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ASIEN/669: Pakistan - Widerstand gegen Flutopfersteuer. Die Reichen wären wieder aus dem Schneider (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Oktober 2010

Pakistan:
Widerstand gegen Flutopfersteuer - Die Reichen wären wieder aus dem Schneider

Von Zofeen Ebrahim


Karatschi, Pakistan, 11. Oktober (IPS) - Die Idee des Staatspräsidenten einer einmaligen Sondersteuer für die Flutopfer kommt in Pakistan gar nicht gut an. Das liegt nicht an einem Mangel an Mitgefühl mit den Menschen, die alles verloren haben. Der Widerstand richtet sich dagegen, dass sie fast ausschließlich der wachsenden Mittelschicht aufgebürdet werden soll. Die Reichen des Landes zahlen jetzt schon fast keine Steuern.

Die "Wohlhabenden" und "Menschen mit Vermögen" will Präsident Asif Ali Zardari zur Kasse bitten - ein Plan, der Buchhalter Munaf Lakda in Rage bringt. "Da kann ich nur protestieren. Ich werde diese Steuer auf keinen Fall zahlen, wenn ich das irgendwie umgehen kann", sagt er. "Schauen Sie sich mal die Einkommensteuerbescheide der wirklich Reichen an und vergleichen Sie sie mit meinem. Das ist einfach lächerlich, wie wenig die zahlen - wenn sie überhaupt zahlen."

Fouzia Mapara, eine junge Journalistin, sieht das genauso: "Wieder wird getrickst, um die Mittelschicht abzuziehen, obwohl wir ohnehin schon Probleme genug haben, über die Runden zu kommen."


Minister machen es vor

Pakistaner sind nicht hartherzig oder knauserig, viele haben bereitwillig Hilfe für die Flutopfer angeboten. Mit seiner Steuerinitiative hat der Präsident aber zielsicher eine offene Wunde getroffen. Gerade Zardaris Regierungsmitglieder und Beamte gelten als die erfindungsreichsten Steuervermeider.

Viele Minister sind "hauptberuflich" Großgrundbesitzer. Medienberichten zufolge zahlen sie aber nur Einkommensteuer auf ihre vergleichsweise kleinen Parlamentariergehälter. Es wurden sogar Beispiele genannt, in denen Minister nur 10.000 Rupien, also weniger als 120 Dollar im Jahr an den Fiskus abführen.

Auch die angesehene Carnegie-Stiftung in Washington hat sich schon mit Pakistans Steuersystem auseinandergesetzt. Sie kam zu dem Schluss, dass weniger als drei der 180 Millionen Pakistaner überhaupt Einkommensteure zahlen. Auf das Bruttonationalprodukt werden nur neun Prozent Steuer entrichtet.


Wenig Steuern, hohe Schulden

Der Wirtschaftswissenschaftler Haris Gazdar sieht eine derartig niedrige Rate als typisch an für "Militärregime und schwache Zivilregierungen". Der Autor der Carnegie-Studie, der Pakistaner Akbar S. Zaidi, schreibt dazu: "Das schwache Steuer- und Haushaltswesen des Landes hat zu einer hohen Steuerflucht geführt, so dass der Staat übermäßig verschuldet ist und die Entwicklungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind."

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) kommt zu einer ähnlich negativen Einschätzung des Steuersystems, sonst hätte er im September dem Finanzminister nicht Notkredite über elf Milliarden Dollar mit der Auflage verweigert, erst müsse der Fiskus auf Vordermann gebracht werden.


Unwillen der USA

US-Außenministerin Hillary Clinton kündigte für ihr Land an, "Staaten, die ihre Eliten nicht am Steueraufkommen beteiligen, aber von uns Hilfe für ihre Bürger wollen, werden nicht mehr in dem Umfang Unterstützung erhalten wie früher". Es müsse eine gewisse Verhältnismäßigkeit geben, so Clinton. "Es kann nicht angehen, dass nur neun Prozent des Bruttonationalprodukts abgeführt werden und gleichzeitig Großgrundbesitzer und andere Eliten entweder gar nicht oder so wenig zahlen, dass es lachhaft ist."

Derartiger Druck von außen könnte Zardari dazu bewogen haben, seine Landsleute zur Hilfe für die Flutopfer heranzuziehen. Schätzungsweise 43 Milliarden Dollar wird es kosten, die Infrastruktur in den betroffenen Gebieten wieder instand zu setzen und den am schwersten Betroffenen wieder ein Dach über dem Kopf zu geben. "Wenn wir nicht bereit sind, unser Brot mit unseren von Not und Unglück betroffenen Brüdern zu teilen, können wir auch keine Hilfe von anderen erwarten", sagte er bei der Vorstellung seiner Steuerpläne.


Gegenvorschläge

Mit einer so einhellig negativen Aufnahme hatte der Präsident kaum gerechnet. Er hatte nicht nur übersehen, dass nur Gehaltsempfänger Steuern zahlen, sondern auch, dass Ad-hoc-Steuern immer schwierig zu verkaufen sind. Es gibt auch Stimmen, die auf Pakistans aufgeblähtes Militärbudget verweisen und vorschlagen, es könnten ja auch ein paar Jagdbomber weniger gekauft und dafür den Flutopfern geholfen werden.

Badar Alam, Herausgeber des Politikmagazins 'Herald', schlägt eine Sondersteuer vor, die wirklich nur die Reichen treffen würde: eine "einmalige Flutopfersteuer auf exzessiven Konsum", etwa ein Prozent auf Shopping- oder Restaurantrechnungen von mehr als 10.000 Rupien (knapp 120 Dollar).


Sturm im Wasserglas?

Der Physikprofessor Pervez Hoodbhoy, der auch von Zardaris Sondersteuer betroffen wäre, schlägt eine "einmalige Abgabe auf Grundbesitz in Höhe von einem Prozent des Marktwertes" vor. Er ist aber auch für die Zukunft skeptisch: Die Aufregung über die Steuermoral der Eliten werde bald wieder abflauen.

"Der Durchschnittspakistaner geht eigentlich nur auf die Straße, wenn er Blasphemie wittert oder wenn ein religiöses oder anti-westliches Thema hochkocht", sagt er. "Es gibt keine progressive Bewegung für mehr wirtschaftliche oder soziale Gerechtigkeit, und so werden die Steuerbetrüger, Feudalherren und anderen Volksfeinde auch diesmal ungeschoren davon kommen." (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://carnegieendowment.org/publications/index.cfm?fa=view&id=41562
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53097

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2010