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AFRIKA/1293: Cubango Kavango Okavango - Drei Namen, drei Länder, ein Fluss (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2014

Cubango Kavango Okavango
Drei Namen, drei Länder, ein Fluss

von Thomas Weinzierl und Janpeter Schilling



Angola, Namibia und Botswana teilen sich sein Wasser. Sie gründeten 1994 in Windhoek eine Kommission, die eine koordinierte und umweltverträgliche Nutzung des Flusssystems entwickeln sollte. Seit 2004 hat sie ein ständiges Sekretariat, das in Maun/Botswana angesiedelt ist. Wasser ist in diesem südwestlichen Teil Afrikas ein knappes Gut.


Der Cubango entspringt im tropisch feuchten Hochland in Angola. Zahlreiche Zuflüsse speisen ihn in seinem Quellgebiet. Parallel dazu verläuft das Flusssystem des Cuito. Die beiden Einzugsgebiete decken in etwa eine Fläche von der Hälfte Deutschlands. Der Cuito mündet an der namibischen Grenze in den Cubango.

Der Cubango misst von seiner Quelle bis zu seinem Ende im Okavangodelta in Botswana etwa 1.800 km Länge. Er fließt zunächst südwärts durch die halbtrockenen Regionen und erreicht nach 1.000 km die Grenze Namibias. Hier wendet er sich nach Osten und bildet über etwa 400 km die Grenze zwischen Angola und Namibia. Sein Name wird sprachlich abgewandelt in Kavango oder auch Okavango. Der Mittellauf knickt zu Beginn des Caprivi-Streifens wieder nach Süden ab und erreicht hinter den Stromschnellen von Papa Botswana in einem sumpfigen Binnendelta in der abflusslosen Kalahari, wo ein Großteil des Wassers in der Hitze verdunstet. Das Delta entspricht in etwa der Fläche Thüringens.

Ein Mosaik aus Waldsavannen, Auen und ausgedehnten Feuchtgebieten im Einzugsgebiet des Cubango/Okavango beherbergt nicht nur eine enorme biologische Vielfalt, sondern hat auch einen hohen ökonomischen Stellenwert für die Anrainerstaaten. Die Region ist ländlich geprägt. Rund eine Million Menschen leben dort wie seit Jahrhunderten von dem, was die Natur ihnen anbietet. Sie sind auf den Fluss und seine Ressourcen wie Fisch, Schilf und andere Brenn- und Baumaterialien sowie fruchtbares Farmland angewiesen. Zudem versorgt und verbindet das Wasser die wenigen größeren Ortschaften in der Umgebung.

Doch die Region ist im Wandel: Mit dem Ende des Bürgerkriegs in Angola wurden die Karten am Cubango/Okavango neu gemischt. Angola weist ein hohes Bevölkerungswachstum auf und ist zunehmend bestrebt, seine Rolle als Oberlieger des Flusses zu nutzen, um die Ressourcen des Okavango stärker auszubeuten. Der Wasserbedarf und das Verschmutzungspotenzial in allen drei Staaten steigen durch den Ausbau von Landwirtschaft, Tourismus und Bergbau. Zusätzlich haben die Entscheidungsträger in der nationalen, kommunalen und lokalen Politik vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels mit großen Unsicherheiten zu kämpfen. Sollten die aktuellen Prognosen der Klimaforscher Recht behalten, könnten die Durchschnittstemperatur in der Region bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 5,5 Grad steigen und die Niederschlagsmengen um ein Viertel zurückgehen. Der Klimawandel würde also die Wasserknappheit im Südwesten Afrikas zusätzlich verstärken.


Unterschiedliche Staaten - unterschiedliche Interessen

Die drei Anrainerstaaten des Okavango könnten kaum unterschiedlicher sein. Das portugiesischsprachige Angola im Norden verfügt durch sein regenreiches Klima über relativen Wasserreichtum. Darüber hinaus ist es reich an erneuerbaren Ressourcen wie Wäldern, Fischgründen und Wasserkraftpotenzial und nicht-erneuerbaren Rohstoffen wie Öl, Gas, Diamanten, Eisen und Gold.

Nicht zuletzt aufgrund des Bürgerkriegs, der nach dem Befreiungskrieg mit Unterbrechungen von 1975 bis 2002 andauerte, konnte das Land davon jedoch kaum profitieren. Es hat enormen Entwicklungsbedarf, und große Teile der Bevölkerung leiden bis heute an Armut, Unterernährung und Infektionskrankheiten. Zwischen acht und zehn Millionen Landminen, zahlreiche davon am Okavango, sind noch immer nicht geräumt. Doch Angola ist im Begriff, seine Industrie und Landwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen und den Lebensstandard zu verbessern. Das Land erlebt seit dem Kriegsende 2002 einen Wirtschaftsboom der, ausgehend von der Hauptstadt Luanda, bald auch den Cubango und seine Zuflüsse erreichen dürfte. Nicht zuletzt durch die hohen Weltmarktpreise für Öl wies die angolanische Wirtschaft in den letzten Jahren ein starkes Wachstum auf. Zudem spielen die Diamantvorkommen zunehmend eine Rolle, deren Abbau jedoch sehr wasser- und energieintensiv ist.

