Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/850: Kambodscha - Mit harten Bandagen gegen die Opposition, Kritiker schlagen zurück (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Juni 2013

Kambodscha: Mit harten Bandagen gegen die Opposition - Kritiker schlagen zurück

von Michelle Tolson



Phnom Penh, 24. Juni (IPS) - In Kambodscha gehört die Gewaltherrschaft der Roten Khmer (1975-1979) zwar längst der Vergangenheit an. Doch weckt das Vorgehen der Regierungspartei im Vorfeld der Wahlen am 28. Juli Erinnerungen an die 'schmutzige' Politik jener düsteren Jahre.

Den Prognosen politischer Beobachter zufolge wird die regierende Koalition aus der Kambodschanischen Volkspartei CPP und der Partei FUNCINPEC wiedergewählt und Ministerpräsident Hun Sen für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt werden.

Dennoch kam es zwischen der CPP und ihren größten Herausforderern, der 'Sam Rainsy' (SRP) und der Menschenrechtspartei HRP, zu hässlichen Zusammenstößen. SRP und HRP sind seit dem vergangenen Jahr unter dem Dach der Kambodschanischen Nationalen Rettungspartei (CNRP) zusammengeschlossen und halten 27 von 123 Parlamentssitzen.

Als Reaktion auf die Auseinandersetzung entschied am 5. Juni der zwölfköpfige ständige Ausschuss der Nationalversammlung, dessen Mitglieder allesamt aus der CPP kommen, 29 Abgeordneten die politischen Vollmachten zu entziehen. 27 von ihnen gehören der Opposition an.

Am 10. Juni verurteilte ein Bündnis aus 15 zivilgesellschaftlichen Gruppen in einer gemeinsamen Erklärung das Vorgehen der Regierung. Das US-Außenministerium bezeichnete die Maßnahmen gegen die Opposition als "Bedrohung der Demokratie". Am 17. Juni reichte die CNRP zudem eine Beschwerde beim Verfassungsrat ein.


Verleumdungskampagne gegen Oppositionsführer

Die Regierungsallianz begann zudem mit einer Schmutzkampagne gegen Kem Sokha, dem amtierenden Vorsitzenden der CNRP. Sie warf ihm vor, die Existenz des berüchtigten Tuol-Sleng-Gefängnisses geleugnet zu haben, in dem mehr als 20.000 Kambodschaner während der Herrschaft der Roten Khmer hingerichtet worden waren. CPP-Politiker erklärten im Besitz einer digitalen Aufnahme zu sein, in der Sokha das Gefängnis und ehemalige Folterzentrum angeblich als eine von Vietnamesen in die Welt gesetzte Erfindung bezeichnete.

Die Geschichte wurde von den Medien rasch aufgegriffen, doch die CNRP wies die Anschuldigungen gegen ihren Chef vehement zurück. "Kem Sokha weiß mehr als jeder andere, wie es in der Zeit der Roten Khmer zuging, wurden beide Elternteile von diesen getötet", sagte Mu Sochua, Präsidentin des SRP-Frauenflügels und PR-Beauftragte der CNRP.

Sochua spricht von dem Versuch, die erstarkende Opposition zurückzuwerfen, deren Kundgebungen Scharen von Menschen anziehen. Erst kürzlich fand eine Demonstration mit rund 2.000 Teilnehmern in der Hauptstadt Phnom Penh statt, und 3.000 Menschen beteiligten sich an einem Protestmarsch in die im Nordwesten gelegene Stadt Battambang.

Zunächst sah es danach aus, als ob das Kalkül der Regierung aufgehen könnte. Etwa 6.000 Menschen strömten nach einem Aufruf der Koalition in den Freiheitspark in Phnom Penh, um gegen Sokhas angebliche Leugnung der Menschenrechtsverstöße der Roten Khmer zu protestieren.

Tola Moeun vom kommunalen Rechtsberatungszentrum 'Community Legal Education Centre' (CLEC), der vor Ort dabei war, hörte jedoch von Demonstranten, dass man ihnen jeweils fünf US-Dollar angeboten hatte, damit sie an der Kundgebung teilnahmen. Das ist viel Geld in einem Land, in dem 49 Prozent der rund 14 Millionen Einwohner mit höchstens zwei Dollar pro Tag auskommen müssen. 26 Prozent der Bevölkerung sind unterernährt. Wie Moeun weiter erfuhr, hatten sich andere dem Marsch gegen Sokha angeschlossen, weil man ihnen eine Führung durch das Tuol-Sleng-Völkermordmuseum in Phnom Penh versprochen hatte.

Wahlbeobachtern zufolge wird sich die Opposition nicht durch solche Tricks aus der Bahn werfen lassen. Das starke Menschenrechtsengagement der CNRP und ihr Engagement im Kampf um Arbeit und Land gehen zudem mit der landesweiten Gründung von Nichtregierungsorganisationen einher.


Wahlthema Landfrage

Die Landfrage ist entscheidend in Kambodscha, wo 80 Prozent der Bevölkerung von der Subsistenzlandwirtschaft lebt. 20 Prozent dieser Familien besitzen jedoch keinen eigenen Grund und Boden. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Regierung Millionen Hektar Agrarnutzflächen an multinationale Konzerne verpachtet hat.

Dass die Zivilgesellschaft auf dem Gipfel des Verbands Südostasiatischer Staaten (ASEAN) im vergangenen Jahr nicht vertreten war, führte zur Bildung der Kambodschanischen Volksversammlung (CGPA).

Wie die zivilgesellschaftliche Gruppe 'Licadho' berichtet, war 2012 ein besonders schlechtes Jahr für die Menschen- und Arbeitsrechte. Ein Provinzgouverneur hatte während eines Streiks drei Arbeiter erschossen, die alle Gewerkschaftsmitglieder waren.

Das Erstarken der Volksbewegungen ist der Regierung nicht entgangen. Die Entscheidung, die Opposition zu schwächen, kam nur wenige Tage nach einer Großdemonstration mit 3.500 Teilnehmern in einer Fabrik des Sportartikelherstellers 'Nike' in der südöstlichen Provinz Kampong Speu.

Der Blick auf die sozialen Netzwerke zeigt, dass die CNPR auch viele junge Kambodschaner anzieht, die immerhin 36 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Wie Sochua erklärte, nutzt auch die Opposition Facebook und Twitter als Instrumente gegen das Informationsmonopol der Regierung.


Regierung kontrolliert Fernsehen und Radio

Laut der US-Organisation 'Freedom House' befinden sich alle kambodschanischen Fernsehsender und fast alle Radiostationen im Besitz oder unter der Kontrolle der CPP oder von Ministerpräsident Hun Sen, seiner Familie und seiner Verbündeten. Diese Medien sind die Hauptinformationsquellen für die Bevölkerung, die zu zwei Dritteln aus Analphabeten besteht.

Der Opposition werden häufig Sendefrequenzen verweigert. Dafür hat der zurzeit im Exil lebende Politiker Sam Rainsy in Netzwerken wie Facebook deutlich die Nase vorn. Die Internetnutzung in dem südostasiatischen Land hat seit den letzten Parlamentswahlen 2008 rapide zugenommen. Nach Angaben des Telekommunikationsministeriums sind insgesamt 2,7 Millionen Kambodschaner online. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://cambodiangrassroots.wordpress.com/tag/cgpa/
http://www.clec.org.kh/
http://www.freedomhouse.org/
http://www.ipsnews.net/2013/06/cambodias-opposition-fights-back/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. Juni 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2013