Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/924: Sri Lanka - Vorgezogene Wahlen im Januar (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Dezember 2014

Sri Lanka:
Vorgezogene Wahlen im Januar - Arme machen sich keine Illusionen von besseren Zeiten

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Sri Lanka im Wahlfieber
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 1. Dezember (IPS) - In Sri Lanka steht am 8. Januar die Wahl des nächsten Staatschefs an, und der derzeitige Präsident Mahinda Rajapaksa will es noch einmal wissen. Doch wird es diesmal schwieriger für ihn werden, das höchste politische Amt zu erringen. Fünf Jahre nach dem Ende eines fast 30-jährigen Bürgerkrieges leidet das südasiatische Land unter wirtschaftlichen Problemen, was seiner Popularität geschadet hat.

Sein größter Konkurrent ist Maithripala Sirisena. Der ehemalige Generalsekretär von Rajapaksas Srilankischer Freiheitspartei (SLFP) hat sich im November als gemeinsamer Kandidat der Opposition positioniert, die sich in den eigenen Reihen gebildet hatte.

Bislang sind acht Politiker aus dem Regierungsbündnis UPFA ausgeschert, und die mächtige nationalistische 'Jathika-Hela-Urumaya'-Partei, einst starker Partner der Regierung, macht ebenfalls Front gegen das amtierende Staatsoberhaupt.

Allen Kandidaten gemein ist eine aggressive Wahlpropaganda. Wahlbeobachter der 'Kampagne für freie und faire Wahlen' (CaFFE) haben kurz nach der Ankündigung der Regierung am 21. November, den Urnengang vorzuziehen, mindestens 1.800 Plakate mit dem Konterfrei Rajapaksas gezählt.

Priyantha Wakvitta gehört zu den vielen Menschen seines Landes, die sich von der massiven Wahlwerbung abgestoßen fühlen - und zwar nicht nur, weil sie die vorweihnachtliche Stimmung stört. "Es werden Millionen für Plakate ausgeben. Und ich schaffe es kaum, meine Familie zu ernähren", erklärt der 50-Jährige aus dem südlich gelegenen Distrikt Galle.

Früher verdiente Wakvitta mit seiner Bäckerei 30.000 Rupien (umgerechnet etwa 250 US-Dollar) im Monat, doch im Laufe des letzten Jahres ist sein Einkommen immer weiter gesunken. "Die Menschen haben kein Geld mehr und kommen kaum noch über die Runden", erläutert er.


Große Armut trotz hoher Wachstumsraten

Sri Lanka kann zwar ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum von 7,5 Prozent vorweisen. Doch für viele schlägt sich diese Entwicklung nicht in einer Verbesserung der Lebensqualität nieder. Das Durchschnittsjahreseinkommen Sri Lankas liegt bei umgerechnet 4.100 Dollar. Die landesweite Armutsrate beträgt 6,7 Prozent, wobei sie in den ländlichen Gebieten noch höher ausfällt. In Wakvittas Heimatbezirk Galle leben nach offiziellen Angaben neun Prozent der Einwohner unterhalb der Armutsgrenze, im zentral-südlichen Moneragala sind es sogar 20,8 Prozent.

Während die Löhne unverändert geblieben sind, haben sich die Preise für Grundbedarfsartikel schleichend erhöht. Besonders deutlich ist dies bei der Entwicklung der Reispreise. Nach einer elfmonatigen Dürre, die fast ein Drittel der Anbauflächen vernichtet hat, wird erwartet, dass die diesjährige Ernte etwa um ein Fünftel niedriger ausfallen wird als die des Vorjahres mit vier Millionen Tonnen. Dann wäre der tiefste Stand seit sechs Jahren erreicht. Nach Angaben des Welternährungsprogramms WFP sind die Reispreise um 33 Prozent gestiegen. Auch Gemüse und Fisch haben sich zeitweise aufgrund ungünstiger Wetterverhältnisse verteuert.

Angesichts dieser bedrohlichen Entwicklungen versprechen die politischen Parteien den Wählern das Blaue vom Himmel: von staatlichen Subventionen bis hin zu Hilfslieferungen. Doch den Reisbauer Ajith Dissanayake aus Galle lassen die Zusagen unbeeindruckt. "Damit den Armen geholfen werden kann, muss es einen umfassenden Plan geben", sagt er.

In den nördlichen Gebieten des Inselstaates, wo der Albtraum des fast 30-jährigen Bürgerkriegs noch nicht überwunden ist, ist die sozioökonomische Lage noch kritischer. Seit dem Ende des Bürgerkrieges im Mai 2009 hat die Regierung mehr als drei Milliarden Dollar in den Wiederaufbau des Nordens gesteckt und vor allem Infrastrukturprojekte finanziert.


Armut vor allem in ehemaligen Bürgerkriegsgebieten groß

In der Region herrscht indes bittere Armut. In dem Distrikt Mullaithivu, in dem vor fünf Jahren die letzten blutigen Kämpfe des bewaffneten Konflikts zwischen Armee und Tamilen-Tigern tobten, liegt der Anteil Armer bei 28,3 Prozent. Im angrenzenden Distrikt Kilinochchi sind es 12,7 Prozent.

"Es ist so, als würden wir einen neuen Krieg führen, dieses Mal gegen die Armut", sagt Thiyagarasa Chandirakumar, Vater zweier Kindern aus einem kleinen Dorf in Mullaithivu. Trotz der staatlichen Elektrifizierungsprogramme hätten viele Menschen daheim immer noch keinen Strom, berichtet er. "Die meisten haben kein Geld für die neuen Anschlüsse und noch nicht einmal genug für den Bus." Der 38-Jährige wurde in dem bewaffneten Konflikt schwer verletzt und sitzt im Rollstuhl.

Chandirakumar und Makvitta erwarten von dem künftigen Staatspräsidenten, dass er ihre Lebensbedingungen verbessert. Dass sich dieser Wunsch in absehbarer Zeit erfüllen wird, ist jedoch unwahrscheinlich - auch wegen der großen Ungleichheit. Den offiziellen Angaben zufolge befindet sich fast die Hälfte des Landeseinkommens in den Händen der reichsten 20 Prozent der Bevölkerung, während sich die ärmsten 20 Prozent fünf Prozent teilen.

Die Entscheidung, die Wahlen vorzuziehen, und die Tatsache, dass die Opposition einen gemeinsamen Kandidaten aufstellt, haben sich unmittelbar negativ ausgewirkt.

Am 24. November fiel der Aktienindex auf den niedrigsten Stand seit August 2013. Analysten gehen davon aus, dass sich die Investoren noch eine ganze Weile zurückhalten werden. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/11/elections-offer-little-solace-to-sri-lankas-poor/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. Dezember 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2014