerne ein. Den Firmen wird vorgeworfen, durch ihre Geschäfte während der Apartheidzeit Beihilfe zu schweren Menschenrechtsverletzungen geleistet zu haben. General Motors ist der erste Konzern, der Verantwortung für die Opfer der Apartheid übernommen hat.


Grundlage für die Klage von Khulumani ist der US-amerikanische Alien Tort Claims Act (ATCA), der es möglich macht, ausländische Firmen, die auch in den USA ansässig sind, für Menschenrechtsverletzungen, die sie außerhalb der USA begangen haben, haftbar zu machen. Adressaten der Entschädigungsklage gegen mehrere international tätige Konzerne waren auch die beiden deutschen Konzerne Daimler und Rheinmetall. Rheinmetall lieferte z.B. eine komplette Munitionsabfüllanlage nach Südafrika, Daimler verkaufte Fahrzeuge und Maschinen an Polizei und Militär des Apartheidregimes.

Zehn Jahre nach Einreichen der Klage hat Khulumani jetzt einen ersten Erfolg errungen. Ende Februar bestätigte ein US-Gericht, dass der US-amerikanische Autobauer General Motors (GM) die südafrikanischen Apartheidopfer entschädigen wird. GM erklärte sich bereit, den Opfern Unternehmensanteile in Höhe von ca. 1,5 Mio. US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Eher eine symbolische Summe, wie Charles Abrahams, der südafrikanische Anwalt von Khulumani, meint, aber es sei eben zu berücksichtigen, dass sich GM in einem Konkursverfahren befunden hätte. Zudem sei das Angebot freiwillig erfolgt - das Konkursgericht hatte der Forderung Khulumanis bzw. der Anwälte auf Entschädigung nämlich ursprünglich nicht folgen wollen. GM verbindet mit dem Angebot keinerlei Schuldeingeständnis, aber Abrahams sieht darin doch ein gewisses Maß an Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Auch Marjorie Jobson, Direktorin von Khulumani, spricht von einer großzügigen Geste des Autobauers und hofft gleichzeitig, dass dem positiven Beispiel von GM nun auch die anderen verbleibenden vier angeklagten Konzerne (IBM, Ford, Daimler, Rheinmetall) folgen. Dies ist allerdings zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu erwarten, da nach wie vor eine Entscheidung des höchsten US-Gerichtes (Supreme Court) darüber aussteht, ob Firmen auf der Grundlage des ATCA als juristische Personen grundsätzlich für Menschenrechtsverletzungen, die außerhalb der USA begangen worden sind, verantwortlich gemacht werden können.

Ungefähr zeitgleich mit der Ankündigung GMs fanden hierzu Anhörungen im Supreme Court statt, allerdings nicht zur Khulumani-Klage, sondern zu einer ähnlichen Klage aus Nigeria (Kiobel v. Royal Dutch-Shell), die damit als Präzedenzfall für alle ähnlich gelagerten Klagen auf Grundlage des Alien Tort Claims Act gilt. Die Frage, ob es zu einem Gerichtsprozess mit den übrigen vier angeklagten Konzernen kommen wird, ist also nach wie vor offen, zumal das Gericht im März eine weitere Anhörung angekündigt hat und eine endgültige Entscheidung für Frühjahr 2013 angekündigt hat. Angesicht der Haltung der jetzigen US-Regierung, die sich (im Gegensatz zur Deutschen Regierung) in einer Stellungnahme für die Zulassung solcher Klagen aussprach, hofft das konservativ besetzte Gericht wohl auf eine neue konservative Regierung nach den US-Wahlen im November diesen Jahres.

Mit der erneuten Anhörung wurde - wieder einmal - für die beklagten Firmen Zeit gewonnen. Von den Klägern sind bereits drei verstorben, unter ihnen Denis Brutus. Viele der Apartheidopfer, die auf eine Anerkennung des erlittenen Unrechts und auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation hoffen, sind inzwischen alt und so ist wohl auch unter diesem Aspekt die Entscheidung GMs und Khulumanis, sich auf einen "symbolischen" Vergleich einzulassen, zu interpretieren.


Wer bekommt das Geld?

Was geschieht nun mit den geschätzten 1,5 Mio. US-Dollar, die es bisher nur in Form von Unternehmensanteilen gibt? Die Summe wird geteilt zwischen Khulumani und einer Gruppe von 12 weiteren Klägern, die vom Rechtsanwalt Dumisa Ntsebeza vertreten werden. Von Khulumanis Anteil werden geringe Summen als individuelle Entschädigungszahlungen an die 13 (stellvertretenden) Khulumani-Kläger und Klägerinnen fließen, genannt werden Beträge zwischen 75 und 1000 Euro. Der Rest des Geldes soll in einen "Reparation and Rehabilitation Trust" fließen, der dann möglichst allen knapp 65.000 registrierten Khulumani-Mitgliedern in Form von kleinen Sozial-, Gesundheits- und Berufsbildungsprogrammen zugute kommen soll. Der US-Anwalt Michael Hausfeld, der seit 2002 Khulumani in der Sache vor dem US-Gericht vertritt, wird auf sämtliche Honorare verzichten.

