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AFRIKA/841: Sudan - Hunger treibt Kindersoldaten zurück zur Armee (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. August 2010

Sudan: Hunger treibt Kindersoldaten zurück zur Armee - Schwierige Demobilisierung

Von Zack Baddorf


Südsudan, 16. August (IPS) - Im April wurden im Südsudan 91 Kindersoldaten nach Hause geschickt. Doch die seit Jahren überfällige Demobilisierung der auf 12.000 geschätzten Minderjährigen, die im Norden und Süden des Landes während des langen Bürgerkriegs zwangsrekrutiert worden waren, kommt kaum voran. Im südsudanesischen Bundesstaat Unity treibt der Hunger viele von ihnen zurück in die Kasernen.

2005 hatte ein Friedensabkommen den Jahrzehnte langen Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan beendet. Zu den Vertragsbedingungen gehörten Demobilisierung, Entwaffnung und soziale Wiedereingliederung von Kindersoldaten, die Armee und Guerillatruppen mit Gewalt rekrutiert hatten. Fünf Jahre später beschuldigten die Vereinten Nationen in einem im Mai 2010 veröffentlichten Bericht die inzwischen im teilautonomen Südsudan regierende SPLA, sie verstoße ständig gegen Vorschriften, die für den Umgang mit Kindern in bewaffneten Konflikten gelten.

Im Juni kritisierte das zivile Forschungsinstitut 'Small Arms Survey' in einem eigenen Bericht die Demobilisierung im Südsudan als langsam. Darin wurde auch betont, die Heimkehr der ehemaligen Kämpfer sei für die Gemeinden wirtschaftlich und sozial kaum zu bewältigen. Im Südsudan stehen rund 900 der 2005 auf 3.000 geschätzten Kindersoldaten immer noch in den Diensten der SLPA.

"Die Armee fordert mich immer wieder auf, zu ihr zurückzukommen", berichtete ein junger Mann. Er war 2008 im Bundesstaat Unity als 15-Jähriger Kindersoldat entlassen worden und ist fest entschlossen, bei seiner Familie zu bleiben.

Die SPLA habe es nicht nötig, Kindersoldaten anzuwerben, versicherte George Gatloy Koang, stellvertretender Vorsitzender der südsudanesischen Kommission für Demobilisierung, Abrüstung und Reintegration (SSDDRC) in Unity. Allerdings habe die Kommission im vergangenen Jahr drei Kinder entdeckt, die der Hunger zurück in die Kasernen getrieben habe. "Es geht der Armee nicht um Rekrutierung, sie will nur helfen. Es ist doch sinnlos, hungrige Kinder aus der Kaserne zu jagen, für die es anderswo nichts zu essen gibt", betonte Koang.

Im vergangenen Jahr hatte sich die SPLA mit den UN vereinbart, bis Dezember 2010 alle Kindersoldaten aus dem Militärdienst zu entlassen. Wenn die Kommission einen von ihnen in einer Kaserne entdeckt, holt ein Beamter ihn dort heraus. Ohne zusätzliche internationale Hilfe für die Familien könnten die entlassenen Kindersoldaten aber nicht angemessen versorgt werden, stellte Charles Machieng, der in Unity zuständige SSDDRC-Vorsitzende fest.

Das Welternährungsprogramm (WFP) berichtete auf seiner Website, dass im Südsudan derzeit 4,3 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, viermal mehr als noch vor einem Jahr. Gründe für die Versorgungskrise sind andauernde Kämpfe und die Trockenheit. "Viele Menschen haben nichts zu essen, und auf dem Land kann vielerorts nichts geerntet werden", stellt das WFP fest. Im bitterarmen Südsudan müssen nach UN-Schätzungen mehr als 90 Prozent der Bevölkerung pro Tag mit umgerechnet wenigem als einem US-Dollar auskommen.


Regierung ist gefordert

Die südsudanesische Regierung müsse im Staatshaushalt mehr Mittel für Dienste im Gesundheits- und Bildungssektor bereitstellen, fordert der für die Region zuständige Sprecher des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF) Bismarck Swangin. Während 37 Prozent des diesjährigen Budgets von 3,3 Millionen Dollar in Polizei und Armee investiert werden, sind sieben Prozent für Bildung und vier Prozent für das Gesundheitswesen vorgesehen, deutlich mehr als im Vorjahr. Die Regierung betont. "In diesem Jahr steht die Versorgung mit Basisdiensten im Mittelpunkt."

Swangin betonte, um die Kosten der sozialen Wiedereingliederung von Kindersoldaten zu senken, benötigten UNICEF und Regierung Hilfsprogramme für die armen Kommunen, deren Kinder nicht weniger Hunger leiden als die aus der Armee Entlassenen.

Timothy war elf Jahre alt, als ihn Kämpfer der Südsudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) mit Prügel in ihre Dienste zwangen und in ein Militärlager brachten. Dort musste er das Gepäck der Soldaten schleppen, ihre Kleider waschen, Brennholz sammeln und kochen.

Aufgrund einer auf drei Monate befristeten zusätzlichen WFP-Lebensmittelration hat der ehemalige Kindersoldat jedoch bessere Aussichten, ins zivile Leben zurückzukehren. In seiner Familie gibt es genug zu essen, und sein Onkel Francis hat versprochen, ihn und seine eigenen Kinder zur Schule zu schicken. "Mit einer abgeschlossenen Schulbildung werden sie sich selbst ernähren können", sagte der Onkel im IPS-Gespräch. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.smallarmssurvey.org
http://www.wfp.org
http://www.unicef.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=52479

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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2010