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ASIEN/936: Korea - Verfeindete Bruderstaaten zwischen Wirtschaftserfolgen und nuklearer Bedrohung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Februar 2015

Korea: Verfeindete Bruderstaaten - Zwischen Wirtschaftserfolgen und nuklearer Bedrohung

von Ahn Mi Young


Bild: TUBS/Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

Nord- und Südkorea auf der Weltkarte
Bild: TUBS/Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

Seoul, 19. Februar (IPS) - Die Annäherung zwischen Nord- und Südkorea ist kein einfaches Unterfangen. Einerseits betonen beide Seiten, dass ein Dialog möglich sei. Andererseits können die Vorstellungen von den Bedingungen nicht unterschiedlicher sein. Kein Wunder, schließlich gehen sie bereits 62 Jahre lang getrennte Wege.

Seit dem Ende des Korea-Kriegs von 1950 bis 1953 hat sich Nordkorea zu einer atomaren Gefahr entwickelt. Schätzungen zufolge könnte das Land bis zu zehn der weltweit etwa 16.300 atomaren Sprengköpfe besitzen. Laut einem Bericht des Pflugscharfonds über das globale Atomwaffenarsenal verfügen Russland über rund 8.000 und die USA über 7.300 Kernwaffen.

Südkorea ist dagegen zum wirtschaftlich erfolgreichsten Staat der Erde aufgestiegen. In einer landesweit ausgestrahlten Rundfunksendung stellte Präsidentin Park Geun Hye ihre Vorstellung von einer Wiedervereinigung vor. Diese wäre nicht nur für die gesamte koreanische Halbinsel, sondern auch für die ganze Welt das große Los ('daebak'), erklärte sie.

Seit Park 2013 an die Spitze der konservativen Regierungspartei trat, spricht sie von einer möglichen Wiedervereinigung Koreas, die die Welt verändern würde. In dem Fall wäre die vom Norden ausgehende nukleare Gefahr gebannt, sagte sie. Ein vereinigter Staat könnte wirtschaftlich noch stärker werden, wenn sich die ökonomische und kulturelle Macht des Südens mit den Rohstoffen und der Disziplin des Nordens verbinde.


Streitthema Atomwaffen

Der Abbau der Atomwaffenarsenale gilt als Voraussetzung für 'daebak'. Auf einem Treffen mit ranghohen südkoreanischen Staatsbeamten erklärte Park am 9. Februar, dass "Nordkorea die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen um nukleare Abrüstung unter Beweis stellen muss, will es seine derzeitigen Wirtschaftspläne erfolgreich weiterführen. Ganz gleich wie gut die Programme auch sein mögen, mit denen wir Nordkorea helfen könnten - wir sind nicht in der Lage, sie durchzuführen, solange Nordkorea sein Atompotenzial als Druckmittel einsetzt, um politisch zu überleben."

Doch nach Ansicht politscher Beobachter gibt es für Pjöngjang keinen Grund für die Aufgabe seiner Atomwaffen. Diese seien schließlich die einzige Trumpfkarte des Landes im Kampf um das eigene politische Überleben, so Moon Sung Muk vom Koreanischen Strategieinstitut KRIS. Eine Trumpfkarte, die Nordkorea in jüngster Zeit des Öfteren ausgespielt hat. So führte das Land ungeachtet von US-Sanktionen zur Trockenlegung des nordkoreanischen Waffenhandels eine Reihe von Raketenabschüssen und drei Atomtests durch.

Angesichts der neuen Spannungen zwischen Washington und Pjöngjang werden die Aktivitäten des Fünf-Megawatt-Atomreaktors Yongbyon genau überwacht, um festzustellen, ob der Norden ihn wieder in Betrieb nehmen wird. In Yongbyon wird Uran für Atombomben produziert.

Unter der konservativen Regierung Südkoreas, die 2008 die Amtsgeschäfte übernahm, wurden die offiziellen Nahrungs- und Düngemittellieferungen nach Nordkorea ausgesetzt. Während der Zeit der liberalen Regierung in den Jahren 2004 bis 2007 war Seoul der größte Geber für Lebensmittel und Dünger gewesen.

Anfang Januar sorgte der junge nordkoreanische Staatschef Kim Jong Un für eine Überraschung, als er in seiner vom Fernsehen übertragenen Neujahrsansprache erklärte: "Der Norden und der Süden sollten nicht Zeit und Mühe darauf verschwenden, bedeutungslose Streitigkeiten zu klären und belanglose Probleme zu lösen. Stattdessen sollten wir beide die Geschichte der beiden Staaten Korea neu schreiben. Es sollte einen Dialog zwischen beiden Seiten geben, so dass wir wieder neue Verbindungen knüpfen und bahnbrechende Veränderungen in die Wege leiten können."

