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AFRIKA/1437: Frauen in afrikanischen Parlamenten (frauen*solidarität)


frauen*solidarität - Nr. 145, 3/18

Frauen in afrikanischen Parlamenten
Frauenorganisationen spielen eine allgemein anerkannte Schlüsselrolle

von Sylvia Köchl


In den meisten afrikanischen Ländern spielen Frauenorganisationen eine Schlüsselrolle beim Zugang von Frauen zur Tätigkeit als Politikerinnen in lokalen und nationalen Parlamenten. Eine US-amerikanische Studie und Expertinnen des Parlamentarischen Nord-Süd-Dialogs in Österreich kommen hier zu demselben Schluss.


Der Parlamentarische Nord-Süd-Dialog (PNSD) des österreichischen Nationalrats hat seit 2016 eine Partnerschaft mit der National Assembly of Zambia, dem sambischen Parlament(1). 2016 wurde in Sambia zuletzt gewählt, und der Frauenanteil beträgt seither 18,7% (in Österreich aktuell 35,52%). Mit der Frage, vor welchen Herausforderungen sambische Frauen in der Politik stehen, beschäftigte sich Anfang Juni anlässlich des Besuchs einer sambischen Parlamentsdelegation in Wien ein Radio-Podcast(2), in dem u. a. Anaïs Angelo vom Institut für Afrikawissenschaften an der Universität Wien, Jutta Kepplinger, Projektleiterin des PNSD, und Kashimbi Limata, Sprecherin des sambischen Parlaments, zu Wort kamen.

Anaïs Angelo erklärte in der Sendung genauer, was hinter den in Afrika weit verbreiteten Präsidialsystemen steckt, die im Globalen Norden meist sehr rasch als potenzielles Demokratieproblem identifiziert werden. Das System der (männlichen) Präsidenten mit großer Machtfülle, die über viele Jahre im Amt bleiben können, war ursprünglich als Garant für den Erhalt der Unabhängigkeit von den Kolonialmächten konzipiert. Kritische Diskurse gab es zwar von Anfang an, aber eine Art Exit-Strategie gab es meistens nicht. Und inzwischen ist ein Systemumbau kompliziert und braucht Zeit.

Jutta Kepplinger fügte hinzu, dass die Qualität einer Demokratie in Sambia wie überall weniger vom jeweiligen System abhänge, sondern davon, wie etabliert die Gewaltenteilung ist und ob es starke Kontrollinstanzen (Verfassungsgericht, Rechnungshof usw.) gibt.


Hindernisse...

Die Repräsentation von Frauen und Minderheiten im Parlament gilt in Sambia als Maßstab für eine starke Demokratie, deren Wesen die Repräsentation aller Bevölkerungsgruppen ist.

Eine Hürde auf dem Weg ins Parlament wurde kürzlich entfernt: Es war ein Mindestmaß an Schulbildung gefordert, um überhaupt zu politischen Wahlen antreten zu können. Frauen waren dadurch benachteiligt, denn höhere Bildung ist einerseits eine Geldfrage, und andererseits ist es Mädchen verboten, nach einer Schwangerschaft wieder zurück in die Schule zu gehen. Dabei sind Schwangerschaften von Mädchen meist Folge von erzwungenen Verheiratungen.

Dazu kommt: Seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1964 gilt Politik in Sambia als männliche Sphäre und (eine bestimmte Form von) Männlichkeit als Voraussetzung für Regierungsfähigkeit. Weibliche Politikerinnen werden (nicht nur) in Sambia viel eher moralisch und persönlich durchleuchtet als Männer. Es gilt als suspekt, wenn Frauen in die Politik gehen; da wird nach dem Wohl der Kinder gefragt; die Fähigkeit, sachlich zu arbeiten, wird Frauen abgesprochen.


...und Chancen

Eine Chance bietet das sambische Wahlrecht: Es ermöglicht, auch ohne Partei als unabhängige Kandidatin einen Nationalratswahlkampf zu führen. Allerdings muss eine Wahlkampagne finanziert werden. Und die bisherigen Erfahrungen zeigen: Sponsoring kommt überwiegend Männern zugute, weil ihnen eher der politische Erfolg zugetraut wird. Eine Chance mit hohem Nachhaltigkeitsfaktor bietet die Tatsache, dass Frauenorganisationen in Sambia angesehen sind und wichtig genommen werden.

