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AFRIKA/799: Sambia - Wenn die Minen husten, hat das Land eine Grippe! (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, Dezember 2009 / Januar 2010

Wenn die Minen husten, hat das Land eine Grippe!
Sozioökonomische Folgen der globalen Krise im (Kupfer-)Bergbausektor Sambias

Von Matthias Zingel


Sambias ökonomische Entwicklung ist seit seiner Unabhängigkeit von extremen Schwankungen gekennzeichnet. Während das Land Mitte der 1960er-Jahre noch als ein hoffnungsvoller Stern am afrikanischen Wirtschaftshimmel galt, musste es bereits zu Beginn der 70er-Jahre einen regelrechten Niedergang seiner Volkswirtschaft hinnehmen. Auch die 1982 von den Internationalen Finanzinstitutionen auferlegten Maßnahmen zur Umstrukturierung der sambischen Ökonomie trugen nicht dazu bei, die Situation im Land zu verbessern. Ganz im Gegenteil: Die sich an neoliberalen Konzepten orientierende Strukturanpassungspolitik verursachte eine lang anhaltende soziale Krise, deren Trend sich erst Anfang 2000 langsam zu ändern schien.


Die Politik, aber auch die Bürgerinnen und Bürger Sambias setzten ihre Hoffnungen vor allem in die von der Weltbank als erfolgreiches Paradebeispiel bezeichnete Privatisierung der staatlichen Kupferindustrie Zambia Consolidated Copper Mines (ZCCM), die nach langjährigen Verhandlungen im Jahre 2000 abgeschlossen wurde. Ausländische Investitionen und der damit verbundene technologische Fortschritt, Wissenstransfer, Entlastungen des Staates und Einbindungen einheimischer Unternehmen sollten Sambia aus einer dreißigjährigen wirtschaftlichen Misere führen. Der Privatisierungsprozess des sambischen Kupferbergbaus war dadurch gekennzeichnet, dass die Regierung so genannte Entwicklungsabkommen mit den Investoren vereinbarte, in welchen die Rechte und Pflichten beider Vertragspartner festgehalten wurden.

Die schlechte Verhandlungsposition der sambischen Regierung, die unter anderem dem Umstand extrem niedriger Kupferpreise an den internationalen Rohstoffmärkten geschuldet war, erlaubte dem Privatsektor, auf ein "investorenfreundliches" Verhandlungsergebnis zu drängen. Dies führte u.a. zu einer für die neuen Minenbesitzer sehr vorteilhaften Besteuerung ihrer Unternehmen, die weit unterhalb des internationalen Standards rangierte. Sambia konnte dadurch kaum an den zeitweise sehr hohen Gewinnen der Kupferminen partizipieren. Weitere Folgen der Privatisierung waren die Entlassung von einem Drittel der Minenarbeiter, die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse (zeitlich begrenzte Arbeitsverträge ohne soziale Absicherung; Zunahme an Leiharbeitern, deren Lohnniveau nicht dazu ausreichte, um die Grundbedürfnisse zu decken), wachsende ökologische Zerstörung durch die Minenbetriebe und die Verschlechterung der Gesundheitsversorgung der Angestellten und ihrer Familienangehörigen.

Auf der anderen Seite brachte der Privatisierungsprozess frisches Geld ins Land, der Minensektor wurde modernisiert und somit die Produktivität erhöht. Gruben wurden neu eröffnet bzw. zuvor wegen der mangelnden Profitabilität geschlossene Gruben wurden wieder in Betrieb genommen. Der seit 2004 kontinuierlich ansteigende Kupferpreis auf den internationalen Märkten entfachte eine Diskussion über die unter anderen Bedingungen geschlossenen Entwicklungsabkommen zwischen Staat und Privatsektor. Zivilgesellschaftliche Akteure wie das Civil Society Trade Network of Zambia (CSTNZ) oder das Catholic Centre for Justice, Peace and Development (CCJPD) sowie die parlamentarische Opposition stellten die Legitimität der Entwicklungsabkommen in Frage und verlangten Neuverhandlungen. Sie argumentierten, dass die gestiegenen Profite der Unternehmen auch den Menschen im Land zugute kommen müssten und nicht nur auf ausländischen Bankkonten verschwinden dürften.

Schließlich kam es 2008 zu den geforderten Neuverhandlungen der Verträge, in deren Folge eine umfangreiche Steuerreform durchgeführt wurde, die fortan das Land an den hohen Gewinnen der Unternehmen profitieren lassen sollte. So wurde z.B. eine progressive Gewinnsteuer eingeführt (sog. Windfall Tax), die Erhöhung der Unternehmenssteuer von 25 auf 35 Prozent durchgesetzt und die Royalty Tax von 0,6 auf drei Prozent angehoben.


Einbruch des Kupferpreises

Die sich seit 2007 abzeichnende Wirtschafts- und Finanzkrise hat das Land und seine Bevölkerung jedoch schwer getroffen. Die auf dem Weltmarkt einbrechende Nachfrage nach Kupfer hat den Weltmarktpreis drastisch fallen lassen: von 9.000 US-Dollar (April 2008) auf 2.900 US-Dollar (Januar 2009). Das traf die Wirtschaft Sambias mitten ins Herz. "Wenn wir über die sambische Wirtschaft sprechen, sprechen wir vom Bergbausektor. So lange es diesem gut geht, geht es auch dem Land gut. Sobald dieser Sektor jedoch schwächelt, bekommt es das gesamte Land zu spüren", sagt der Ökonomieprofessor John Lungu von der Copperbelt University und benennt damit ein Problem der sambischen Wirtschaft, das keineswegs neu ist und sich schon in den 70er-Jahren als die Achillesferse der sambischen Ökonomie erwiesen hatte: die mangelnde Diversifizierung bzw. die einseitige Abhängigkeit vom Kupfer. Nach wie vor bezieht Sambia seine Exporterlöse zu über 70 Prozent aus dem Verkauf von Kupfer und bleibt damit äußerst verwundbar durch externe Schocks.

