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AFRIKA/930: Malawi - "Tausche Mutter gegen Saatgut", Subventionen für Kleinbauern reichen nicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Dezember 2010

Malawi: 'Tausche Mutter gegen Saatgut' - Subventionen für Kleinbauern reichen nicht

Von Claire Ngozo


Lilongwe, Malawi, 27. Dezember (IPS) - Mit Beginn der Regenzeit und der Aussaat setzt im armen Malawi bei den Kleinbauern der Ansturm auf staatlich subventionierte Düngemittel und auf Saatgut ein. Doch nicht alle Bedürftigen werden dabei berücksichtigt. Verzweifelt kämpft manch armer Bauer um die begehrten Gutscheine für verbilligte Produktionsmittel und schreckt auch vor kriminellen Machenschaften nicht zurück.

Wie etwa Jolam Ganizani aus dem Zentralbezirk Ntchisi. Die Polizei verhaftete den 21-Jährigen, der gestand, er habe Geld für Saatgut und Dünger gebraucht und deshalb seine Mutter verkaufen wollen. Ein Kräuterhändler, für den er arbeitete, hatte den jungen Mann auf das florierende Geschäft mit Arbeitssklaven verwiesen.

In dem südostafrikanischen Agrarland leben nach UN-Angaben bis zu 60 Prozent der 13,1 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Neben der weit verbreiteten Armut begünstigen der niedrige Bildungsstand der Bevölkerung und der hohe Anteil an HIV/Aids-Patienten den Menschenhandel in Malawi. Gegenüber IPS bestätigte Maxwell Matewere, der Koordinator der Nichtregierungsorganisation 'Malawi Network Against Child Trafficking (MNACT) kürzlich, viele malawische Frauen und Kinder würden im eigenen Land und Ausland als Arbeitssklaven ausgebeutet.

In Malawis Hauptstadt Lilongwe sorgte kürzlich die Verzweiflungstat eines weiteren von Geldsorgen geplagten Bauern für Aufsehen. Der 22-jährige Pilirani Lazarous schnitt sich Penis und Hoden ab, um durch den Verkauf seiner Genitalien zu Geld zu kommen. Schwer verletzt landete der junge Mann im Kamazu-Zentralkrankenhaus. Sein Vater berichtete IPS, Lazarous habe keine subventionierte Agrarhilfe für sein ein Hektar großes Gartengrundstück beantragen können und versucht auf anderem Weg an kostspieligen Dünger zu kommen.

Als er hörte, man könne mit männlichen Genitalien, die bei manchen Voodoo-Ritualen verwendet werden, viel Geld verdienen, legte Lazarous Hand an sich selbst. "Leider alarmierte der erste, dem ich ein Angebot machte, die Polizei, die mich unverzüglich ins Krankenhaus bringen ließ", lamentierte er. "Ich kann keinen Dünger kaufen und bin dazu für immer verstümmelt."

Die Polizei hat versichert, weder Ganizani noch Lazarous seien geisteskrank. Das Motiv der beiden jungen Bauern war wohl eher die Verzweiflung über die ihnen entgangenen verbilligten Agrargüter, ohne die an ertragreiche Ernten nicht zu denken ist.


Nach Hungersnot durch Subventionen zur afrikanischen Kornkammer

Die malawische Regierung brachte ihr Subventionsprogramm für die Landbevölkerung auf den Weg, nachdem 2005 eine Missernte eine Hungersnot ausgelöst hatte, von der bis zu fünf Millionen Malawier betroffen waren. Drei Jahre nach Beginn zeigte sich der Erfolg des Projektes an üppigen Ernten, die seitdem alljährlich in Malawi eingefahren werden. Sie haben das Land zur Kornkammer der Entwicklungsgemeinschaft im Südlichen Afrika (SADC) gemacht.

Für die beiden Gutscheine, die jeder Berechtigte erhält, bezahlt man für einen Fünf-Kilo-Sack Saatgut umgerechnet 65 US-Cent gegenüber dem Normalpreis von zwölf Dollar. 50 Kilo Dünger kosten drei Dollar bei einem Marktpreis von 33 Dollar, den sich kein Kleinbauer leisten kann.

Häufig ist die Verteilung umkämpft. Anfang Dezember wurden in Lilongwe zwei Frauen mit Schusswunden im Krankenhaus behandelt. Wärter hatten wegen des erbitterten Gedränges vor einer Ausgabestelle geschossen und dabei die beiden Frauen "zufällig getroffen", wie es kurz darauf im Polizeibericht hieß.

Nach Angaben des Agrarministeriums profitieren in diesem Jahr 1,6 Millionen Bauernfamilien von subventionierten Agrargütern. Dennoch werden aus vielen Gegenden Malawis Engpässe und verspätete Lieferungen gemeldet. Vor dem Parlament begründete Landwirtschaftsminister Peter Mwanza die Probleme mit Transportschwierigkeiten.

Zudem berichtete das Agrarministerium, dass viele Bauern die subventionierten Lieferungen in kürzester Zeit aufkauften und damit die Verteilungslogistik außer Kraft setzen. Trotz dieser Probleme im eigenen Land appelliert Staatspräsident Bungu wa Mutharika als derzeit amtierender Vorsitzender der Afrikanischen Union (AU) an Afrikas Agrar- und Finanzminister, in ihren Ländern für Agrarsubventionen zu kämpfen. Vor der Gipfelkonferenz der AU-Agrarminister, die Ende Oktober in Lilongwe stattfand, erklärte Mutharika: "Kein afrikanischer Farmer wird ohne Subventionen überleben können." (Ende/IPS/mp/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Dezember 2010