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AFRIKA/880: Weltbank fördert Kohlekraftwerke in Südafrika (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Juli / August 2010

Zurück ins Carbon-Zeitalter
Weltbank fördert Kohlekraftwerke in Südafrika

Von Khadija Sharife


In Medupi - Provinz Mpumalanga - und Kusile - Provinz Limpopo - entstehen derzeit Großkraftwerke, betrieben werden sie mit Steinkohle. Medupi ist der erste Neubau eines solchen Kraftwerkes in Südafrika nach mehr als 25 Jahren. Bis 2016/17 sollen an beiden Standorten insgesamt 12 Kraftwerksblöcke die Stromerzeugung aufnehmen. Mit einer Leistung von 4.800 MW gewährleisten sie fast zwanzig Prozent der gesamten Stromversorgung Südafrikas. Das Projekt wird von der Weltbank mitfinanziert. Es ist nicht unumstritten, wegen der Kosten aber auch wegen der trotz modernster Technik immer noch hohen Emissionen von Treibhausgasen.


Aus Peking bläst der große Drachen, und wir bekommen seinen Feueratem zu spüren. China hat den größten Ausstoß an Treibhausgasen und hat mittlerweile die USA als größten Verschmutzer überflügelt. Doch rechnet man Chinas Ausstoß auf seine 1,3-Milliarden-Bevölkerung um, so sind das etwa fünf Tonnen pro Kopf, geringer als der Ausstoß Südafrikas mit seinen 46 Millionen Menschen. Südafrika emittiert fast 20 Tonnen pro Kopf und ist darin vergleichbar mit den USA, die mit fünf Prozent der Weltbevölkerung ein Viertel der Ölproduktion verbrauchen.

Was haben die beiden aufstrebenden Globalmächte China und Südafrika gemeinsam? Beide - und zusätzlich Indien und die USA - bezeichnet der US-Senator John Kerry als die "vier kritischen Länder für einen Klimawandel", die es in der Hand haben, die Welt vor dem Abgrund zu bewahren oder zumindest von der Kante wegzuziehen.

Südafrika hat eine der ungleichsten Gesellschaften auf diesem Planeten. Sein Gini-Koeffizient beträgt 0,67 (der Wert 1 gibt eine totale Ungleichheit wieder, der Wert 0 eine völlige Gleichheit). Er spiegelt damit eine Kluft zwischen Arm und Reich wider, wie es sie sonst auf der Welt kaum gibt.

Die Regierung macht dagegen geltend, dass der Gini für Südafrika eine wenig geeignete Messgröße sei, da dreizehn Millionen Menschen mit freien Sozialdiensten versorgt werden. Diese müssten auf die verfügbaren Einkommen angerechnet werden. Doch ein Minister der Provinz Gauteng musste unlängst einräumen, dass die Proteste im Lande sich direkt gegen die Qualität dieser Sozialdienste richteten; die Forderungen auf den jährlich mindestens 8.000 Demonstrationen gelten Arbeitsplätzen und der Versorgung mit Strom und Wasser.


Genügend Windenergiereserven...

Ein Lösungsansatz könnten da erhebliche Investitionen in lukrative und arbeitsintensive "Green-Energy"-Industrien sein. Südafrika verfügt über Reserven von 50.000 MW in Windenergie. Damit könnten 70 Prozent des künftigen Energiebedarfs abgedeckt werden. Dazu könnten 500.000 MW an Solarenergie erzeugt werden. Doch Südafrikas Windparks wie der von Klipheuwel - er hat fünf Mio. US-Dollar gekostet und versorgt 2.500 Haushalte - sind lediglich Versuchsanlagen. China hat, um um eine größere Energiesicherheit zu erreichen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu mindern, allein 2009 die Windkraft um 24 Prozent ausgebaut und erzeugt heute mit 10.129 Turbinen 13.803 MW. China ist für Greenpeace der Buhmann, während Südafrika auf dem Klimagipfel von Kopenhagen als "Star" gepriesen wurde. Doch die chinesischen Turbinen erzeugen mehr als die Hälfte des gesamten südafrikanischen Energieangebots. Auf diese Weise schützt und kurbelt China nicht nur seine Wirtschaft an, sondern - ganz entscheidend - es entwickelt auch hohe Fertigkeiten und Kompetenzen in einer globalen arbeitsintensiven Infrastruktur.