Die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise für Sambia sind vielfältiger Art. So erzwangen die ausländischen Bergbauunternehmen angesichts der gefallenen Weltmarktpreise für Kupfer die Zurücknahme der Steuerreform für den Bergbausektor von 2007, indem sie mit dem Abzug der Investitionen drohten. "Jetzt sind wir wieder da, wo wir vor Jahren angefangen haben", kommentiert der Präsident der - sambischen Minenarbeitergewerkschaft (Mineworkers Union of Zambia, MUZ), Rayford Mbulu, die Situation.

Für den Staatshaushalt bedeutet die Rücknahme - der Steuerreform große Verluste. Im Jahre 2008 war der Bergbausektor für ungefähr 10 Prozent der Steuereinnahmen verantwortlich. Wie sehr die Sozialpolitik von dem Wegfall dieser Einnahmen betroffen sein wird, kann noch nicht gesagt werden. Dies werden die Budgetverhandlungen zeigen. Aber schon jetzt zeigt der Wegfall von freiwilligen Abgaben der Bergbauunternehmen seine Wirkungen: "Auch wenn die Bergbauindustrie nicht (mehr) für die Finanzierung sozialer Dienstleistungen zuständig ist", wie es noch zu Zeiten der verstaatlichten Industrie der Fall war, "spürt man ganz deutlich das Wegfallen von Spendengeldern z.B. für Krankenhäuser. Wenn man zum Krankenhaus nach Kalulushi fährt, das zu einem Bergbauunternehmen gehört, kann man sehen, dass dort nicht mehr gearbeitet werden kann. Schwere Fälle werden sofort an das Universitätskrankenhaus in Lusaka verwiesen", sagt Prof. Lungu.


Massenentlassungen

Besonders schwer traf es die Arbeitskräfte im Bergbausektor. "Alleine im Kupfergürtel haben beinahe 13.000 von landesweit 30.000 Minenarbeitern ihre Arbeit verloren. Hinzu kommen noch die Zulieferbetriebe. Wir sprechen hier von einem Einkommensverlust, der nicht nur die entlassenen Minenarbeiter betrifft, sondern den gesamten Sektor der Kleinunternehmen innerhalb der Minenstädte. Der gesamte Transportsektor in Kitwe ist zusammengebrochen. Man findet etliche Busse, die auf ihre Fahrgäste warten, aber die kommen nicht, weil sie jetzt zu Fuß gehen müssen", sagte Prof. John Lungu und verweist damit auf die zentrale wirtschaftliche Bedeutung des Kupferbergbaus für viele Städte im so genannten Kupfergürtel.

Die entlassenen Arbeiter haben kaum Möglichkeiten, die Folgen der Krise abzufangen, zumal die Regierung keine Maßnahmen ergreift, außer neue ausländische Investitionen ins Land zu holen. Nachhaltige soziale Sicherungssysteme, die in einer solchen Situation funktionieren könnten, gibt es in Sambia nicht. "Die entlassenen Arbeitskräfte hoffen darauf, dass die Regierung Investitionsverhandlungen über die geschlossenen Minen vorantreibt und erfolgreich abschließt, damit sie bald wieder arbeiten können", fügt MUZ-Gewerkschaftsführer Rayford Mbulu hinzu.

Sowohl Lungu als auch Mbulu kritisieren die Regierung wegen ihrer Untätigkeit. Es gäbe keinerlei Schulungsmaßnahmen, keine Kurse, die es den ehemaligen Minenarbeitern ermöglichten, ein kleines Unternehmen aufzubauen. "Warum macht die Regierung die Mittel zur wirtschaftlichen Ermächtigung der Bürgerinnen und Bürger Sambias nicht zugänglich für die entlassenen Minenarbeiter? Mit gezielten Weiterbildungen könnte man diese dann z.B. in der Landwirtschaft ausbilden." Dabei wurde eigens eine Citizen Economic Empowerment Commission gebildet, die Bürgerinnen und Bürger Sambias beim Aufbau von Kleinunternehmen finanziell unterstützen soll.

Ob der von der Krise schwer gezeichnete Minensektor sich negativ auf die Armutssituation im ganzen Land auswirken wird, bleibt noch abzuwarten. Denn wie von der parlamentarischen wie zivilgesellschaftlichen Opposition kritisiert wurde, sind die durch die kurzweilige Steuerreform erzielten Mehreinnahmen nicht bei der Bevölkerung angekommen, obwohl dies im Vorfeld von Seiten der Regierung versprochen wurde. Somit kann auch nicht abgeschätzt werden, ob die Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele durch die Krise beeinträchtigt wird oder nicht. Fest steht jedoch, dass das Land seine Abhängigkeit vom Kupfer in Form einer nachhaltigen Diversifizierung unbedingt reduzieren muss.


Anmerkung des Autors:

Diesen Artikel widme ich Fr. Mishek Kaunda von der katholischen Diozöse Ndola, der im Juni diesen Jahres leider verstorben ist. Als Leiter der CCJPD setzte er sich stets für lokale, nationale und globale Gerechtigkeit ein.



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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
38. Jahrgang, Nr. 6, Dezember 2009/Januar 2010, S. 31 - 32
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2010