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AFRIKA/896: Südafrika - Weltmeister der Verschwendung? (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Juli / August 2010

Weltmeister der Verschwendung?

Von Horst Blume


Etwa eine Milliarde Euro hat die Entwicklung des "Pebble Bed Modular Reactors" (PBMR) in Südafrika gekostet. Trotz des immensen Mitteleinsatzes endete der Versuch, einen Hochtemperaturreaktor in Afrika zu bauen, in einem Fiasko für Pretoria - während sich vorwiegend deutsche Konzerne über Millionen gewinne die Hände reiben.


Südafrika muss sparen. Armut, Aids und Kriminalität machen dem Land zu schaffen. Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Neue Investoren für das umstrittene Projekt eines Thorium-Hochtemperaturreaktors (Pebble Bed Modular Reactor, PBMR) waren nicht in Sicht, also verabschiedete Südafrika sich von dem teuren Vorhaben. Am 1. Juni 2010 teilte die südafrikanische Atomaufsichtsbehörde dem Parlament mit, dass die PBMR-Gesellschaft den Antrag auf Errichtung eines Hochtemperaturreaktors zurückgenommen hat. Damit wurde der hoffentlich endgültige Abschied von einer Reaktorlinie eingeläutet, die noch zu Apartheidzeiten von Vertretern der Vereinigten Elektrizitätswerken (VEW) aus Dortmund dem damaligen verbrecherischen Regime schmackhaft gemacht worden ist. Immerhin hat Südafrika jetzt einen Vorteil gegenüber Deutschland: Es hat keine strahlende Reaktorruine wie den THTR Hamm, auf dessen Atommüll tausende von Jahren aufgepasst werden muss.

Bereits im Januar 2009 wurden die mit deutscher Hilfe gefertigten radioaktiven Kugelbrennelemente für den Hochtemperaturreaktor per Schiff in die USA gebracht, um dort mit ihnen weiter zu experimentieren. Die Belegschaft der halbstaatlichen PBMR-Gesellschaft wird bis Ende 2010 von 800 Mitarbeitern auf lächerliche 25 reduziert, um bei geringem Budget wenigstens die nächsten ein oder zwei Jahre als aufgepäppelte Briefkastenfirma weiterexistieren und rudimentäre Knowhow-Pflege betreiben zu können. Viele Mitarbeiter haben resigniert und sich neue Arbeitsstellen in anderen Staaten gesucht.

Mittelverschwendung und Missmanagement bei der Entwicklung des PBMR werden in Südafrikas Medien offen kritisiert. Mail & Guardian Online listete im April 2010 eine ganze Reihe von organisatorischen Problemen und Mängeln auf:

Streitereien zwischen PBMR-Managern und der Nuklear-Aufsichtsbehörde, unautorisierte Auftragserteilungen, unrealistische Antragsstellungen.
Vertragspartner überschritten oft den vereinbarten Kostenrahmen.
Um anderen Staaten den Pleitereaktor aufzuschwatzen, fand eine umfangreiche Reisetätigkeit von PBMR-Managern in der ganzen Welt statt; teuerste Hotels wurden frequentiert. Der Manager Ferreira gab an, dass die Reisekosten "nur" weniger als ein Prozent der bisherigen PBMR-Kosten ausgemacht hätten. Knapp 10 Mio. Euro Reisekosten sind freilich kein Pappenstiel.
Die Anzahl der Mitarbeiter wurde künstlich hochgetrieben, weil die in Südafrika vorgeschriebenen Antidiskriminierungsmaßnahmen befolgt werden müssen. Statt 800 Beschäftigten hätten 300 bis 400 ausgereicht.
Die Methoden des ehemaligen Chef-Managers Jaco Kriek waren umstritten, weil er die zahlreichen Interessenkonflikte nicht bewältigen konnte.
Selbst Johan Slabbert, PBMR Chief Technology Officer, gab zu, dass die südafrikanische Atomindustrie noch zu unterentwickelt sei, um so ein anspruchsvolles Projekt wie den Hochtemperaturreaktor stemmen zu können.

Der Rückzug vom Pleitereaktor

Die südafrikanische Ministerin Barbara Hogan gab während einer Parlamentsdebatte zu, dass es das geplante PBMR-Projekt nur bis zur Forschungs- und Entwicklungsphase geschafft hat und noch weit von der Fertigstellung eines realen Reaktors entfernt war. Trotz dieser Rückschläge soll sich die Energiepolitik ihrer Meinung nach auch in Zukunft an nuklearen Vorbildern orientieren. Das werden dann wohl Druckwasserreaktoren sein.

Die im Juli bekannt gewordenen Einzelheiten bei der Abwicklung des gescheiterten Projekts werden immer skurriler. Sie zeigen deutlich, wie unverantwortlich und unrealistisch sich das inzwischen halbstaatliche Energieversorgungsunternehmen Eskom, die zuständigen südafrikanischen Ministerien und die beteiligten deutschen Institutionen wie der TUV, das Institut für Energieforschung im Forschungszentrum Jülich und die verschiedensten Unternehmen in der Vergangenheit verhalten haben, um den Bau des PBMR durchzusetzen.

Dies geschah natürlich nicht ohne Grund: Diese Institutionen und Firmen profitierten mit hunderten von Millionen Euro von dem geplanten Projekt. Die arme Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung bezahlt die hochtrabenden Pläne der Konzerne und hat als Gegenwert jetzt nur noch ein paar nutzlose Industrieruinen herumstehen.


