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ASIEN/626: Südostasien - Zankapfel Südchinesisches Meer, USA und China auf Kollisionskurs (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Juli 2010

Südostasien: Zankapfel Südchinesisches Meer - USA und China auf Kollisionskurs

Von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 28. Juli (IPS) - US-Außenministerin Hillary Clinton hat auf ihrer jüngsten Südostasienreise signalisiert, dass Washington Vietnam in einem möglichen Konflikt mit China im Südchinesischen Meer unterstützen würde. Damit reagierte sie auf die zunehmend aggressiven Gebietsansprüche Pekings in einer der wirtschaftlich wichtigsten, aber auch politisch heikelsten Regionen der Südhalbkugel.

Auf den ersten Blick besteht dieser Meeresteil aus einer Ansammlung von Riffen, Korallenatollen und kleinen, kaum bewohnten Inseln. Dennoch ist er seit Jahrzehnten ein Zankapfel zwischen Vietnam, den Philippinen, Malaysia, Brunei, Taiwan und China, deren Territorialansprüche dort miteinander kollidieren. Insbesondere China hat wiederholt mit militärischen Mitteln seine Forderungen durchgesetzt.

In der Region werden nicht nur Öl- und Gasvorkommen vermutet. Dort verlaufen auch einige der international und regional wichtigsten Schifffahrtswege um die zwischen allen Anrainern umstrittenen Spratly- und Paracel-Inseln. Der Ton zwischen China und Vietnam ist in der Auseinandersetzung besonders scharf.

Politische Beobachter hatten daher damit gerechnet, dass Hanoi das Thema als Gastgeber einer Serie von Ministertreffen zur Sicherheitslage in der vergangenen Woche auf die Tagesordnung bringen würde. Teilnehmer waren die Außenminister der Vereinigung südostasiatischer Staaten (ASEAN), Chinas, der USA, Russlands, Japans und Südkoreas.


Washington will multilaterale Gespräche

Aber es war nicht Vietnam, sondern die US-Außenministerin, die am 23. Juli beim ASEAN-Regionalforum einen Vorschlag auf den Tisch legte, der letztlich der Position Hanois entspricht: Ziel ist es, eine Lösung des Konflikts in multilateralen Verhandlungen und nicht - wie von Peking favorisiert - in bilateralen Gesprächen zu suchen.

Clinton wurde mit den Worten zitiert: "Die Vereinigten Staaten unterstützen einen gemeinschaftlichen diplomatischen Prozess ohne Zwang zur Beilegung der verschiedenen territorialen Dispute und unter Einbeziehung aller Anspruch erhebenden Parteien. Wir fordern alle Parteien auf, einen umfassenden Verhaltenskodex zu erstellen."

Ein US-Delegationsmitglied ergänzte, "Wie jedes andere Land haben die USA ein Interesse an freier Seefahrt, ungehindertem Zugang zu den asiatischen Seewegen und einer Respektierung internationalen Seerechts im Südchinesischen Meer."

China nahm das bei dem hinter verschlossenen Türen stattfindenden Treffen keineswegs widerspruchslos hin, wie ein Diplomat mitteilte. "Der chinesische Außenminister Yang Jiechi machte Pekings Position in Bezug auf das Südchinesische Meer sehr nachdrücklich klar."


Bilaterale Gespräche in der Sackgasse

In der Montagsausgabe der in Thailand erscheinenden Tageszeitung 'The Nation' schreibt der Kommentator Kavi Chongkittavorn: "China will den Disput nicht auf den internationalen Radarschirmen sehen. Vietnam hat als derzeitiger ASEAN-Vorsitzender einen Drahtseilakt vollführen müssen, da es gleichzeitig direkt in den Konflikt verwickelt ist."

"Hanoi sprach das Problem nicht direkt an, rief aber diskret allen Staaten seine Position in Erinnerung", sagte Kavi. "Bei einem bilateralen Arbeitsgruppentreffen in Vietnam konnten kürzlich keine Fortschritte erzielt werden."

Hillary Clintons Position in Hanoi spiegelt die veränderte Haltung Washingtons gegenüber den ASEAN-Staaten wider. Präsident Barack Obama will sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger George W. Bush in der Region wieder stärker multilateral engagieren.

"Es ist deutlich zu sehen, dass die Obama-Regierung bei ihrem Amtsantritt die Regionen unter die Lupe nahm und feststellte, dass der Schwerpunkt zu sehr auf dem Kampf gegen den Terror und den bilateralen Beziehungen lag", meinte Robert Fitts, der als US-Diplomat in drei südostasiatischen Staaten auf Posten war. "ASEAN bietet der US-Regierung die Möglichkeit multilateraler Einflussnahme, die sie verstärkt nutzen will."

China hingegen ist laut Fitts geradezu empört über die Haltung der USA. Noch im vergangenen Oktober hatte Peking gegenüber Washington das Südchinesische Meer als "Kerninteressengebiet" bezeichnet. Das ist ein Begriff, den China auch für Taiwan und Tibet verwendet, wenn es sich Einmischung von außen verbitten will.

Dass Washington jetzt multilaterale Akzente setzt, muss China beunruhigen, zumal es auch befürchtet, dass die ASEAN-Staaten bei Territorialdisputen im Südchinesischen Meer geschlossen auftreten.

Noch ist es aber noch nicht so weit. Thailand fährt beispielsweise einen anderen Kurs. "Thailand unterstützt ASEAN bei der Ausarbeitung eines regionalen Verhaltenskodex'", sagte ein Außenamtssprecher in Bangkok. "Konkurrierende Gebietsansprüche sollten nach unserer Auffassung bilateral geregelt werden." (Ende/IPS/sv/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2010