Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/852: Goldene Zeiten für den Krisenkontinent - Experten erwarten Entwicklungsschub (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. August 2010

AFRIKA: Goldene Zeiten für den Krisenkontinent - Experten erwarten Entwicklungsschub

Von Julio Godoy


Paris, 31. August (IPS) - Das Afrika südlich der Sahara darf sich auf eine glänzende Zukunft gefasst machen, glaubt man den beiden französischen Entwicklungsexperten Jean-Michel Severino und Olivier Ray. Sie prognostizieren der Region in einem neuen Buch 'Le temps de l'Afrique' ('Die Zeit Afrikas) eine Zukunft, die dem gängigen Bild von ewigen Krisenkontinent diametral zuwiderlaufen.

"Das europäische Bild von Afrika - eines von Armut und Krankheiten geplagten Kontinents - ist falsch", sagte Severino, bis vor kurzem Direktor der französischen Entwicklungsbehörde 'Agence Française de Développement' (AFD). Das heutige südliche Afrika zeichne sich durch ein starkes Wirtschaftswachstum und zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten aus. "Subsahara-Afrika ist inzwischen ein Schnellzug auf dem Weg zu Wohlstand und Erfolg."

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hätten die Volkswirtschaften südlich der Sahara jährlich um 5,5 Prozent zugelegt. Demgegenüber könne die Eurozone lediglich ein Wachstum von 1,35 Prozent vorweisen, erklärte Severino im Gespräch mit IPS. Neuere Studien belegten ferner, dass die Armut in Afrika rapide abnehme.


Chancen für die Millenniumsziele

Grund zu Optimismus gibt auch ein Papier des 'U.S. National Bureau of Economic Research' (NBER). Darin kommen die Wirtschaftswissenschaftler Xavier Sala-i-Martin und sein Forschungsassistent Maxim Pinkovsky zu dem Schluss, dass sich bei einer Fortsetzung des derzeitigen Trends die UN-Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) zur Armutsbekämpfung bis 2015 doch noch erreichen lassen.

Die MDGs wurden im Anschluss an den New Yorker UN-Millenniumsgipfel im Jahr 2000 formuliert und beinhalten ehrgeizige Ziele wie die Halbierung von Armut und Hunger, Grundschulbildung für alle und einen deutlichen Rückgang der Kindersterblichkeit. Auch die Gesundheitsversorgung von Müttern soll bis 2015 verbessert werden, Erfolge im Kampf gegen schwere Krankheiten wie HIV/Aids und Malaria errungen und die ökologische Nachhaltigkeit gesichert werden.

Wie Severino versicherte, ist Grund für den neuen Optimismus auf jeden Fall gegeben. Alle regionalen Indikatoren - vom rückläufigen Bevölkerungswachstum über die Zunahme ausländischer Direktinvestitionen und den Trend zur Urbanisierung bis zur verstärkten Teilnahme Afrikas am internationalen Handel - stützten die These, dass sich Afrika kontinuierlich auf dem Weg in den Wohlstand befinde.

"Bis 2050 werden zwei Milliarden Menschen den afrikanischen Kontinent bevölkern, von denen 60 Prozent in Städten leben werden", so der ehemalige AFD-Chef. Ein solcher Trend habe anderswo stets zu Entwicklung geführt. Die Produktivität konnte gesteigert, neue Märkte erschlossen und die Binnennachfrage erhöht werden - mit positiven Auswirkungen auf die ländlichen Gebiete.

Wie Severino weiter erklärte, haben die Investitionen in Afrika - sowohl die privaten als auch die staatlichen - weiter zugenommen. Hier komme gerade der Volksrepublik China eine besondere Bedeutung zu. Hohe Rohstoffpreise trügen ferner dazu bei, die wachsende afrikanische Gesamtwirtschaft zu konsolidieren.


Energiepotenzial nutzen

Hinzu kommen die Chancen, die das nahezu ungenutzte Energiepotenzial Afrikas bereithält. "Afrika beutet keine sieben Prozent seiner Wasserkraftkapazitäten aus", rechnete Severino gegenüber IPS vor. Zudem kämen die ungeheuren Möglichkeiten für die Region, die eine Ausschöpfung der Sonnen- und Windkraft und Biomasse bergen.

Gefahr sieht Severino für die afrikanischen Staaten vor allem im Klimawandel mit seinen geringeren oder ausbleibenden Niederschlägen, seinen Wasserkrisen, Ernteausfällen, Nahrungsmittelengpässen und horrenden Kosten für die Anpassung an die Folgen.

'Le temps de l'Afrique' ist in Frankreich als das "leidenschaftlichste Buch" bezeichnet worden, das in jüngster Zeit zu Afrika veröffentlicht wurde. Es gebe einen innovativen Blick auf einen Kontinent frei, der in der europäischen Öffentlichkeit häufig als 'verloren' dargestellt werde.

Bakary Traoré, Wissenschaftler am Entwicklungszentrum der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), hätte sich jedoch gewünscht, dass sich die Autoren auch den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf den Kontinent und den Kosten gewidmet hätten, die sich aus den Bildungsdefiziten junger Afrikaner ergeben.

Um sich ein realistisches Bild über afrikanischen Entwicklungschancen zu machen, gelte es sich ausführlich mit der Bildungskrise, dem Management der für Afrika wichtigen Agrarmärkte, dem Umgang mit Steuern und Finanzen und den sozialen Schutz- und Hilfsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Erst dann ließen sich Maßnahmen umsetzen, die der Region einen nachhaltigen Entwicklungsschub verliehen. (Ende/IPS/kb/2010)



Links:
http://www.letempsdelafrique.com/
http://www.afd.fr/jahia/Jahia/
http://www.nber.org/papers/w15775
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52606

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 31. August 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010