Der europäische Windenergie-Verband (EWEA) schätzt, dass Windenergie von Auftragsvergabe bis zum Bau fünfzehn Arbeitsplätze pro MW schafft. Für 2007 sind EU-weit in Herstellung, Installation, Operation und Wartung nach Angaben von EWEA 151.316 Arbeitsplätze entstanden. Stellen wir die fossile Brennstoffindustrie dagegen: Über 80 Prozent der ölreichen Nationen werden von Autokraten regiert; die Korrelation von Waffenkäufen und Öl beträgt 92 Prozent. Extraktive Industrien hängen nicht nur von Transnationalen Konzernen ab, sie sind auch der Ausgangspunkt tödlicher Verschmutzungen. Die Auswirkungen auf Arbeitsplätze sind nach Angaben der Vereinten Nationen dagegen unerheblich.

Vor der südafrikanischen Behörde National Energy Regulator of South Africa (Nersa) sagte Mpho Makwana, Aufsichtsratsvorsitzender des nationalen Stromlieferanten Eskom, unter Eid, Südafrika könne ohne weiteres 5.000 MW aus Windturbinen erzeugen, genug, um die Provinzen West- und Ostkap sowie Namibia mit Strom zu versorgen. Dazu müssten 2,500 Turbinen mit einer Leistung von je zwei MW auf einer Gesamtfläche von 900 Quadratkilometern gebaut werden. Das sei in einem Zeitraum von vier Jahren zu schaffen.


... doch die Weltbank unterstützt Kohle

Doch Eskoms 50 Mrd.-US-Dollar-Plan bevorzugt eine andere Lösung: Kohle. Mit Strom aus Kohle soll nicht nur Südafrika versorgt werden, sondern auch extraktive Industrien in den Nachbarländern Mosambik, Lesotho, Namibia, Botswana, Swasiland und Simbabwe sollen versorgt werden.

Die Weltbank hat sich bereits hinter das Vorzeigeprojekt dieser Energieerzeugung gestellt: das Kohlekraftwerk Medupi, das eine Leistung von 4.800 MW bringen soll. Die Weltbank steuert 3,75 Mrd. US-Dollar zu dem Gesamtprojekt bei. Auf den ersten Blick ist das billiges Kapital: nur 0,5 Prozent Festzinsen, in den ersten sieben Jahren rückzahlungsfrei und mit einer Laufzeit von 28 Jahren. Der Kredit muss allerdings in harter Währung beglichen werden. Medupi wird zudem mehr Treibhausgase ausstoßen als 115 Entwicklungsländer, nämlich 25 Millionen Tonnen pro Jahr. Ferner wird enorm viel Wasser den schon ausgelasteten Flüssen entzogen und es müssen 40 neue Kohlegruben erschlossen werden.

Die Weltbank weist darauf hin, dass Medupi das erste Kraftwerk in Afrika sein wird, das Technologie anwenden wird, mit der die Emissionen gesenkt werden können. Zusätzlich soll der freigesetzte Kohlenstoff abgeschieden und gespeichert werden, ein hoch umstrittenes und unerprobtes Verfahren (CCS-Technik). Der leitende Manager von Eskom, Steve Lennon, bestätigte den Einsatz dieser neuen Technik, sagte aber auch: "Auf einer Anlage, die wir gerade bauen, ist der Einsatz der CCS-Technik vorgesehen. Doch um es offen zu sagen, niemand weiß wirklich, wie das funktionieren wird." Der Einsatz der neuen Techniken wird allerdings die Endleistung wegen der Abscheidung auf 3.600 MW reduzieren.

Die Differenz zwischen den Kosten für einen 5.000-MW-Windpark und den des 3.600 bis 4.800 MW starken Medupi-Projekts, dessen Gesamtkosten mit umgerechnet 16,6 Mrd. US-Dollar (125 Mrd. Rand) angegeben werden, beläuft sich auf 3,5 Mrd. US-Dollar zugunsten der Windkraft, das entspricht fast dem Weltbankkredit.

Doch die Bank hat sich hinter Eskom gestellt. Sie rechtfertigt das Projekt damit, dass es notwendig sei, um das Land mit Strom zu versorgen. Nur so könne die wirtschaftliche Last von den Schultern der arbeitenden Armen genommen werden. Direkt, indem 80 Prozent der schlecht oder gar nicht Versorgten ans Netz angeschlossen werden können, und indirekt durch die Wirtschaft, deren Wachstum durch sichere Energie gesteigert werden könne.

