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ASIEN/846: China - Uiguren diskriminiert und verfolgt, UN sollen Dialog mit Regierung anstoßen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Juni 2013

China: Uiguren diskriminiert und verfolgt - UN sollen Dialog mit Regierung anstoßen

von Audrey Petit



New York, 6. Juni (IPS) - Seit Jahren ist die Autonome Uiguren-Region Xinjiang (XUAR) im trockenen Nordwesten Chinas Schauplatz von Zusammenstößen mit der chinesischen Regierung. Auch kommt es dort zu ethnischer Gewalt zwischen dem muslimischen Turkvolk und den Han-Chinesen.

Kritiker der Regierung werfen Peking vor, in der Auseinandersetzung mit den Uiguren Anti-Terror-Gesetze anzuwenden, um die Verstöße gegen die Menschenrechte rechtfertigen.

Der UN-Ausschuss über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in Genf hat sich kürzlich mit einem Bericht befasst, in dem der Welt-Uiguren-Kongress (WUC) das Vorgehen Pekings verurteilte. In dem Ausschuss sind 18 unabhängige Experten vertreten, die die Umsetzung des 2001 von China ratifizierten UN-Sozialpakts (ICESCR) überwachen sollen.

"Die Vereinten Nationen sind ein wichtiges Forum, in dem Menschenrechtsbedenken auf internationaler Ebene vorgebracht werden können, wenn alle nationalen Instanzen ausgeschöpft sind", erklärte Michael Phillips von WUC. Dies sei derzeit in China der Fall.

Laut WUC werden die Uiguren in der Volksrepublik bei der Arbeit diskriminiert, können ihre Sprache nicht frei benutzen und sind in der Ausübung ihrer Religion und Kultur eingeschränkt. Die Gruppe hat zudem Kenntnis von Verschleppungen, illegalen Organentnahmen und ungesetzmäßigen Hausdurchsuchungen durch die chinesischen Behörden.

Im Gegensatz dazu heißt es in dem am 14. Mai vom chinesischen Staatsrat veröffentlichten Weißbuch 'Menschenrechtsfortschritte in China 2012', dass die Regierung bei den Garantien für Religionsfreiheit und Autonomie in den Gebieten ethnischer Minderheiten vorankommt.


Verstöße gegen internationale Menschenrechtsstandards

Die chinesische Verfassung gewährt Religionsfreiheit, legt aber auch fest, dass "der Staat 'normale' religiöse Betätigungen schützt". Laut dem Internationalen Bericht über Religionsfreiheit von 2012, den das US-Außenministerium im Juni veröffentlicht hat, wird dieses Prinzip "in einer Weise angewandt, die nicht den internationalen Menschenrechtsstandards entspricht". Vor allem in den Gebieten der Tibeter und in XUAR sei dieser Grundsatz nicht beachtet worden.

"Es gibt absolut keine Kommunikation zwischen dem chinesischen Staat und den uigurischen Organisationen. Die UN könnten damit beginnen, einen solchen Dialog anzustoßen", meinte der Uiguren-Experte Sean R. Roberts, der an der George Washington Universität das Internationale Programm für Entwicklungsstudien leitet. "Die Zwangslage der Uiguren in Xinjiang sollte durch das Prisma der UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker gesehen werden. Obwohl China die Erklärung angenommen hat, streitet es zugleich ab, dass innerhalb seiner Grenzen indigene Völker leben."

Der Erklärung in China zum Durchbruch zu verhelfen, würde bedeuten, Rücksprache mit den Uiguren vor Beginn großer Entwicklungsprojekte auf ihren Territorien zu halten. Xinjiang ist reich an Bodenschätzen, Erdöl und -gas. Auf der staatlich betriebenen Website 'Tianshannet' heißt es, dort gebe es 138 von 171 bekannten Erzen, ein Drittel aller chinesischen Öl- und Gasvorkommen sowie mehr als 40 Prozent der landesweiten Kohlereserven.

Den Hauptgrund für das Interesse der Regierung an der großen, dünn besiedelten und strategisch günstig gelegenen Region erkennt Roberts aber darin, dass sie die wachsende Bevölkerung Chinas aufnehmen könnte. Außerdem wäre sie ein potenzielles Tor für eine wirtschaftliche Expansion gen Westen.

"Es werden bereits Maßnahmen ergriffen, um die Städte Urumqi und Kashgar im Norden und Süden zu Zentren des Handels mit Zentralasien auszubauen", sagte Roberts. Die Tatsache, dass die Uiguren in ihren angestammten Territorien lebten, hindere China an der Umsetzung dieser Pläne.

Erst am 23. April kam es wieder zu gewalttätigen Zusammenstößen etwa 1.200 Kilometer südwestlich von Urumqi, der Hauptstadt von Xinjiang, bei denen nach Angaben der chinesischen Behörden 21 Menschen starben. Peking machte terroristische Gruppen für die Gewalt verantwortlich.


Radikalisierung der Bevölkerung zu befürchten

In dem Bericht 'Imaginary Terrorism?' erklärt Roberts, dass die Einstufung der Islamischen Turkestan-Partei als terroristische Organisation durch UN und USA im Jahr 2002 großen Einfluss auf die Debatte zwischen den Unterstützergruppen der Uiguren und der chinesischen Regierung gehabt habe. Obwohl es kaum Beweise dafür gebe, dass die Zusammenstöße im vergangenen Jahr auf Terrorgruppen zurückzuführen seien, "könnte die zunehmende Verzweiflung der Uiguren zur Entstehung solcher Gruppen führen".

Der Experte wies allerdings darauf hin, dass selbst die radikalsten Gegner Pekings in der Uiguren-Region offensichtlich nicht von der staatenübergreifenden dschihadistischen Ideologie angezogen würden, sondern sich stattdessen auf den chinesischen Staat konzentrierten.

"Je mehr sie unterdrückt werden, umso stärker wünschten sich die Uiguren Selbstbestimmung", meinte Phillips. "China schafft sich selbst Feinde, die es vorher nicht gegeben hat."

Der WUC-Bericht hebt hervor, dass der große Zustrom von Han-Chinesen seit 1940 die demografische Zusammensetzung der XUAR-Region wesentlich verändert habe. Lebten dort 1953 noch sechs Prozent Han-Chinesen und 75 Prozent Uiguren, so beträgt das Verhältnis heute etwa 40 zu 45 Prozent. Phillips rechnet nicht damit, dass Peking Empfehlungen des Genfer UN-Ausschusses beherzigen werde. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www2.ohchr.org/english/bodies/cescr/docs/ngos/WordUyghurCongress_ChinaPSWG51.pdf
http://www2.ohchr.org/english/bodies/cescr/
http://news.xinhuanet.com/english/china/2013-05/14/c_132380706.htm
http://www.state.gov/j/drl/rls/irf/religiousfreedom/#wrapper
http://www.ipsnews.net/2013/06/nowhere-to-turn-for-chinas-uyghurs/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2013