Mit der Gründung des "Reparation and Rehabilitation Trust" will Khulumani alle Südafrikaner/innen, und auch ausländische und südafrikanische Firmen, die insbesondere zu Apartheidzeiten in Südafrika tätig waren, einladen, sich an der finanziellen Ausstattung des Trusts zu beteiligen.

Khulumani möchte die mediale Aufmerksamkeit in Südafrika zudem dazu nutzen, die Frage angemessener Reparationszahlungen und Programme für Apartheidopfer auch in Südafrika wieder stärker auf die politische und öffentliche Agenda zu setzen. Bereits im vergangenen Jahr hatte Khulumani die bisherige Politik des Justizministeriums, das den President's Fund verwaltet, kritisiert und eine Einbeziehung der Opfer gefordert. Mit der Einrichtung des President's Fund wurde eine Empfehlung der Wahrheits- und Versöhnungskommission umgesetzt. Opfer der Apartheid sollen entschädigt und der Prozess der Nationalen Einheit und Versöhnung damit unterstützt werden. Neben individuellen Zahlungen sollen unter anderem medizinische Dienste, Aus- und Fortbildungen, Hausbauprogramme sowie Gemeindeentwicklungsprogramme aus dem Fonds finanziert werden.

Passiert ist mit dem Geld bisher jedoch kaum etwas. Zwar wurden seit 2003 ca. 16.000 Opfer mit jeweils 3.300 Euro in Raten entschädigt, aber es sind auch schon mehr als 500 anspruchsberechtigte Opfer verstorben. Durch öffentliche Aktionen sollen die verantwortlichen Politiker und das Ministerium unter Druck gesetzt werden.

In Absprache mit Khulumani wird sich die "Koordination Südliches Afrika e.V." (KOSA) auch weiterhin gemeinsam mit den anderen Bündnispartnern dafür einsetzen, dass nicht nur Daimler und Rheinmetall, sondern auch die deutschen Banken (immer) wieder an ihre Verantwortung erinnert werden. Erste Briefe wurden im März verschickt und auch die kommenden Hauptversammlungen der Aktionäre bieten eine Gelegenheit.


Kasten:

DAIMLER LEHNT NACH WIE VOR VERANTWORTUNG GEGENÜBER APARTHEIDOPFERN AB

Auf der diesjährigen Hauptversammlung der Daimler AG am 4. April in Berlin nahm Dorothea Kerschgens von den Kritischen Aktionären die Gelegenheit wahr, Daimler auf die in den USA anhängige Klage sowie den von General Motors eingegangenen Vergleich anzusprechen. Daimler hält die Klage nach wie vor für unbegründet und unzulässig, behauptet, "zu keinem Zeitpunkt mit den südafrikanischen Sicherheitskräften zur Aufrechterhaltung der Apartheid zusammengearbeitet" und auch keine Beihilfe zu schweren Menschenrechtsverletzungen geleistet zu haben. Daimler sieht daher "keine Veranlassung, die gegen unser Unternehmen in den USA eingereichten Klagen zu vergleichen.

Der Vergleich von GM wurde mit keinem weiteren Wort erwähnt. Stattdessen streitet Daimler weiterhin die Verstrickung mit dem Apartheidsystem ab. Dabei ist die Verwendung von Mercedes-Fahrzeugen (Unimogs) z. B. bei Einsätzen der Sicherheitskräfte gegen die politischen Proteste bis hin zur UNO eindeutig dokumentiert. Eigentlich könnte man die sozialen Aktivitäten und Projekte, auf die Daimler immer verweist, mit einer Anerkennung der Schuld, einer angemessenen Entschuldigung und einer Entschädigung zugunsten der Apartheidopfer verbinden. Daimler setzt aber lieber weiter auf Zeit, anstatt außergerichtliche Lösungen mit den Opferverbänden in Südafrika zu suchen.

Dieter Simon


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Anwalt Michael Hausfeld und Tandiwe Shezi, eine der Klägerinnen, auf einer Pressekonferenz in Frankfurt.
  • Soweto 1985: Zum 9. Jahrestag des Aufstands von Soweto protestiert eine Frau gegen die Polizeigewalt. Der Apartheidstaat nutze von Armscor aus Unimog-Bauteilen hergestellte Militärfahrzeuge zur Aufstandsbekämpfung. Von 1978 an hatte Mercedes Benz ca. 6.000 Unimogs trotz des bindenden Waffenembargos des UN-Sicherheitsrats nach Südafrika verschifft.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
41. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2012, S. 32 - 33
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2012