In den letzten Jahren ist es immer wieder zu Stromausfällen gekommen. Eskom hat versucht, die Ausfälle dadurch abzumildern, dass ganze Sektoren geplant von Netz genommen wurden - in der Regel die Versorgung von Wohnvierteln -, um die Großunternehmen betriebsfähig zu halten. Die nationale Regelungsbehörde Nersa beziffert die Einnahmeverluste auf 4,66 Mrd. US-Dollar. Kleine und mittlere Unternehmen stöhnten unter diesem Strommangel, die Bürger und Bürgerinnen behalfen sich mit Kerzen und Gas.

Aber zurück zu Medupi. Wer profitiert vom Kohlekraftwerk und wie hoch sind die tatsächlichen Kosten?

In einem Kommentar in der Washington Post hat der südafrikanische Finanzminister Pravin Gordhan zu dem Projekt Stellung bezogen. Der Zeitpunkt war geschickt gewählt, die Abstimmung in der Weltbank stand bevor. "Das Angebot hält mit der Nachfrage nicht Schritt", schrieb er. Und begründete das mit "verstärkten neuen Nachfragen nach Elektrizität. Millionen ehemals marginalisierter Südafrikaner und Südafrikanerinnen haben heute einen Stromanschluss."

Die Wiederbelebung des Carbon-Zeitalters scheint demnach notwendig für die wirtschaftliche und politische Stabilität des Landes, für die eine Grundversorgung mit Strom unumgänglich ist. Doch Gordhan schrieb nur die halbe Wahrheit. Er verschwieg die tatsächliche Ursache für die Ausfälle bei Eskom und den Mangel an Kapital wie auch die merkwürdige Preispolitik, die der Entwicklung von Medupi zugrunde liegt: Zu Zeiten der Apartheid wurden geheime "spezielle Preisabkommen" geschlossen. Sie sichern bis heute den Großunternehmen die billigsten - und weitgehend unter Verschluss gehaltenen - Strompreise der Welt.


Zum Wohle der Unternehmen

Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende von Eskom, Jacob Maroga, sagte vor Gericht aus, dass man wasserdichte "sweetheart deals" aus der Apartheidsära habe übernehmen müssen. Sie könnten nicht neu verhandelt werden, da sich ein Rückkauf der Energie von Transnationalen Konzernen wie z.B der Schmelze BHP Billiton wegen der hohen Kosten verbiete. Hier handele es sich um Summen von 5,9 Billionen Rand oder umgerechnet um 800 Mrd. US-Dollar. Dem Staat seien die Hände gebunden, sagte Maroga.

Allein 38 Großunternehmen, darunter der Bergwerkskonzern und Rohstoffverarbeiter Anglo American, der weltweit größte Aluminium-Hersteller Alcan von der Rio Tinto-Gruppe oder BHP Billiton, ebenfalls von Rio Tinto, und ein australisch-britischer Rohstoffkonzern verbrauchen 40 Prozent der südafrikanischen Stromproduktion. Sie zahlen dafür umgerechnet 0,05 US-Cents. Billiger ist Strom nirgends auf der Welt. Um auf die Kosten zu kommen, hält sich Eskom an den Privathaushalten schädlich. Sie verbrauchen fünf bis zehn Prozent der Stromerzeugung. Ihre Gebühren wurden zuletzt um 25 Prozent erhöht. Auf eine Dreijahresperiode berechnet, haben sich die Stromkosten für einen Haushalt von 50 auf 120 US-Dollar erhöht. Eskom hat eine Preiserhöhung um 34 Prozent pro Jahr beantragt, zugestanden wurden 24 Prozent.

Der halbstaatliche Stromversorger behauptet, die freie Stromversorgung könne von derzeit 50 kWh auf 75 kWh erhöht werden, wenn Medupi ans Netz gehe.

