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AFRIKA/974: Angola - Ärger auf Regierung wächst, Menschen wollen Armut nicht länger hinnehmen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. März 2011

Angola: Ärger auf Regierung wächst - Menschen wollen Armut nicht länger hinnehmen

Von Louise Redvers

Gemüsehändler in Luanda - Bild: © Louise Redvers/IPS

Gemüsehändler in Luanda
Bild: © Louise Redvers/IPS
Luanda, 11. März. (IPS) - In dem südwestafrikanischen Staat Angola gärt der Volkszorn. Den Regierungsgegnern gelang es zwar noch nicht, Massenproteste in der Hauptstadt Luanda zu organisieren. Doch politische Beobachter rechnen damit, dass die Bevölkerung früher oder später gegen die Autoritäten aufbegehren wird.

Als eine Organisation namens 'Angolanische Volksrevolution' kürzlich über das Internet zu einer Kundgebung in Luanda aufrief, erschienen lediglich 13 Anhänger, die prompt festgenommen wurden. Auch anwesende Journalisten wurden in Gewahrsam genommen.

Viele Angolaner spüren aber, dass die Stimmung in dem seit fast 32 Jahren von Präsident Jose Eduardo dos Santos regierten Land allmählich umschlägt. Nach dem libyschen Machthaber Muammar al Gaddafi und dem Präsidenten von Äquatorialguinea, Teodoro Obiang, ist dos Santos das am längsten amtierende Staatsoberhaupt in Afrika.

An Protesten beteiligten sich zurzeit nur wenige Menschen, weil sie Angst vor Repressalien hätten, sagte der Journalist Rafael Marques. Die Bevölkerung sei aber für einen politischen Wandel. "Dos Santos wird sehr unpopulär", meinte er. Die meisten Angolaner wollten nicht akzeptieren, dass sie keinen Anteil an dem Wirtschaftsboom des Landes hätten.

In Angola zirkulieren Berichte über die Bestechlichkeit des Präsidenten und seiner engsten Berater, die sich immer weiter bereicherten. Obwohl die Wirtschaft des Landes in den vergangenen zehn Jahren ein Wachstum von elf Prozent verzeichnete und damit sogar China in den Schatten stellte, leben zwei Drittel der Einwohner in Armut. Laut offiziellen Statistiken von 2010 hat die Hälfte der Menschen keinen Zugang zu Wasser und Strom.


Parallelen zur Situation in arabischen Ländern

Der Rechtsexperte Fernando Macedo sieht deutliche Parallelen zwischen der Lage in Angola und der Situation in Ländern wie Ägypten, Tunesien und Libyen, wo sich die Bevölkerung gegen die Regierung erhob. Laut Macedo hat auch die angolanische Führung die Medien manipuliert, um ihre Machtstellung zu stärken.

Die Festnahmen bei der Demonstration in Luanda seien unrechtmäßig gewesen, erklärte er weiter. Die erst kürzlich in Kraft getretene Verfassung sichere jedem Bürger ein Recht auf friedliche Proteste zu. Die Regierung nehme darauf aber offensichtlich keine Rücksicht.

Die größte Oppositionspartei UNITA warnte indes vor einer Fortsetzung der Proteste. Man befürworte einen politischen Wandel, wolle aber keine gesichtslose Organisation unterstützen, erklärte die Partei. Unorganisierte Zusammenkünfte drohten in Gewalt zu münden.

Einige Beobachter meinen sogar, dass sogar die Regierungspartei MPLA selbst unter falschem Namen zu den Kundgebungen aufgerufen hat, um ihre Gegner besser aufspüren zu können. Auch Marques ist nicht sicher, wer tatsächlich hinter den Aufrufen steht. Fest steht für ihn nur, dass sowohl Regierung als auch Opposition geschwächt sind.

Offiziell setzte die Regierung alle Hebel in Bewegung, um durch Appelle in den Medien die Bevölkerung von einer Beteiligung an Demonstrationen abzuhalten. Zugleich sorgten Äußerungen hoher Funktionäre für Verwirrung. Der MPLA-Vorsitzende in Luanda, Bento Bembe drohte damit, dass alle Protestierenden "neutralisiert" würden und berief sich dabei paradoxerweise auf geltendes Recht. "Angola hat Gesetze und Institutionen. Ein guter Bürger versteht die Gesetze, respektiert das Land und verhält sich als Patriot." Andere Parteifreunde von dos Santos äußerten den Verdacht, dass die Initiatoren der Proteste von "auswärtigen Kräften" in Portugal und Großbritannien unterstützt würden.

"Die Lage ist sehr heikel, viele von uns wurden mit dem Tod bedroht", sagte Manuel Fernandes, der Vorsitzende des Oppositionsbündnisses POC. Da sie ein Blutvergießen vermeiden wollten, seien die Anhänger der Koalition den Aufrufen zu Protesten nicht gefolgt.


Regierung will Bevölkerung einschüchtern

Die MPLA veranstaltete daraufhin einen 'Marsch für Frieden und Stabilität', an dem sich nach offiziellen Angaben mehr als vier Millionen Menschen beteiligt haben sollen. Unabhängige Schätzungen gehen jedoch von etwa 40.000 aus, von denen viele zu einer Teilnahme gezwungen worden seien. Für weitere Unruhe sorgten Gerüchte, wonach sich geheime Armeen im Urwald für Angriffe auf die Städte rüsteten. Der Vizevorsitzende der MPLA, Roberto de Almeida, warf den Regierungsgegnern vor, das Land wieder in einen Bürgerkrieg treiben zu wollen.

Wie Marques kritisierte, versuchten die Herrschenden, in der Bevölkerung gezielt Angst zu schüren. Es gebe keine Geheimarmee, und die MPLA bilde sich die Kriegsgefahr nur ein, sagte er. Auch die internationale Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' hielt der Regierung in Luanda eine "Einschüchterungskampagne" vor. Der HRW-Referent für Afrika, Daniel Berkele, warnte vor negativen Konsequenzen für die 2012 geplanten allgemeinen Wahlen in Angola. (Ende/IPS/ck/2011)


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http://www.hrw.org/africa/angola
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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2011