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AFRIKA/993: Massive Proteste gegen explodierende Lebenshaltungskosten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Mai 2011

Afrika:
Massive Proteste gegen explodierende Lebenshaltungskosten

Von Miriam Gathigah


Nairobi, 4. Mai (IPS) - In vielen Ländern Afrikas führen die explodierenden Lebenshaltungskosten mittlerweile zu gewaltsamen Protesten. Arbeiter, Oppositionelle und Juristen rufen Bürgerbewegungen ins Leben, um die Regierungen zu Reformen zu zwingen.

In vielen Teilen Afrikas wächst der Unmut über die steigenden Preise für Lebensmittel, Benzin und andere Güter des täglichen Bedarfs. Der globale Anstieg der Ölpreise hat verheerende Auswirkungen auf alle Bereiche des öffentlichen Lebens, und extrem niedrige Löhne treiben immer mehr Menschen in eine ausweglose Lage.

Für ihre Situation gibt es inzwischen sogar einen eigenen Begriff. Wer in die sogenannte 'Kadogo-Wirtschaft' abrutscht, kann sich grundlegende Dinge wie Nahrung, Zucker, Öl und Seife nur noch sporadisch und in kleinsten Mengen kaufen. Wegen dieser Zustände geraten die Regierungen afrikanischer Länder zusehends unter Druck.

Am 11. April starteten ugandische Oppositionsparteien die Kampagne 'Walk to Work' ('Zu Fuß zur Arbeit'). Die Gruppierung nennt sich 'Aktivisten für den Wandel' und protestierte mit einer einfachen aber gut durchdachten Aktion gegen die steigenden Preise für Benzin und Nahrungsmittel. Sie rief die Menschen auf, zu Fuß zur Arbeit zu gehen.


Tägliche Proteste

Im gleichen Monat kam es in der Hauptstadt von Burkina Faso, Ouagadougou, zu gewalttätigen Ausschreitungen. Soldaten der Präsidentschaftsgarde zettelten am 14. April eine Revolte an, um sich mehr Wohngeld und bessere Verpflegung zu erkämpfen. Sie steckten ein Gebäude auf dem Gelände des Präsidialamts in Brand, befreiten mehrere Kameraden aus dem Gefängnis und zogen randalierend durch die Geschäfte der Stadt. Ein an den Übergriffen beteiligter Soldat räumte gegenüber IPS ein: "Vielleicht war es nicht der richtige Weg, zu den Waffen zu greifen, aber viele von uns haben große Probleme und wissen nicht mehr, was sie tun sollen."

Die Händler reagierten auf den Aufstand der Soldaten mit Gegengewalt. Sie drangen in das Gebäude der Regierungspartei ein und legten Feuer. Auch das Handelsministerium und das Parlament blieben von den gewaltsamen Übergriffen nicht verschont.

Die Demonstranten forderten die Regierung auf, sie steuerlich zu entlasten, ihnen zinsfreie Kredite zu gewähren und erst kürzlich eingeführten Gesundheitsversorgungsbeiträge abzuschaffen. Die Ad-Hoc-Bewegung aus Burkina Faso nennt sich 'Koalition gegen explodierende Lebenshaltungskosten und Korruption'.

Auch die Regierung in Kenia gerät zunehmend unter Druck. So stiegen die Benzinpreise dort von Februar bis Mai um mehr als 20 Prozent. Die Oppositionsabgeordnete Martha Karua macht Korruption und Ineffizienz in den Behörden für die Krise in ihrem Land mitverantwortlich.

Wie der Börsenhändler Anthony Thiga erklärte, steigt die Inflationsrate in Kenia inzwischen seit fünf Monaten ständig an, und der Anstieg der Ölpreise hat eine verheerende Impulswirkung auf den Rest der Wirtschaft.

Seit Januar ist der Ölpreis von 82 US-Dollar das Barrel auf 112 Dollar gestiegen, wodurch die Lebenshaltungskosten in ganz Afrika explodierten. Vom Arbeitsweg bis zum Warentransport ist alles teurer geworden. In Kenia sind nach offiziellen Angaben 40 Prozent der Bevölkerung arbeitslos.


Leere Versprechen und Gewalt

Die Regierung in Nairobi versucht, die aufgebrachte Bevölkerung mit hastigen Versprechungen zu beruhigen. So wurden Einfuhrzölle für Mais, Weizen und Benzin gesenkt, und die Armen sollen kostenlose Lampen erhalten und der Preis für Kerosin um 30 Prozent reduziert werden.

Bei einer Kundgebung zum 1. Mai kündigte Arbeitsminister John Munyes eine Erhöhung der Mindestlöhne um 12,5 Prozent an. Somit sollten Arbeitnehmer in Kenias Großstädten künftig 90 Dollar im Monat verdienen. Der Gewerkschaftsbund (COTU) fordert hingegen Lohnerhöhungen von 60 Prozent, die er notfalls mit einem Generalstreik einfordern will.

Im Nachbarstaat Uganda hat sich die Regierung für einen ganz anderen Kurs entschieden. Sie schlug die Walk to Work-Kampagne vom 11. April gewaltsam nieder. Bei dem Polizeieinsatz wurden acht Demonstranten getötet und 250 Personen verletzt.

Dennoch halten die Proteste in Uganda an und die Aktivisten für den Wandel gewinnen immer mehr an Zulauf. Jetzt wollen sich auch die Anwälte im Land der Bewegung anschließen. Sie wollen eine dreitägige Demonstration organisieren, die am 4. Mai beginnen soll. Außerdem hat sich die Kirche zu Wort gemeldet und das Vorgehen der Regierung verurteilt. (Ende/IPS/jb/2011)



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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2011