Namibia zählt zu den trockensten Ländern der Erde. Nur an den Nord- und Südgrenzen hat Namibia Zugang zu Flüssen, die das ganze Jahr über Wasser führen. Am Oranje im Süden verläuft die Grenze zudem am Nordufer - nicht wie in der Regel in der Flussmitte.

Der Kavango ist für die beiden Regionen West- und Ost-Kavango die Lebenslinie. Diese Landesteile gehören nach den vier Regionen des ehemaligen Ovambolandes im Norden - hier lebt fast die Hälfte der namibischen Bevölkerung - zu den dichtest besiedelten Gebieten Namibias. Der Fluss und der für Namibia relativ hohe Jahresniederschlag erlauben eine gemischte Landwirtschaft aus Viehzucht, Bewässerungs- und Trockenfeldbau.

In Namibia kann knapp die Hälfte des Landes agrarisch genutzt werden - vor allem für die Weidewirtschaft -, lediglich fünf Prozent sind für den Feldbau geeignet. In der Wasserversorgung sind die zentralen und südlichen Landesteile abhängig von Grundwasser, das aus zahlreichen Bohrlöchern gefördert wird, sowie von etlichen Staudämmen und aufgelassenen Bergwerkstollen, um die seltenen Regenfälle zu speichern. Damit die Wasserversorgung dieser Landesteile für Mensch, Vieh und Industrie weniger abhängig ist von den erratischen Regenfällen, hat Namibia schon in den 1990er Jahren Pläne in den Schubladen, mit Pipelines Wasser vom Kavango bis zur hunderte Kilometer entfernten Hauptstadt Windhoek umzuleiten. Diese Vorhaben scheiterten bisher am öffentlichen Widerstand, auch weil schwer abzuschätzen ist, wie sich solche Maßnahmen flussabwärts auswirken würden.

Letztlich hat Botswana gegen alle Kompromissvorschläge ein Veto eingelegt. Das Land fürchtet um den Bestand des Deltas, das eines der wichtigsten Touristen-Attraktionen ist. Umweltschützer in Botswana vermuten jedoch andere Gründe: Die Regierung wolle sich die Wasser des Okavango für die Diamantenförderung sichern, die sich stetig nach Norden bewegt und die wasserintensiv ist.

Botswana gilt mit stabilem Wirtschaftswachstum und geringer Korruption als afrikanisches Musterbeispiel für Demokratie und Stabilität. Das Land zählt zu den größten Diamantenproduzenten der Welt und ist außerdem eines der beliebtesten Ziele von Jagd- und Safaritouristen. Allein durch den Tourismus im Okavangodelta nimmt Botswana fast fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts ein. Sollte ein Teil des Flusswassers bereits vorher, z.B. für landwirtschaftliche Großprojekte, entnommen werden, wären die Auswirkungen auf das Ökosystem und damit auch auf das touristische Potenzial kaum absehbar.


Landwirtschaftliche Nutzung

Seit dem 19. Jahrhundert wurde immer wieder versucht, das Delta in größerem Stil landwirtschaftlich zu nutzen. Aufgrund ökologischer Bedenken und hoher Transportkosten verbunden mit der hohen Unsicherheit, wie viel Wasser tatsächlich zur Verfügung steht, wurden bisher all diese Projekte aufgegeben. Für seine Wasserversorgung muss sich Botswana vor allem auf Grundwasser verlassen. Etwa 21.000 Bohrlöcher stellen landesweit die Versorgung sicher, jährlich kommen ca. 60 neue hinzu. Es herrscht Uneinigkeit darüber, wie lange die Grundwasserreservoire noch reichen, da die Erholungsrate schwer abschätzbar ist. Hydrologen gehen jedoch von wenigen Jahrzehnten aus. Die Subventionspolitik der Regierung führt dabei zu einer absurden Situation: Obwohl das Land über fast keine nachhaltigen Wasserressourcen verfügt, gibt es für den Verbraucher kaum Anreize, Wasser zu sparen.

Die Landwirtschaft trägt zwar, gerade in Angola und Botswana, nur zu einem geringen Teil zum Bruttoinlandsprodukt bei und wird überwiegend zur Selbstversorgung betrieben, sie sichert aber Arbeitsplätze. So werden Savannen und Feuchtgebiete immer intensiver genutzt, Wälder gerodet und in Ackerflächen umgewandelt, immer mehr Land wird künstlich bewässert.

