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ASIEN/570: Korea - Sonnenuntergang (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 25. März 2009

Sonnenuntergang
Seoul macht Stimmung gegen Pjöngjang, und der »Geliebte Führer« Kim Jong-Il träumt von einer Weltraummacht

Von Rainer Werning


Verquere Welten in Korea: Da hatten mit Kim Dae-Jung und Roh Moo-Hyun ein Jahrzehnt lang (1998-2008) gleich zwei südkoreanische Präsidenten gegenüber dem Norden des geteilten Landes, der Demokratischen Volksrepublik Korea, eine auf Annäherung bedachte »Sonnenscheinpolitik« praktiziert, bis ausgerechnet Seouls traditionell engster Verbündeter, die USA, diese Politik torpedierte. US-Präsident George W. Bush erklärte diese Süd-Nord-Liaison im Frühjahr 2001 kurzerhand für »naiv und gefährlich« und machte Nordkorea Anfang 2002 sogar mit Irak und Iran zum Teil einer »Achse des Bösen«. Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA geißelte die USA unter Bush daraufhin als ein von »moralischer Lepra« befallenes Land.


»Der Bulldozer«

Heute feuert Pjöngjang Breitseiten nicht nur gegen Washington, sondern auch gegen Seoul. Dort amtiert seit dem 25. Februar 2008 mit Präsident Lee Myung-Bak ein Hardliner, der seinen Spitznamen »der Bulldozer« ungeniert genießt. Bereits im Wahlkampf hatte Lee eine harte Gangart gegenüber dem Norden angekündigt. Dieser solle fortan weniger Hilfen erhalten und nur dann in den Genuß von Investitionen gelangen, wenn dessen Führung das Nuklearprogramm gänzlich einstellt. Für zusätzlichen Zündstoff sorgt die Ankündigung der Volksrepublik, zwischen dem 4. und 8. April an ihrer Ostküste eine Rakete zu zünden, die einen Kommunikationssatelliten ins All befördern soll.

In Südkorea, Japan und in den USA ließ das umgehend die Alarmglocken schrillen. Pjöngjang plane, so heißt es unisono in Seoul, Tokio und Washington, eine Interkontinentalrakete zu testen, die Alaska erreichen könnte. Demgegenüber zirkulierte in Pjöngjang die öffentliche Erklärung, man wolle lediglich sein eingeleitetes Weltraumprogramm fortsetzen, um die Volksrepublik bis 2012 in einen »mächtigen Staat« zu verwandeln. Sowohl General Walter Sharp, Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Südkorea, als auch der Chef des Pazifikkommandos auf Hawaii, Admiral Timothy Keating, erklärten während einer Anhörung im amerikanischen Senat, man sei zuversichtlich und imstande, einen möglichen nordkoreanischen Raketenangriff abzuwehren.

Vom 17. bis zum 21. März weilte Nordkoreas Premierminister Kim Yong-Il (nicht verwandt mit Präsident Kim Jong-Il) zu einem Staatsbesuch in der Volksrepublik China, dem mit Abstand wichtigsten und einflußreichsten politischen wie wirtschaftlichen Verbündeten seines Landes. In Peking wurde Kim von Präsident Hu Jintao und Premierminister Wen Jiabao empfangen - als Auftakt gemeinsamer Feierlichkeiten anläßlich des 60jährigen Bestehens enger bilateraler Beziehungen. China verfügt als einziges Land über Mittel und Möglichkeiten, mäßigend auf die politische Führung seines Nachbarn einzuwirken. Immerhin initiierte Peking bereits vor Jahren die sogenannten Sechsergespräche, um den schwelenden Konflikt um Nordkoreas Nuklearprogramm zu schlichten. Neben Gastgeber China und den beiden Korea gehören der Runde die USA, Rußland und Japan an. Die Gespräche sind seit dem vergangenen Dezember - wieder einmal - ins Stocken geraten. Knackpunkt bildete die Verifizierung des von Pjöngjang erklärten Stopps seines Nuklearprogramms. Dazu hatte sich Pjöngjang im Februar 2007 bereit erklärt, um im Gegenzug ausreichend Öl und Kohle für seine krisengeschüttelte Wirtschaft zu erhalten.


Signal an Obama

Wie so häufig in den vergangenen Jahren verfolgt die politische Führung in Pjöngjang mit Drohgesten, diesmal mit dem angekündigten Raketenstart, klare Ziele gemäß ihrer etatistischen Logik. Zentrales Anliegen bleibt es, einen »Regimewechsel« à la Irak zu vermeiden und dem Militär fortgesetzt die Führungsrolle im »starken und gedeihenden Staat« zuzuweisen. Außerdem will Pjöngjang unter allen Umständen die Aufmerksamkeit der neuen US-Administration unter Präsident Barack Obama erheischen. Wiederholt hat Nordkorea erklärt, auf Atomwaffen zu verzichten, wenn sich im Gegenzug die USA verpflichteten, auf jegliche Gewalt oder deren Androhung zu verzichten. Schließlich soll der eigenen Bevölkerung demonstriert werden, daß man sich für das in hohem Maße symbolträchtige Jahr 2012 angemessen wappnet. Am 15. April 2012 nämlich soll in großem Stil des 100. Geburtstages von Kim Il-Sung gedacht werden - des Staatsgründers, »Präsidenten auf Lebenszeit«, »Großen Führers« und Vaters des »Geliebten Führers« Kim Jong-Il.


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Quelle:
junge Welt vom 25.03.2009
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2009