Doch was bedeutet das im günstigsten Fall für 85 Prozent der Bevölkerung? Ein schwarzer Haushalt mit einen Gutverdiener in festem Arbeitsverhältnis kommt auf etwa 550 US-Dollar im Monat. Die Strompreiserhöhung ist für ihn nur schwer verkraftbar. Die Mehrheit der schwarzen Arbeitnehmer - 60 Prozent - bringt nur 15 Prozent dieses Lohnes nach Hause, also weniger als 83 US-Dollar; das sind weniger als 900 Rand. Diese Haushalte hängen völlig ab von der freien Stromzuteilung. Sie leiden unter Energiearmut und können sich keinen Strom über die freie Zuteilung hinaus leisten. (Die freie Menge reicht gerade, um 17 Tage im Monat einen Kessel Wasser zu kochen.) Die Tariferhöhungen sind eine tödliche Form der wirtschaftlichen Apartheid.

Die Weltbank hat eine lange Geschichte in der Finanzierung des Apartheidregimes und Eskoms. Von 1951 bis 1967 hat die Bank über 200 Mio. US-Dollar zu günstigen Konditionen allein für Kohlekraftwerke genehmigt. Diese Kredite haben wesentlich dazu beigetragen, das Apartheidregime unabhängiger zu machen von Importen fossiler Brennstoffe und Boykotten und Sanktionen vorzubeugen.

Diese Kredite haben ihren Teil zu den schmutzigen Schulden aus der Apartheidzeit beigetragen. Kurz vor dem Beginn der zweiten Amtsperiode der neuen Regierung belief sich diese Schuldenlast, die der damals scheidende Präsident Nelson Mandela als ein Grundhindernis der Entwicklung bezeichnete, auf 376 Mrd. Rand (ca. 50 Mrd. US-Dollar), obwohl der Staat soviel wie möglich an eigenen Vermögenswerten verkauft hatte, darunter ein Dutzend Staatsunternehmen. Mit Medupi dürfte Südafrika, das 2009 vom Wirtschaftsmagazin Economist unter die risikoreichsten aufstrebenden Märkte eingestuft wurde, sein Zahlungsbilanzdefizit vergrößern und damit für Anleger das Risiko erhöhen.


Interessenkonflikte

Ein erhöhtes Risiko ergibt sich auch aus den ökologischen Verschmutzungen. Der Geologe Terence McCarthy von der Wits-Universität meint, dass die sauren Abwasser zusammen mit den neuen Zechen die Kohleregionen in der Provinz Mpumalanga innerhalb dieses Jahrhunderts in eine "totale Ödnis" verwandeln werden. Der frühere Finanzminister Trevor Manuel kommentierte das in seiner Haushaltsrede von 2005 kurz und bündig: Umweltschutz komme hinter Wirtschaftswachstum.

Doch es ist nicht nur die Umwelt, die korrumpiert wird. Eine Investment-Houlding, die davon profitiert, ist Chancellor House, eine Frontfirma des regierenden ANC. Sie wurde 2003 gegründet und engagiert sich vornehmlich im Rohstoff- und Energiesektor. Chancellor House ist weder transparent noch wurde es je einer Prüfung unterzogen. Eines seiner Mitglieder, Hitachi Power Africa (HPA), erhielt den Zuschlag für die Lieferung von Großdampferzeugern (Kessel) in Medupi und Kusile - letztes ohne Ausschreibung. (An Planung, Bau und Inbetriebnahme der zwölf Kessel beteiligt ist auch Hitachi Power Europe (HPE) in Duisburg. Die Firma gebt das Auftragsvolumen mit vier Mrd. Euro an; die Redak.). Chancellor House - im Besitz des Chancellor House Trust - hat für eine Million Rand 25 Prozent Anteile an HPA, der südafrikanischen Tochter des japanischen Konzerns, erworben. Johannes Musel vom Hitachi-Aufsichtsrat erklärte: "Wir haben nicht gewusst, dass es sich da um eine Frontfirma des ANC handelte. Das erfuhren wir erst 2007 aus der Presse. An politische Parteien ist kein Geld geflossen." Das bestätigte auch der Finanzchef von Hitachi, Robin Duff: "Rechtlich waren sie nicht verpflichtet, sich uns gegenüber zu identifizieren."

Als Nutznießer wurde immer nebulös von "Personen, die den schwarzen Kampf unterstützt haben", gesprochen. Doch die Verteidigung Musels kam ein wenig zu spät. Der stellvertretende Staatspräsident Motlanthe hatte kurz zuvor zugegeben, dass Chancellor House ein Finanzierungsinstrument des ANC ist.