Der nordkoreanische Staatschef ging sogar soweit, ein "Treffen auf höchster Ebene" mit der Präsidentin von Südkorea vorzuschlagen. "Wenn der Süden in der Lage ist, die Beziehungen zwischen beiden Staaten auf dem Weg des Dialogs zu verbessern, können wir wieder hochrangige Kontakte aufnehmen. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, spricht nichts dagegen, ein Treffen auf höchster Ebene abzuhalten."


Zurückhaltung in Seoul

In Südkorea sieht man die Geste der Annäherung pragmatisch. "Bei einem Dialog mit dem Süden will Nordkorea nicht über Atomwaffen oder Menschenrechte sprechen, sondern erreichen, dass der Süden die Wirtschaftshilfe wieder aufnimmt", sagte Lee Yun Gol, Direktor des staatlichen Nordkoreanischen Strategischen Informationszentrums (NKSIS).

Auch die Regierung in Seoul äußerte sich zurückhaltend über den Vorstoß von Pjöngjang. "Wir haben wenig Hoffnung auf eine baldige Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden koreanischen Staaten. Dennoch arbeiten wir weiter an den Vorbereitungen für die Umsetzung der 'daebak'-Vision", versicherte Ryu Gil Jae, südkoreanischer Minister für Wiedervereinigung, am 4. Februar vor der Presse.

Nach Aussagen politischer Beobachter in Nordkorea haben die Wirtschaftsprobleme die Führung des Landes bewogen, die strenge staatliche Kontrolle über den privaten Landbesitz zu lockern. Nordkoreanische Bauern dürfen inzwischen einige ihrer Erzeugnisse landesweit auf Märkten verkaufen. Dies sei als Übergang zu privatisierten Märkten gedacht.

Laut der chinesischen Fachpublikation 'Segye Jisik', aus der die südkoreanische Nachrichtenagentur 'Yonhap News' zitierte, hat sich die nordkoreanische Wirtschaftsleistung seit der Amtseinführung des neuen Staatsoberhauptes 2012 verbessert. Die Lücke bei der Lebensmittelversorgung der etwa 20 Millionen Einwohner des Landes hat sich demnach von 1,08 Millionen Tonnen 2011 auf 340.000 Tonnen verringert. Damit werde signalisiert, dass es Nordkorea ökonomisch besser gehe und die Regierung möglicherweise gewillt sei, die Atomkarte bei Verhandlungen mit dem Süden nicht mehr so auszuspielen wie bisher.

Die US-Handelssanktionen sollen Nordkorea zum Abbau seiner Atomarsenale bewegen. Seit dem 2. Januar dieses Jahres sind neue Sanktionen gegen Pjöngjang in Reaktion auf einen Nordkorea zugeschriebenen Cyber-Angriff auf den Konzern 'Sony Pictures Entertainment' in Kraft. Das FBI hält den Angriff für einen Racheakt der nordkoreanischen Führung für den Film 'The Interview'. In dem Streifen geht es um ein fiktives Mordkomplott gegen Kim Jong Un.


Sanktionen politisch wirkungslos

Doch während die Sanktionen die Angst der nordkoreanischen Bevölkerung schüren dürften, nicht genug Nahrungsmittel zu erhalten, lassen sie die Regierung des Landes unbeeindruckt. Stattdessen hat Pjöngjang seinen Handel mit China intensiviert, wie Hong Hyun Ik vom Forschungsinstitut 'Sejong' in Südkorea berichtete.

Die von den Vereinten Nationen dokumentierten Menschenrechtsverstöße könnten Nordkorea allerdings vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen. Doch auch in dieser Angelegenheit zeigte sich der Machthaber Kim Jong Un gelassen. Die Regierung werde nicht in die Knie gehen, versicherte er.

Dennoch könnte sich Südkorea für den nördlichen Bruderstaat als Licht am Ende des Tunnels erweisen, sollten die USA und die UN im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen härter gegen Nordkorea vorgehen. In diesem Fall würde Seoul zu seiner altbewährten zweigleisigen Diplomatie zurückkehren, die den Hardliner USA zufriedenstellt und andererseits die Annäherung an Nordkorea ermöglicht. (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/02/the-two-koreas-between-economic-success-and-nuclear-threat/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2015

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