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ASIEN/629: Philippinen - Mitmachen, kontrollieren, warnen - Teilhabe durch Amateurjournalismus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. August 2010

Philippinen:
Mitmachen, kontrollieren, warnen - Teilhabe durch Amateurjournalismus

Von Kara Santos (*)


Manila, 4. August (IPS) - Mit dem Machtwechsel in den Philippinen hat sich auch die dortige Medienszene radikal verändert. Der Wahlkampf und Amtsantritt des neuen Präsidenten Benigno Aquino III brachte eine Flut von Amateurvideos, SMS und Blogs ins Internet. Immer mehr Menschen nutzen die sozialen Netzwerke, um auf Missstände hinzuweisen, Anliegen publik zu machen und die Gesellschaft des Landes demokratischer zu gestalten.

Ein Autofahrer machte beispielsweise eine Videoaufnahme von einem als Polizist verkleideten Motorradfahrer, die landesweit im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Darauf war zu sehen, wie der Mann auf dem Zweirad einen Kombi wie das Fahrzeug eines Spitzenpolitikers gegen die Fahrtrichtung durch den Verkehr lotste.

"Ich habe das Video gepostet, weil ich es unerträglich finde, dass manche Leute immer noch gegen die Verkehrsregeln verstoßen, wenn sogar der neue Präsident sich daran hält", sagt der Amateurfilmer.

Präsident Aquino hatte international Schlagzeilen gemacht, als er auf dem Weg zu seiner Vereidigung am 30. Juni auf die übliche Polizeieskorte mit Sirenen verzichtete. Er wolle "ein gutes Vorbild für das Volk sein", sagte er.


Mitgestalten statt zuschauen

Schon sein Wahlkampf hatte zu regen Meinungsäußerungen der Bevölkerung im Internet geführt. Die Philippinen galten bereits als "SMS-Hochburg der Welt". Nun nutzten die Menschen vor allem soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und die Video-Plattform YouTube, um die Wahlen zu überwachen und Informationen auszutauschen. Viele wurden zu Amateurjournalisten, die nicht nur berichten und kommentieren, sondern die Veränderungen in ihrem Land auch aktiv mitgestalten wollten. Karlo Mikhail Mongaya, der bei der Blogger-Plattform 'Global Voices Online' aktiv ist, sieht darin einen immensen Gewinn für gesellschaftliche Gruppen, die bisher kaum angehört wurden. "Bürgermedienprojekte waren sehr wichtig bei der Überwachung von Wahlen in den Philippinen und andernorts, aber auch bei der Meldung von Naturkatastrophen und der Koordination der Rettungsmaßnahmen", sagte er.

Die Präsidentschaftswahlen haben diesen Trend noch einmal verstärkt, und die etablierten Medien haben ihn begrüßt. Um ihr Ansehen als Nachrichtenlieferanten fürchten sie offensichtlich nicht.


Hand in Hand mit den Amateuren

Das Nachrichtennetzwerk 'GMA News and Public Affairs' beispielsweise fordert die Nutzer seiner Website explizit dazu auf, Fotos und Videos einzusenden. Es hat dafür sogar eine eigene Microsite namens 'YouScoop' aufgebaut. Amateure, die auf eine neue Story stoßen, können diese sofort posten. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen gab es dort auch eine eigene Rubrik für den Wahlkampf. Stephen Quinn, der an der Deakin-Universität in Australien Journalismus lehrt, sieht die Bedeutung derartiger Websites vor allem darin, dass sie die herkömmlichen Medien unterstützten, die nicht überall gleichzeitig sein könnten.

"Es wird da draußen immer mehr Bürger als Journalisten geben, die irgendein Aufzeichnungsgerät für Fotos oder Videos dabei haben", sagte Quinn. "Die etablierten Medien müssen mit ihren Lesern und Zuschauern zusammenarbeiten, anstatt sie als unqualifiziert zu betrachten." Zwar ist die Internetverbreitung in den Philippinen mit unter 21 Prozent immer noch sehr gering, aber dafür werden die neuen Medien umso enthusiastischer genutzt. Außerdem gibt es viele Mobiltelefone. Nach offiziellen Angaben besitzen rund 60 Millionen der 94 Millionen Philippiner ein Handy. Täglich werden in dem südostasiatischen Land mehr als 600 SMS versandt. Auf Facebook bilden die philippinischen Nutzer die achtstärkste nationale Gruppe.

Mit ihren zahlreichen Amateurjournalisten seien die Philippinen typisch für Länder, in denen die Internetnutzung rasch wachse und ständig neue Kommunikationswege entstünden, sagte der Blogger Mongaya. Ähnlich sehe es in Brasilien oder Indien aus.

Vor allem Asien sei ein fruchtbarer Boden, denn mehr als 42 Prozent der gegenwärtig rund 1,7 Milliarden Internetnutzer lebten hier. "Uns kommt eine wichtige Rolle zu", sagte Mongaya. "Wir greifen wichtige Themen auf, die von den Mainstream-Medien links liegen gelassen werden. Die Bürgermedien sind aber nicht nur wichtig für die Verbreitung neuer Informationen, sondern sie tragen auch dazu bei, den sozialen Wandel voranzutreiben." (Ende/IPS/sv/2010)


(*) Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des 'Asia Media Forum' (www.theasiamediaforum.org), das im Internet einen Austausch von Informationen und Meinungen über Medienfragen ermöglicht. Das Forum wird vom IPS-Regionalbüro für Asien und den Pazifikraum koordiniert.

Links:
http://globalvoicesonline.org/ | http://www.youscoop.tv/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews= 52212

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. August 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2010