Doch nicht nur die Wasserverfügbarkeit ist ein Problem, sondern auch die Qualität. Ein Teil des Grundwassers ist bereits stark versalzen und überschreitet die von der WHO empfohlenen Grenzwerte. Durch eine Intensivierung der Landwirtschaft können zudem Schadstoffe und Düngemittel in das System gelangen. Der Okavango gilt als nährstoffarmer Fluss. Über Jahrtausende haben sich Tiere und Pflanzen an diese Nährstoffarmut angepasst und dadurch eine ökologische Nische besetzt. Die Zuführung von Düngemitteln aus der Landwirtschaft könnte das empfindliche Ökosystem schnell durcheinanderbringen.


Wassermanagement

Entsprechend genau beäugen sich die Anrainerstaaten, wenn es um neue Entwicklungen im Wassersektor geht. Anstelle diplomatischen Säbelrasselns wie etwa am Nil setzen die drei Staaten jedoch in zunehmendem Maß auf Kooperation. 1994 wurde die OKACOM (Okavango River Basin Water Commission) als grenzübergreifende Organisation zum gemeinschaftlichen Management des Flusses gegründet. Sie bildet den Grundstein zu einer Zusammenarbeit, die heute international als vorbildlich gilt. Trotz fehlender rechtlicher Entscheidungsgewalt genießt die ständige Wasserkommission als Instrument der Kooperation zwischen den drei Ländern erhebliches Ansehen.

Um einen nachhaltigen Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser am Okavango zu fördern und die Landnutzung zu optimieren, wurde 2010 das Projekt TFO (The Future Okavango) ins Leben gerufen. Finanziert wird es durch das deutsche Ministerium für Bildung und Forschung. Die Förderung ist bis 2015 vertraglich gesichert. Über 100 Wissenschaftler von afrikanischen, brasilianischen und deutschen Universitäten untersuchen dabei die Zusammenhänge zwischen Landnutzung, Ressourcen, Ökosystem und Klimaeinflüssen. Ihre Erkenntnisse geben sie an die entsprechenden Interessengruppen, Behörden und Entscheidungsträger weiter.

Diese orientieren sich bei ihrer Arbeit an den Prinzipien des sogenannten "Integrierten Wasserressourcenmanagements" (IWRM). Ziel ist es, klare Zuständigkeiten zu schaffen und die Ressourcennutzung so effektiv wie möglich zu gestalten, gleichzeitig aber die Umwelt zu erhalten. Integration bedeutet dabei sowohl die vertikale Zusammenarbeit zahlreicher staatlicher, kommunaler und lokaler Akteure sowie die horizontale Koordination verschiedener Sektoren wie Landwirtschaft, Gesundheit und Energie.

Ein wichtiger Kernpunkt ist es, den Wasserverbrauch insgesamt so gering wie möglich zu halten, was den Vorteil hat, dass gleichzeitig auch wenig Abwasser behandelt werden muss. Des Weiteren werden Angelegenheiten, die die Verteilung des Wassers betreffen, weitgehend dezentralisiert und auf möglichst niedriger Ebene entschieden. Dabei wird Wert darauf gelegt, lokale Interessengruppen soweit es geht in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen.

Besonders Angola erweist sich seit dem Ende des Bürgerkrieges als entscheidender Faktor in der Gleichung, da der Wiederaufbau von Wirtschaft und Infrastruktur einen deutlichen Anstieg des Wasserbedarfs mit sich bringt. Nach UN-Schätzungen wird sich die momentane Einwohnerzahl Angolas von 18,5 Millionen bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln. Der Bevölkerungszuwachs wird sich zwar vor allem auf die zentralen und nördlichen Teile des Landes auswirken, aber auch für den wirtschaftlich schwierigeren Süden im Einzugsgebiet des Cubango nicht ohne Folgen bleiben.

Der Bevölkerungswachstum bei den Unterliegern Namibia und Botswana wird deutlich geringer eingeschätzt - im Einzugsgebiet des Okavango auf jeweils wenige Zehntausend. Es wird sich als schwieriger Spagat erweisen, Angolas Wiederaufbau und Wirtschaftswachstum zu ermöglichen, ohne wiederum das von Namibia und Botswana einzuschränken, und gleichzeitig das fragile Ökosystem zu erhalten.


Thomas Weinzierl und Dr. Janpeter Schilling forschen zum Thema Klima, Wasser und Konflikte in Afrika am Institut für Geographie der Universität Hamburg. Dr. Janpeter Schilling arbeitet zudem als Experte für Klimawandel und Konflikte für International Alert in London.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
43. Jahrgang, Nr. 3, Mai/Juni 2014, S. 40 - 42
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2014