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ASIEN/744: China - US-Abgeordnete verurteilen "Mädchenmord" im Zuge der Ein-Kind-Politik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Juni 2011

China: US-Abgeordnete verurteilen 'Mädchenmord' im Zuge der Ein-Kind-Politik

Von Kanya D'Almeida


Washington, 6. Juni (IPS) - Der Weltkindertag am 1. Juni wird in China stets fröhlich mit bunten Paraden und Feiern (g)[b]egangen. Dabei haben viele Mädchen angesichts der rigiden Ein-Kind-Politik keine Lebenschancen. In den USA protestierten republikanische und demokratische Kongressabgeordnete gemeinsam mit Menschenrechtsaktivisten, Demographen und Wissenschaftlern gegen die gezielte Tötung weiblicher Föten und Säuglinge in der Volksrepublik. Sie unterzeichneten eine Erklärung gegen den 'Genderzid', den die unabhängige Organisation 'All Girls Allowed' entworfen hatte.

Unter Hinweis auf Artikel zwei und drei der Universellen Erklärung der Menschenrechte wird in dem Text "die systematische Eliminierung von Mädchen in China und Indien" verurteilt. Familien, Gemeinden und Regierungen werden aufgefordert, das Leben junger Mädchen weltweit zu schützen. "Wir müssen eine Gesellschaft schaffen, in der jedes Kind als Bereicherung und nicht als Belastung empfunden wird", sagte T. Kumar, der PR-Chef von Amnesty International für Asien und den Pazifikraum.

Der frühere Studentenführer Chai Ling, der zwei Mal für den Friedensnobelpreis nominiert wurde, verglich den Säuglingsmord in China mit dem Massaker an Oppositionellen 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens: "Ich wusste, dass ich etwas tun musste, als ich erkannte, dass in China an jedem Tag Massaker wie damals auf dem Tiananmen-Platz verübt werden."


Zehntausende erzwungene Abtreibungen

Seit Einführung der Ein-Kind-Politik Ende der siebziger Jahre werden jährlich etwa eine Million Babys ausgesetzt. Außerdem lassen jedes Jahr rund 35.000 Frauen auf Druck der Regierung abtreiben.

Diejenigen, die sich nicht an die offiziellen Regeln hielten, werden schikaniert. Als Zhang Yuhong nach dem ersten Kind erneut schwanger wurde, drohten die Behörden ihr und ihrem Mann die Lebensmittelrationen zu streichen. Das zweite Kind hätte zudem keinen Platz an einer Schule bekommen. Yuhong entschied sich schließlich schweren Herzens zu einem Abbruch der Schwangerschaft. Die Ärzte führten den Eingriff ohne jegliche Betäubung durch.

Die Frau, die ihre traumatischen Erfahrungen bis heute nicht überwunden hat, appelliert nun an die Weltgemeinschaft, diese "inhumane Politik" zu stoppen. Den persönlichen Schilderungen Betroffener und den offiziellen Statistiken ist zu entnehmen, dass vor allem weibliche Babys Opfer der Ein-Kind-Politik werden.

Die Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften (CASS) geht in einem im Januar veröffentlichten Bericht davon aus, dass es im Jahr 2020 in der Altersgruppe der unter 19-Jährigen 30 bis 40 Millionen mehr Jungen als Mädchen geben wird. Damit würden in der Volksrepublik so viel männliche Jugendliche leben wie in den drei größten europäischen Ländern zusammengenommen.

Die Regierung in Peking greift damit in natürliche biologische Abläufe ein. Wie das britische Magazin 'Economist' berichtete, kamen statistisch gesehen jahrhundertelang auf jeweils 100 geborene Mädchen 103 bis 106 männliche Säuglinge. In den vergangenen 25 Jahren hätten sich diese Relationen aber deutlich verschoben, hieß es. Laut dem 'British Medical Journal' lag das Verhältnis in China im Zeitraum 2000 und 2004 bei 100 zu 124.


Fälle auch in anderen Ländern

Für dieses Missverhältnis finde man keine historischen Entsprechungen. Biologisch gesehen sei dies nicht möglich, sagte der Demograph Nicholas Eberstadt, der am unabhängigen 'American Enterprise Institute' in Washington arbeitet. Eberstadt wies daraufhin, dass nicht nur in China Mädchen als minderwertig betrachtet würden. Auch im Kaukasus, Zentralasien und Teilen Südasiens seien Tötungen weiblicher Säuglinge keine Seltenheit. Unter asiatischen Einwanderern in den USA kämen solche Fälle ebenfalls vor. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.allgirlsallowed.org/
http://asiapacific.amnesty.org/apro/aproweb.nsf/pages/index
http://english.cas.cn/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=55891

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2011