Kashimbi Limata, Sprecherin des sambischen Parlaments, zählte im Radio-Interview die wichtigsten offenen Punkte auf: Frauen brauchen mehr politische Bildung und mehr Sponsoring, die herrschenden Ansichten über Politikerinnen müssen sich verändern, Frauen sollten sich auch gegenseitig mehr unterstützen, und die Parteien müssten viel mehr Frauen (auch aus den ländlichen Regionen) aufnehmen und fördern. Bei all diesen Punkten könnten und sollten die Frauenorganisationen eine Schlüsselrolle spielen, so Limata.


Alternative zu den Parteien

Diese Rolle der Frauenorganisationen wird auch durch eine aktuelle Studie von vier US-amerikanischen Forscherinnen bestätigt, die unter dem Titel "Der Effekt weiblicher Repräsentation im Parlament und die Chancen für geschlechtergerechte Politik"3 die subsaharischen afrikanischen Staaten untersucht haben. "Allgemein wird in Afrika unter politischen Entscheidungsträger_innen und Intellektuellen der positive Einfluss von Frauenorganisationen auf Politik und Gesellschaft erkannt", heißt es hier.

Frauenorganisationen ermöglichen qualifizierten Kandidatinnen für politische Ämter die Nominierung und den Wahlkampf. Sie initiieren Kooperationen zwischen Frauen aus unterschiedlichen Sphären der Gesellschaft, unterstützen Wahlkampagnen von benachteiligten Frauen mit Ressourcen und Geld und stellen Netzwerke bereit. Damit beseitigen sie Hindernisse insbesondere für ärmere Frauen, deren Zugang zu Bildung und ökonomischer Unabhängigkeit eingeschränkt ist. Die Frauenorganisationen bieten Interessierten damit eine wichtige Alternative zu den bestehenden Parteien, wo in Fragen der Gleichberechtigung und Frauenförderung meist Kompromisse gemacht werden müssen.


Ausblick

Wie stark Frauen in Afrika zukünftig in politisch-demokratische Institutionen inkludiert sein werden, hängt aber nicht nur davon ab, ob die Barrieren, die sie aufgrund ihres Geschlechts vorfinden, abgebaut werden, sondern auch davon, wie die heutigen Politikerinnen agieren. "Die Zukunft der politischen Inklusion von Frauen wird davon abhängen, ob die weiblichen Abgeordneten das Leben der armen Frauen entscheidend verbessern können", schreiben die vier Forscherinnen.

Die Ausgangsfrage der Studie, ob eine hohe Anzahl Frauen in Parlamenten gleichbedeutend ist mit mehr geschlechtergerechter Politik, beantworten sie sehr vorsichtig: In Ländern mit einem höheren Frauenanteil im Parlament sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass Gesetze verabschiedet und implementiert werden, die auf Geschlechtergerechtigkeit achten.

Um die Wahrscheinlichkeit weiter zu erhöhen, schlagen die Forscherinnen Schulungsprojekte nicht nur für an Politik interessierte Frauen im Allgemeinen, sondern für Abgeordnete im Besonderen vor: Damit sie in parlamentarischen Debatten erfolgreicher argumentieren können und besser Bescheid wissen über ihre Möglichkeiten - von der Organisation öffentlicher Anhörungen bis zur Frage, wie Frauen- und Gleichstellungsthemen Eingang in den Gesetzgebungsprozess finden.

Auch der Parlamentarische Nord-Süd-Dialog zwischen Sambia und Österreich setzt zur Stärkung des Parlamentarismus auf Bildung, konkret darauf, Jugendliche für Politik und Demokratie zu interessieren und insbesondere Mädchen und junge Frauen in ihren politischen Ambitionen zu stärken.


Anmerkungen:

(1) www.nordsueddialog.org, www.parliament.gov.zm

(2) "Welt im Ohr"-Podcast der OeAD-Website (Österr. Austauschdienst); Sendung vom 8. Juni 2018 "Frauen, Politik und Parlamentarismus im südlichen Afrika":
https://kef-research.at/de/kommunikation/welt-im-ohr-podcasts

(3) "The Effect of Women's Representation in Parliament and the Passing of Gender Sensitive Policies" von Elizabeth Asiedu (University of Kansas), Claire Branstetter (American Institutes for Research), Neepa Gaekwad-Babulal (State University of New York at Fredonia) und Nanivazo Malokele (University of Kansas)

Zur Autorin:
Sylvia Köchl ist Journalistin und Mitarbeiterin des Vereins Frauen*solidarität.

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Quelle:
Frauen*solidarität Nr. 145, 3/2018, S. 20-21
Text: © 2018 by Frauensolidarität / Sylvia Köchl
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - feministisch-entwicklungspolitische
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2019

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