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AFRIKA/973: Tansania - Niederländisches Biosprit-Projekt gescheitert, Bauern nun ohne Land (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. März 2011

Tansania: Niederländisches Biosprit-Projekt gescheitert - Bauern nun ohne Land

Von Stefano Valentino


Brüssel/Daressalam, 10. März. (IPS) - Ein ehrgeiziges Projekt zur Herstellung von Biotreibstoff für die Niederlande und Belgien hat sich als Fehlinvestition und als Missbrauch afrikanischer Ressourcen herausgestellt. Bauern stehen ohne Land da, kostbare Harthölzer wurden gefällt.

Knapp sieben Millionen Euro hatte die Firma 'Bioshape' mit Sitz in Neer in das erfolglose Vorhaben investiert. Tausende Bauern sollten im Rahmen des Projekts beschäftigt werden. Bereits 2006 hatte sich das Unternehmen bereit erklärt, 80.000 Hektar Land im Süden Tansanias für den Anbau von Jatropha zu pachten. Die Pflanzen sollten in den Niederlanden und in Belgien zu Biodiesel und Strom weiterverarbeitet werden.

Aus der Jatropha-Pflanze wird Biosprit hergestellt - Bild: © Busani Bafana/IPS

Aus der Jatropha-Pflanze wird Biosprit hergestellt
Bild: © Busani Bafana/IPS

Das Unternehmen steckte zudem 25 Millionen Euro in eine neue Anlage in der belgischen Stadt Lommel, die jährlich 45.000 Tonnen Pflanzenöl und 25 Megawattstunden Strom - genug für 50.000 Haushalte - erzeugen sollte. Bioshape wollte in den Niederländen und Belgien ein großes Netz aus Raffinerien und Fabriken aufbauen. Unterstützt wurde das Projekt von Großinvestoren wie der niederländischen Handelsbank 'Kempen & Co' und dem Energieversorger 'Eneco'.


Mit Hilfe der Behörden Gesetze umgangen

Die tansanischen Behörden hätten Bioshape dabei geholfen, unter Umgehung geltender Gesetze an das benötigte Land zu kommen, sagte Stanislaus Nyembea von der Organisation 'Lawyer Environmental Action Network'. Dorfbewohner, die auf ihren Grundstücken Nahrungsmittel angebaut hätten, seien nur gegen eine faire finanzielle Entschädigung zur Aufgabe des Landes bereit gewesen.

Nach tansanischem Recht kann nur die Zentralregierung Grundstücke, die größer als 200 Hektar sind, direkt an ausländische Investoren verpachten. Das fragliche Land in dem Distrikt Kilwa wurde also erst formell der Regierung überschrieben, bevor das staatliche Tansanische Investmentzentrum (TIC) das Geschäft mit Bioshape bewilligte.

Wie Nyembea kritisierte, wurden die betroffenen Bauern nicht ausreichend über die Folgen aufgeklärt. "Sie wussten nicht, dass sie ihre Landtitel definitiv verlieren würden. Stattdessen waren sie naiverweise davon ausgegangen, dass sie die Grundstücke nach Ablauf der Pachtzeit zurückerhalten würden." Zudem seien nur 40 Prozent der von Bioshape geleisteten Entschädigungen tatsächlich bei den Farmern angekommen. Laut Nyembea strich eine an dem Landtransfer beteiligte Behörde auf Distriktebene widerrechtlich den Rest des Geldes ein.

Das Tansanische Investitionszentrum hatte der Verpachtung von insgesamt 81.000 Hektar zugestimmt. Davon nahm das Unternehmen zunächst nur 34.00 Hektar in Anspruch, wie Geschäftsführer Wilfried Hermans erklärte. Er sei davon ausgegangen, dass die an die Behörden gezahlte Summe von 490.000 Euro an die Bauern weitergegeben würde.

Allerdings hat die Firma selbst nur wenig Transparenz bei der Außendarstellung des Projekts walten lassen. So las die ehemalige Bioshape-Managerin Annick Miya-Verstraelen im November 2008 auf der Website des Unternehmens, dass bereits 350 Hektar Testgebiet mit Jatropha bepflanzt seien. Aus verlässlichen Quellen hatte sie jedoch erfahren, dass die Pflanzungen zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal 100 Hektar umfassten. Miya-Verstraelen vermutete, dass das Unternehmen mit der Fehlinformation verhindern wollte, dass Aktionäre absprangen.

Hermans rechtfertigte die Abweichungen damit, dass Bioshape einfach falsch gemessen habe. Das Versuchsgelände sei in Wirklichkeit 285 Hektar groß, räumte er ein. Die Fehlkalkulationen hatten für die Firma gravierende Folgen. Im Februar 2010 musste sie alle Feldversuche stoppen und konnten ihren Beschäftigten keine Gehälter mehr zahlen. Daraufhin zog sich der Hauptinvestor Eneco aus dem Projekt zurück.

Laut einem vertraulichen Geschäftsplan, der IPS vorliegt, erhoffte sich Bioshape durch einen Deal mit einem in Arusha ansässigen Holzunternehmen im Norden des Landes bis zu 6,7 Millionen US-Dollar Gewinn. Mit diesem Geld sollte das Biosprit-Projekt gegenfinanziert werden. Auf einer Fläche von 70 Hektar wurden bereits 225 Kubikmeter wertvollen Miombo-Hartholzes geschlagen. Auf der gesamten gepachteten Fläche hätte Bioshape zwischen 200.000 und 800.000 Kubikmeter Hartholz im Wert von 50 Millionen bis 150 Millionen Dollar schlagen können.


WWF moniert Umweltverträglichkeitsstudie

Wie aus einer Studie der Umweltorganisation WWF von 2009 hervorgeht, haben die Projektverantwortlichen in ihrer Umweltverträglichkeitsstudie nicht berücksichtigt, dass die fraglichen Waldgebiete aufgrund ihres Artenreichtums geschützt sind. Laut einer tansanischen Waldschutzorganisation gefährdet die Plantage außerdem den Fortbestand von sieben Wirbeltierarten.

Die in der Studie zugesicherte Reduzierung von Treibhausgasen, mit der EU-Auflagen für das Projekt erfüllt werden sollten, entbehrt laut dem WFF zudem jeder wissenschaftlichen Grundlage. Ein Biologe, der als einer der Autoren der Umweltverträglichkeitsstudie aufgeführt wurde, war nach eigenen Angaben gar nicht an dem Vorhaben beteiligt. Trotz seiner Beschwerde wurde die Studie von der zuständigen tansanischen Behörde akzeptiert.

Fünf Jahre nach dem Start des Bioshape-Projekts zeigt sich eine verheerende Bilanz. Um das Versuchsgelände in Kilwa kümmert sich inzwischen niemand mehr. Die Jatropha-Pflanzen werden nicht bewässert und verdorren. Für die Bäume, die für die Plantage gefällt worden waren, kommt kein Ersatz. Das Nachsehen haben vor allem die lokalen Dorfbewohner, die weder die versprochenen Jobs noch eine angemessene Entschädigung für ihr Land erhalten haben. (Ende/IPS/ck/2011)


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http://bioshape.phpwebhosting.com/en/node/73

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. März 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2011