Ein nutzloser Reaktordruckbehälter

Was ist mit dem etwa 2.000 t schweren Reaktordruckbehälter, der vor vielen Jahren bei dem spanischen Energiekonzern Equipos Nucleares SA (ENSA) für 32,7 Mio. Euro für den PBMR bestellt wurde? Der wartete nun transportbereit in der kantabrischen Hafenstadt Santander in Spanien. Südafrika hat zwar keine Verwendung mehr für diesen Reaktordruckbehälter. Doch hätte man ihn in Spanien belassen, wären für Pretoria zusätzlich zu den Baukosten noch 3,5 Mio. Euro Mehrwertsteuer fällig gewesen. Also wurde der riesige Stahlbehälter per Schiff nach Südafrika in den Hafen von Saldanha Bay nördlich von Kapstadt transportiert. Und schon tauchte ein neues Problem auf: Der ursprünglich geplante sich anschließende Überland-Transport zum vorgesehenen Lagerungsort Pretoria würde 145.000 Euro kosten. Das viele Geld für den PBMR ist leider restlos aufgebraucht und die südafrikanische Öffentlichkeit reagiert zunehmend empfindlicher bei neuen Subventionswünschen für einen Reaktor, der sowieso nicht gebaut werden kann. Also wird der Stahlbehälter für 1.000 Euro monatlich erstmal im Hafen von Saldanha gelagert. Gleich nebenan sind Marine und Militärakademie stationiert und können schön auf den bedeutungsvollen Baustein einer gescheiterten Energiepolitik aufpassen.

Da der Auftrag für den Reaktordruckbehälter bereits im letzten Jahr storniert wurde, reduzierte sich der Preis für das nicht ganz fertige Teil von 32,7 Mio. Euro auf 27,7 Mio. Euro. ENSA, zu 45 Prozent im Besitz des weltweit agierenden Nuklearkonzerns Westinghouse, hält zufrieden die Hand auf.


Trotz Fiasko Millionengeschäft für Konzerne

Times live listet in ihrem Bericht vom 18.7.2010 eine ganze Reihe von bekannten und bisher kaum bekannten Kosten für den geplanten PBMR auf. Die Profiteure treten hierbei klar in Erscheinung:

51 Mio. Euro für die Helium-Turbine gingen an Mitsubishi Heavy Industries.

26 Mio. Euro für Reflektorgraphit gingen an SGL Carbon Group AG (Wiesbaden).

Weitere 26 Mio. Euro für Graphit für den Reaktor gingen ebenfalls an die SGL Carbon Group. Durch Sponsoring der Webseite der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA erzeugte dieser Konzern ein für ihn günstiges Geschäftsklima in Sachen PBMR-Entscheidungen. SGL Carbon hat als Veranstaltungspartner im Jahre 2005 eine PBMR-Konferenz mit 340 Teilnehmern ausgerichtet, an der auch der südafrikanische Vizepräsident und drei Minister teilgenommen haben. Eine Investition, die sich gelohnt hat: Insgesamt 52 Mio. Euro.

72 Mio. Euro für die (Kugel-)Brennelementefabrik gingen an Uhde (Dortmund) und RWE Nukem. Hier werden jahrzehntelange Kontinuitäten sichtbar: Die RWE hatte sich vor Jahren die VEW (Betreiberin des THTR Hamm) einverleibt. Die alte Skandalfirma NUKEM firmiert jetzt unter dem Dach der RWE. Uhde, eine Tochter des ThyssenKrupp-Konzerns, agierte schon während der Apartheidszeit seit 1962 als Profiteur auf dem südafrikanischen Markt.

202 Mio. Euro für Berater aus Übersee - ein stolzes Sümmchen! Hinter diesen Beratern verbergen sich mehrere TÜVs aus Deutschland, das Institut für Energieforschung (FZJ-IEF-6) in Jülich, die Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich (AVR), die Arbeitsgemeinschaft Kerntechnik (Arge KT) und die HTR GmbH Gesellschaft für Hochtemperaturreaktoren (50 Prozent gehören der Siemens AG). Sie alle haben das Desaster des PBMR mitzuverantworten.

Insbesondere die TÜVs und das Institut für Energieforschung (FZJ-IEF-6) in Jülich waren als weisungsgebundene staatliche Stellen so dreist, sich selbstherrlich über den beschlossenen Atomausstieg hinwegzusetzen, und brüsteten sich damit, durch ihre Beteiligung ausländische Atomkraftwerke sicherer zu machen. Heute wissen wir: Der südafrikanische PBMR ist nicht sicherer geworden, sondern auch durch die ausgeprägte Inkompetenz und Ignoranz der "Berater" gescheitert. Ihre Geldbeutel wurden hingegen voller und dies stellte die tatsächliche Antriebsfeder ihres Handelns dar. Kritische Stimmen wurden bekämpft und Zweifel an der technischen und sicherheitstechnischen Machbarkeit aus Eigeninteresse nicht ernst genommen.

Selbst als im Jahre 2009 das Ende des PBMR bereits feststand, erhielten in Südafrika nach Angaben von Times Live 11 Führungskräfte der PBMR-Gesellschaft Gehälter und Zuwendungen über 1,8 Mio. Euro.

Es besteht kein Zweifel: Wenn die Forderungen der CDU Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung (MIT) und des Verbandes der Großkraftwerksbetreiber (VGB) nach der Förderung von Hochtemperaturreaktoren im Herbst 2010 Eingang in das Energiekonzept der Bundesregierung finden, werden solche haarsträubenden Zustände, wie sie in den deutsch-südafrikanischen Nuklearbeziehungen gang und gäbe waren, ihre Fortsetzung finden.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 3, Juli / August 2010, S. 30 - 31
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2010