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AFRIKA/914: Westafrika - Anfällig für Kriminelle, US-Think Tank fordert Investitionen in Sicherheit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Dezember 2010

Westafrika: Anfällig für Kriminelle - US-Think Tank fordert Investitionen in Sicherheit

Von Jim Lobe


Washington, 6. Dezember (IPS) - Die bekannte US-amerikanische Denkfabrik 'Atlantic Council' hat in einem neuen Bericht Washington und seine Verbündeten aufgefordert, die schwachen westafrikanischen Staaten stärker zu unterstützen. Um zu verhindern, dass sich Terroristen, Drogen- und Menschenhändler die schwierigen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen zunutze machten, seien auch größere finanzielle Investitionen in die Sicherheit und Entwicklung der Region dringend geboten.

Nach Ansicht der Autoren des Reports 'Advancing U.S., African, and Global Interests: Security and Stability in the West African Maritime Domain' bedrohen regionale Instabilität und die Gefahr scheiternder Staaten vitale sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interessen. Auch der Zugang zu den Erdöl- und Gasfeldern im Golf von Guinea sei gefährdet.

"Die Bedrohung, die an den westafrikanischen Küsten aufzieht, hat ein enormes Instabilitätspotenzial, und die Frag lautet, was wir dagegen unternehmen wollen", sagte General a. D. James Jones, ein ehemaliger Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama. Angesichts einer engeren Zusammenarbeit zwischen transnationalen Gangstern und Terroristen seien die NATO-Bündnispartner gut beraten, für mehr Stabilität in der Region zu sorgen.

Das Interesse der USA an Westafrika hat in den letzten zehn Jahren zugenommen. Dies hat zum Teil mit der Sorge zu tun, das internationale Terrornetzwerk Al-Kaida und seine Anhänger könnten sich bei der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung Westafrikas Gehör verschaffen. Um diese Gefahr zu bannen, konzentrierte Washington seine Bemühungen zunächst auf konterterroristische Initiativen wie das 'Trans-Sahara Counter-Terrorism Programme' des US-Afrika-Komanndos (AFRICOM).


Region wichtiger Erdöllieferant

Die USA selbst sind aber auch zunehmend von den Erdöl- und Gasexporten aus Westafrika und dem Golf von Guinea abhängig. Die USA beziehen aus der Region 18 Prozent ihrer Erdöl- und 14 Prozent ihrer Gasimporte, wie der Bericht unterstreicht. Das Gros dieser Ressourcen wird in Küstennähe oder offshore gefördert.

Allerdings müsse Westafrika auch im Eigeninteresse an mehr Sicherheit gelegen sein, heißt es in dem Report. So ist Westafrika infolge der politischen Instabilität zu einer Drehscheibe für Drogen aus Südamerika geworden. Dort hat der Drogenhandel der kolumbianischen FARC-Rebellen und südamerikanischer Kartelle das Problem der Korruption verschärft. Westafrika ist Drehscheibe des Handels mit Drogen für Europa.

Hinzu kommt, dass europäische und asiatische Fangflotten in den westafrikanischen Küstengewässern soviel Fisch fangen, dass für die lokale Bevölkerung nur noch wenig übrig bleibt. Dabei ist Fisch für viele Westafrikaner Nahrungsmittel und Einnahmequelle. Der Artenvielfalt der Region setzten aber auch ins Meer abgelassene Gifte und Öl zu, warnt der Bericht. Auch Piraten werden zunehmend zum Problem. Der Golf von Guinea belegt, was die Zahl der Schiffsanschläge anbelangt, den zweiten Platz nach Somalia.

Wie der Bericht weiter hervorhebt, fehlt es den westafrikanischen Regierungen an den nötigen finanziellen Mitteln, Küstenwachen und Geheimdienstinformationen, um den Herausforderungen zu begegnen. Auch mangele es häufig am politischen Willen der betroffenen Staaten, die Probleme anzugehen.


Guinea-Bissau als erstes Opfer

"Wir brauchen in der Frage der maritimen Sicherheit die Unterstützung unserer (internationalen) Partner", kommentierte Amina Salum Ali, Vertreterin der Afrikanischen Union (AU) bei den Vereinigten Staaten, den neuen Bericht. "Der Bedrohung Westafrikas wird einfach nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt", sagte sie. So sei Guinea-Bissau das erste durch Drogenhandel und Terrorismus destabilisierte Land der Region.

Auch wenn den USA an einer maritimen Sicherheit der Region gelegen sei, müssten die westafrikanischen Länder selbst auf die drohenden Gefahren reagieren, so der Bericht. "Wir sollten uns immer vor Augen führen, dass wir es mit einem afrikanischen Problem zu tun haben, das afrikanische Lösungen verlangt", sagte Admiral a. D. Henry Ulrich, von 2005 bis 2007 Kommandant der US-Marine in Europa und Afrika. Auch müssten Gegenmaßnahmen auf die Besonderheiten der jeweiligen Länder zugeschnitten werden.

So wie im Report gefordert, hält auch Ulrich Investitionen Washingtons und der US-Verbündeten in die Region für erforderlich, die über strikt sicherheitspolitische Maßnahmen hinausgehen. So sei eine 'Smart-Power-Strategie' erforderlich, die zu einer Bekämpfung der Korruption, guter Regierungsführung und wirtschaftlicher Entwicklung beitrage. Er schlägt in diesem Sinne die Durchführung eines sicherheits- und entwicklungspolitisches Pilotprojekts vor, das sich zunächst auf maximal zwei westafrikanische Länder konzentriert.

Dem Bericht zufolge sind die derzeitigen US-Bemühungen einschließlich der Anwesenheit von Schiffen, der Unterstützung der lokalen Küstenwachen und deren Schulung "unkoordiniert, unfokussiert, unterfinanziert und nicht zielgerecht". (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.acus.org/files/publication_pdfs/3/advancing-us-african-global-interests-security-stability-west-africa-maritime-domain.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53770


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2010