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AFRIKA/863: Sudan - Mit Zuckerbrot und Peitsche, Washington macht Druck auf Khartum und Juba (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. September 2010

Sudan: Mit Zuckerbrot und Peitsche - Washington macht Druck auf Khartum und Juba

Von Jim Lobe

Washington, 16. September (IPS) - Angesichts des im Sudan im Januar 2011 geplanten Referendums über die Unabhängigkeit des südlichen Landesteils verstärkt die US-Regierung ihr politisches Engagement im größten Flächenstaat des afrikanischen Kontinents. Washington befürchtet, dass sich nach der Volksabstimmung, wie immer sie auch ausgeht, die ohnehin brüchige Sicherheitslage in dem nordostafrikanischen Land verschlechtern könnte, falls eine Seite das Ergebnis nicht akzeptiert.

Mit seiner angekündigten Teilnahme an einer Sudankonferenz, zu der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon für den 24. September nach New York eingeladen hat, unterstreicht US-Präsident Barack Obama, wie sehr seiner Regierung an stabilen Verhältnissen im Sudan vor und nach dem Referendum gelegen ist.

Erst vor ein paar Tagen warnte US-Außenministerin Hilary Clinton, die mit einer Abtrennung des Südsudans rechnet, vor einer im Sudan "tickenden Zeitbombe mit enormen Konsequenzen". In einer außenpolitischen Erklärung sagte Clinton: "Wenn das Unvermeidliche geschieht und der Süden nach dem Referendum seine Unabhängigkeit erklärt, gibt es Probleme, denn es dürfte dem Norden schwer fallen, diese Entscheidung zu akzeptieren."

Falls Südsudan unabhängig wird, wird der Norden nicht nur gut 30 Prozent seines Territoriums einbüßen. Khartum, dessen Staatshaushalt zunehmend von Öleinnahmen anhängig ist, könnte zudem 80 Prozent seiner Erdölvorkommen und 50 Prozent der daraus erzielten Einkünfte verlieren.

Auch Ex-General Scott Gration, US-Präsident Obamas Sudan-Sondergesandte, der seit Anfang Januar 2009 20 Mal im Sudan unterwegs war, spricht von einer brisanten Lage. "In den nächsten Wochen steht das Land auf der Kippe, dann heißt es 'Alles oder Nichts'. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Parteien vor dem Referendum die noch ausstehenden Probleme einvernehmlich lösen."


Noch viele ungelöste Probleme

Dazu gehören die endgültige Festlegung des Grenzverlaufs zwischen Nord- und Südsudan, der Anteil des Nordens an den überwiegend im Süden vorhandenen großen Erdölvorkommen sowie die Verteilung künftiger Erdöleinnahmen auf zwei sudanesische Staaten. Zudem hat im Süden mit seiner desolaten Infrastruktur die Registrierung der Wahlberechtigten noch nicht einmal begonnen.

In dem 21-jährigen Bürgerkrieg, der 2005 mit einem mit ausländischer Vermittlung ausgehandelten Friedensvertrag zwischen Khartum und der Befreiungsbewegung des Sudanesischen Volkes (SPLM) endete, waren mehr als zwei Millionen Menschen ums Leben gekommen.

Im August betraute die US-Regierung den erfahrenen Diplomaten Princeton Lyman, einen Afrika-Experten aus der Zeit der Bush-Regierung, mit der Leitung einer US-amerikanischen Verhandlungsdelegation, die im Sudan in den kommenden Wochen alle noch ausstehenden Probleme lösen soll.

Angeblich hatten kritische Regierungskreise, die mit der Arbeit des Sondergesandten Gration zunehmend unzufrieden waren, Lymans Ernennung betrieben. Menschenrechtsaktivisten hatten Obamas Mann vorgeworfen, gegenüber Sudans Staatspräsident Omar al-Bashir zu nachsichtig zu sein.

Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag hat Bashir wegen Völkermords und Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit den im westsudanesischen Darfur von Milizen begangenen Gräueltaten angeklagt.

Lyman wird jetzt viel Zeit in Khartum und Juba, der Hauptstadt des Südsudans, verbringen. In Juba wird US-Botschafter Barrie Walkley, ein ebenfalls altgedienter Diplomat, Lyman bei seinem schwierigen Job unterstützen.


"Vom friedlichen Miteinander profitieren alle"

"Wir müssen den Sudan vom Wert eines friedlichen Miteinanders überzeugen und einem unabhängigen Süden klarzumachen, dass er sich mit dem Norden arrangieren muss. Andernfalls riskiert er, das der Krieg noch jahrelang andauert und damit alle Chancen für den Aufbau eines neuen Staates verloren gehen", betonte Clinton. Ihr Außenministerium veröffentlichte ein Dokument, in dem es seine jüngsten diplomatischen Bemühungen in Sachen Sudan detailliert auflistet. Darin wird zudem erstmals aufgeführt, welche Schritte man von Khartum erwartet, damit sich seine lange angespannten Beziehungen zu Washington normalisieren.

Falls die Bedingungen des Friedensvertrags zwischen Khartum und der SPLM eingehalten werden und Khartum für ein Ende des Konflikts mit den Rebellengruppen in Darfur sorgt, will die US-Regierung in Zusammenarbeit mit dem Parlament daran arbeiten, dass sämtliche vom Kongress beschlossenen bilateralen und multilateralen Wirtschafts- und Entwicklungshilfesanktionen gegenüber dem Sudan aufgehoben werden.

Zugleich lässt das im Auftrag von Sonderbotschafter Gration erarbeitete Papier keinen Zweifel daran, dass der Sudan mit Konsequenzen, auch mit weiteren Sanktionen zu rechnen hat, falls sich die Lage dort verschlimmert oder keine Fortschritte zu erkennen sind.

Aktivisten, die Gration bislang kritisiert hatten, begrüßen Washingtons Sudan-Pläne. "Darin lassen sich nicht nur weitere Initiativen in Richtung Frieden, Sicherheit und Verlässlichkeit erkennen. Auch die Konsequenzen für den Fall, dass Fortschritte ausbleiben, werden darin aufgeführt", erklärte Mark Lotwis, amtierender Vorsitzender der 'Save Darfur Coalition', einem Netzwerk aus mehr als 100 Menschenrechtsorganisationen.

"Mit seinem Versprechen, nächste Woche (24. September) am Sudan-Gipfel teilzunehmen, zeigt Präsident Obama die Art von politischer Führung, die Millionen besorgter Amerikaner von ihm erwarten" lobte Lotwis. "Bei aller Aufmerksamkeit, die sich derzeit auf Sudans Nord-Süd-Situation richtet, darf Dafur aber nicht weniger wichtig sein", betonte der Aktivist. (Ende/IPS/mp/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2010