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ASIEN/833: Pakistan - Taliban-Opfer warten auf Hilfe, Zehntausende behindert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. März 2013

Pakistan: Taliban-Opfer warten auf Hilfe - Zehntausende behindert

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Demonstration von durch Taliban-Anschläge versehrten Frauen
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, 19. März (IPS) - Pakistaner, die durch Angriffe und Selbstmordanschläge der Taliban in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) und der nahen Provinz Khyber Pakhtunkhwa Behinderungen davon getragen haben, fordern mehr Unterstützung und ein strikteres Vorgehen gegen die radikal-islamistischen Kämpfer.

"Ein Einsatz gegen die Taliban ist dringend notwendig, um die Gewalt einzudämmen und die Menschen zu schützen", sagt Muhammad Imran aus der Agentur (Verwaltungsbezirk) Bajuar. Der 34-Jährige konnte von der Landwirtschaft gut leben, bevor er bei einem Bombenattentat im Januar 2009 beide Beine verlor. "Jede Verzögerung von Maßnahmen gegen die Taliban wird dazu führen, dass noch mehr Menschen invalide werden."

In den FATA, die an der Grenze zu Afghanistan liegen, ging es ruhig zu, bis der Sturz der Taliban-Regierung im Nachbarland Ende 2001 durch US-geführte Truppen die selbsternannten Gotteskrieger nach Pakistan trieb. Die Grenzregion gilt als Hochburg des Terrorismus, seit die Taliban 2005 begannen, pakistanische Soldaten, Polizisten und Märkte anzugreifen.


100.000 Invalide und 50.000 Witwen

"Die Zahl der Menschen mit Behinderung sowie der Witwen und Waisen hat sich seit 2005 in den FATA und in Khyber Pakhtunkhwa aufgrund der Kämpfe alarmierend erhöht", sagte die Sozialministerin der Provinz, Sitara Ayaz. "Die Regierung hat 100.000 Invalide und 50.000 Witwen ermittelt."

Wie Ayaz weiter erklärte, ist auch die Zahl der Waisen gestiegen. Die Bevölkerung sei den Angreifern nach wie vor schutzlos ausgeliefert, sodass noch mehr Menschen sterben oder schwer verletzt werden könnten. "Allein im Swat-Tal, in dem die Taliban zwischen 2007 und 2009 herrschten, haben sie etwa 7.000 Menschen versehrt."

Javidullah Shah, der nur noch an Gehstöcken laufen kann, erinnert sich daran, wie er in seiner Schneiderei im Swat-Tal durch einen Selbstmordanschlag der Taliban im September 2008 verletzt wurde. "Nach drei Monaten amputierten die Ärzte mein rechtes Bein", sagt er. "Meine einzige Forderung an die Regierung besteht jetzt darin, dass sie hart gegen die Taliban vorgehen, die keine Gnade verdienen."

Shah kennt etwa 150 Menschen, die ein ähnliches Schicksal wie er tragen. "Die meisten, die ebenfalls die Grausamkeiten der Taliban erdulden mussten, sind gegen jegliche Art von Verhandlungen, die sie als Verrat an denjenigen betrachten, die den Kampf der Regierung gegen den Terrorismus unterstützt haben."

Die meisten dieser Taliban-Opfer seien so schwer verletzt, dass sie nicht arbeiten könnten, berichtet der Orthopäde Akbar Ali aus Peshawar. Die 50-jährige Zari Jana sitzt im Rollstuhl, seitdem im August 2009 eine Rakete ihr Haus in Mohmand traf. "Arbeiten kann ich gar nicht mehr", klagt sie. "Und meine Behinderung belastet meine Kinder. Gott wird die Taliban bestrafen, sie haben das Leben Tausender Menschen zerstört."

Der Habib-Physiotherapie-Komplex in Peshawar ist ein großes Behandlungszentrum, in dem Taliban-Opfer Hilfe suchen. "In diesem Jahr haben wir am Internationalen Frauentag alle weiblichen Verletzten kostenlos behandelt", sagt der Leiter der Einrichtung, Mahboobur Rehman. Die meisten Menschen mit Behinderung müssten weiterhin physiotherapeutisch behandelt werden und bei der Wiedereingliederung in das wirtschaftliche, politische und soziale Leben Hilfe erhalten.


Staatliche Hilfe begrenzt

Wie Rehman weiter berichtet, arbeitet die Regierung an einem Programm für die Taliban-Opfer. Es zielt darauf ab, das Leid der Menschen durch Rehabilitationsmaßnahmen zu lindern. Die Möglichkeiten der Regierung, Gesundheitsdienstleistungen für die vom Krieg getroffene Bevölkerung anzubieten, seien allerdings begrenzt, so der Experte.

Muhammad Wali aus Khyber wurde durch eine Granate verstümmelt, die im Januar in seiner Nähe detonierte. Er wartet noch auf eine Prothese, wie Hunderte weiterer Menschen auch.

Nach offiziellen Angaben hat die US-Entwicklungsbehörde USAID damit begonnen, ein Register der Witwen, Waisen und dauerhaft behinderten Menschen anzulegen, die von Rehabilitierungsmaßnahmen profitieren sollen.

"Die meisten Menschen mit Behinderung müssen derzeit betteln gehen", sagt Sartaj Ahmed von der Wohlfahrtsbehörde. "Jeden Tag beantragen durchschnittlich 15 Behinderte finanzielle Hilfe." (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://transition.usaid.gov/pk/
http://www.ipsnews.net/2013/03/taliban-victims-seek-support/

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IPS-Tagesdienst vom 19. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2013