"Was wir da geerbt haben, hat uns korrumpiert und wir müssen uns tatsächlich mit einem korrupten System und einem falschen Wertesystem herumschlagen. Die neue Ordnung (nach 1994) hat ein fest verwurzeltes Wertesystem übernommen, das private Gewinnmaximierung ins Zentrum unserer gesamten Gesellschaft stellt." Das sagte Gwede Mantashe, Generalsekretär des ANC, in der Johannesburger City Hall. Es entbehrt nicht der Ironie, dass besagter Mantashe "erbittert" - wie die Mail&Guardian schrieb - dafür kämpfte, dass Chancellor House sich nicht von HPA zurückzog.

Obwohl der Interessenskonflikt seit 2007 bekannt ist, steht eine Trennung noch an. ANC-Schatzmeister Matthew Phosa ist sich dieses Interessenskonfliktes immerhin bewusst; die Weltbank jedoch sieht darüber hinweg.

Es war einmal ausländisches Kapital, das die Architekten der Apartheid als "Bausteine im Schutzwall für ihre Existenz" bezeichneten, und das die Maschinerie der Apartheid in Gang hielt und Südafrika bei lebendem Leibe verbrannte. Und jetzt ist es wieder ausländisches Kapital, das die Hölle finanziert. Doch diesmal werden die Konsequenzen über die Landesgrenzen hinweg auf dem Kontinent spürbar sein. Die Klimaveränderung wird die Nahrungsproduktion auf die Hälfte senken. Hinzu kommen Konflikte um Wasser. Und das alles im Namen von Entwicklung.

Die Autorin ist südafrikanische Journalistin und Hospitantin am südafrikanischen Centre for Civil Society, für das sie diesen Beitrag verfasst hat.


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Die Weltbank - Umwelt und Entwicklung

Internationale Finanzinstitutionen wie der Internationale Währungsfonds IWF oder die Weltbank verfolgen in ihrer Klimapolitik einen widersprüchlichen Kurs. Einerseits werden Klimafonds eingerichtet, andererseits wird kontinuierlich in Kohlekraftwerke investiert. Dabei ist bekannt, dass deren Abgase das Klima mehr aufheizen als Stromanlagen, die mit anderen fossilen Brennstoffen befeuert werden. Ganz zu schweigen von Solar- und Windanlagen. Die Finanzierung solcher regenerativen Energieerzeuger wird von der Weltbank eher stiefmütterlich behandelt.

So werden auf der einen Seite Gelder für neu eingerichtete Weltbankfonds gegen globale Erwärmung aufgebracht, während auf der anderen Seite Weltbank und andere Entwicklungsbanken und Exportkreditagenturen zwischen 1994 - dem Jahr, in dem die United Nations Framework Convention on Climate Change in Kraft trat - und 2009 in 88 neue Kohlekraftwerke in Entwicklungs- und Schwellenländern investierten. Sie stoßen trotz aller verbesserter Technologie soviel CO2 aus wie zwei Drittel aller Kohlekraftwerke der Europäischen Union. Die dafür bereitgestellte Summe von 37 Mrd. US-Dollar an direkter öffentlicher Finanzierung und 100 Mrd. US-Dollar an indirekter Kofinanzierung lässt die 6,4 Mrd. US-Dollar der UN Global Facility for Climate Change im gleichen Zeitraum lächerlich erscheinen.

Die Weltbank rechtfertigt die Förderung von Kohlekraftwerken mit dem Argument, sie seien aufgrund neuer Technologien hoch effizient. Verwiesen wird auch gerne auf neue Techniken im Versuchsstadium: die Abscheidung von CO2 und ihre Endlagerung in unterirdischen Kavernen. Diese Technik (CCS) wird wegen ihrer Kosten kritisch eingeschätzt, vor allem aber gibt es über die Sicherheit der Endlager keine Erfahrungen, wohl aber schwerwiegende Bedenken.

Eine Studie des Environment Defense Funds ("Foreclosing the Future: Coal, Climate and International Public Finance", EDF, 22. April 2009) kommt zu dem Schluss: Wenn es keinen Schwenk von Kohle-intensiven Energiequellen hin zu erneuerbaren Energien gibt, werden diese neuen Kraftwerke zu einem point of no return bei der globalen Erwärmung beitragen, selbst wenn alle Industrieländer ihre Emissionen von Treibhausgasen bis 2030 gegen Null fahren.

h-moll


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Nord-Süd-Infos, Rezensionen


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 3, Juli / August 2010, S. 31 - 34
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2010