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AFRIKA/947: Swasiland - Kräftemessen zwischen Schule und Staat, Aids-Waisen tragen die Folgen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2011

Swasiland: Kräftemessen zwischen Schule und Staat - Aids-Waisen tragen die Folgen

Von Mantoe Phakathi

Schüler der Motshane-Grundschule in Mbabane - Bild: © Mantoe Phakathi/IPS

Schüler der Motshane-Grundschule in Mbabane
Bild: © Mantoe Phakathi/IPS

Mbabane, 20. Januar (IPS) - Zu Beginn des neuen Schuljahres im südostafrikanischen Königreich Swasiland hat der nationale Verband der Schulleiter (SWAPA) das Büro des Vizeministers vor die Alternative gestellt. Entweder das Büro zahlt für den Unterricht der landesweit 140.000 Waisen- und andere in Not geratene Kinder, oder aber sie sind vom Unterricht ausgeschlossen.

"Wir werden die Mädchen und Jungen behandeln wie alle anderen Schüler. Gibt es keinen Beleg über die Zahlung ihrer Schulgebühren, dürfen sie nicht in die Klassen", sagte der SWAPA-Präsident Charles Bennett. Ein solcher Schritt wäre ein schwerer Rückschlag für die Bemühungen des Königreichs, allen Kindern eine Grundschulbildung zu ermöglichen und somit das zweite von acht Millenniumsentwicklungszielen der Vereinten Nationen zur Armutsbekämpfung bis Ablauf der Frist 2015 zu erreichen.

Eigentlich hätte der kostenlose Zugang zu dem Grundschulunterricht bereits 2008 realisiert sein. Doch finanzielle Engpässe führten dazu, dass der Termin auf 2010 verschoben werden musste. Im letzten Jahr wurden neue Lehrer eingestellt, die Ausstattung an den Schulen verbessert, und mobile Zusatz-Klassenräume geschaffen. Doch der Streit um das Schulgeld für Waisen und andere in Not geratene Kinder könnte einen Rückschlag bedeuten.


Korruption

Die Feindseligkeit zwischen der SWAPA und der Regierung hat einen Grund. So wird der Schulbesuch vieler Waisen mit Spendengeldern finanziert wie Vize-Premierminister Themba Masuku erläutert. Die Schulleiter hätten jedoch versäumt, eine Liste mit den Namen der privat geförderten Kinder einzureichen. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass Schulen am Ende doppelt kassierten.

Tatsächlich hatte eine Untersuchungskommission 2008 herausgefunden, dass in Einzelfällen Gelder veruntreut wurden, die für die Ausbildung von Waisenkindern vorgesehen waren. Seitdem ist das Amt des Premierministers dazu übergegangen, die Anträge zu prüfen. Der damit verbundene hohe Zeitaufwand ist ein Grund für die Verzögerungen bei der Bezahlung der Schulgelder.

Doch der SWAPA-Chef gibt den schwarzen Peter zurück. "Die Regierung hat uns lange nicht die Namensliste der Kinder übermittelt, die sie finanzieren wird", sagte er. "Uns sagt sie nach, wir seien unzuverlässig. Dabei müsste sie die Listen vor Beginn jedes neuen Schuljahrs vorlegen."

In Swasiland ist jeder Vierte im Alter von 15 bis 49 Jahren HIV-positiv. Die damit verbundene hohe Sterblichkeit von Menschen im reproduktionsfähigen Alter erklärt, warum so viele Kinder in dem Königreich ohne Eltern aufwachsen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, müssen 70 Prozent der eine Millionen Swasiländer mit weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen.

Angesichts dieser verbreiteten Armut kommt der Schuldgeldbefreiung eine besondere Bedeutung zu. 239 der 579 Schüler der Zentralen Ngwenya-Grundschule in der Hauptstadt Mbabane sind Waisen, die dringend auf die staatliche Finanzspritze angewiesen sind. An der nahegelegenen Motshane-Grundschule haben 135 von 441 Schülern keine Eltern.

"Noch habe ich die nicht nach Hause geschickt, aber sie dürfen nicht am Unterricht teilnehmen. Deshalb hängen sie auf dem Schulhof herum", sagt der Leiter der Motshane-Schule, Lucky Zwane. Im vergangenen Jahr sei die Regierung der Bildungseinrichtung im Zusammenhang mit dem Waisen-Förderprogramm mehr als 21.000 US-Dollar schuldig geblieben. "Die Gelder fließen zu spärlich und zu spät und bringen uns in Schwierigkeiten."


Kritik an Höhe der öffentlichen Zuschüsse

Für einen Viertklässler verlangt die Schule eine Gebühr von 1.000 Emalengeni, das entspricht 142 US-Dollar. Die Regierung hingegen zahlte den Bildungseinrichtungen im letzten Jahr für Schüler der gleichen Jahrgangsstufe nur 78 Dollar. Zwane bemängelt, dass sich die Regierung bei der Festlegung der Schulgebühren nicht mit den Bildungseinrichtungen abgesprochen haben. Auch was den Besuch der ersten und dritten Klassen angeht, liegt der Staat mit seinen Gebühren deutlich unter dem allgemeinen Schulgeld.

Der Vizepremierminister will sich nicht festlegen lassen, wann der Staat den Schulen die Gelder für den Unterricht der Waisen überweisen wird. "Ich würde sagen, noch vor dem 1. März", erklärte er. "Deshalb fordere ich die Schulleiter auf, die Kinder zu unterrichten, bis wir mit den Zahlungen soweit sind." Dem stellvertretenden Regierungschef zufolge stehen seinem Büro 5,5 Millionen Dollar für die Schulgebühren zur Verfügung. Mit diesem Geld ließen sich alle Schulen zufrieden stellen.

Die Liste mit den Namen derer, die vom Schulgeld befreit sind, liegt inzwischen vor. Die Nutznießer sind allesamt Waisenkinder. Die Kinder aus sozial schwachen Familien sollen nicht berücksichtigt werden. "Einige Eltern sind arbeitslos, doch haben sie Möglichkeiten, das Schuldgeld für ihre Kinder zu beschaffen, so Masuku. "Unser Büro wird für diese Kinder nicht aufkommen. Wir durchlaufen eine schwierige wirtschaftliche Krise können uns niemanden leisten, der seine Verantwortung auf die Regierung abwälzen will." (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2011