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ASIEN/968: Obama zum Staatsbesuch in Vietnam (Gerhard Feldbauer)


Obama zum Staatsbesuch in Vietnam

Wahl neuer Nationalversammlung demonstrierte Volksdemokratie

von Gerhard Feldbauer, 24. Mai 2016


Barack Obama begann am Montag einen dreitägigen Staatsbesuch in der Sozialistischen Republik Vietnam. Zu seiner Begleitung gehören Außenminister John Kerry, die Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice und sein Handelsbeauftragter im Kabinettsrang Michael Froman. Seit die früheren Gegner im Vietnamkrieg der USA 1995 mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen einen Schlussstrich zogen, ist es der dritte Besuch eines US-Präsidenten in Vietnam. Im Juli 2015 hatte mit Nguyen Phu Trong erstmals ein Generalsekretär der Kommunistischen Partei offiziell die USA besucht. Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte Obama aufgerufen, in Hanoi freie Wahlen zu fordern. Zwar sprach Obama auf der internationalen Pressekonferenz in Hanoi allgemein die Menschenrechte wie Meinungs- und Religionsfreiheit an, verzichtete aber darauf, das Thema vorzubringen. Das ist sicher vor dem Hintergrund zu sehen, dass am Sonntag in Vietnam eine neue Nationalversammlung gewählt wurde, die im Vergleich mit dem Kampf um die Präsidentschaftskandidatur in den USA, zu der der erzreaktionäre Multimilliardär Trump als ein Vertreter der beiden Parteien des Großkapitals antritt, ein Beispiel lebendiger Volksdemokratie bot. Wie die Parteizeitung Nhan Dan berichtete, haben rund 69 Millionen Wahlberechtigte der 95 Millionen Einwohner aus 870 Bewerbern die 500 Mitglieder der 14. Nationalversammlung gewählt. Die Kandidaten aus allen gesellschaftlichen Bereichen hatten sich in den 58 Provinzen in den Wahlkreisen der Städte und Gemeinden aber auch in Betrieben den Fragen gestellt und erläutert, wie sie zur Erfüllung des neuen Fünfjahrplanes der Wirtschaft und gesellschaftlichen Entwicklung mit Hilfe ihrer Wähler beitragen wollen. Gleichzeitig wurden in den Provinzen, Städen und Gemeinden die Volksräte neu gewählt.

Die Nationalversammlung blickt auf eine 70jährige Geschichte zurück. Nachdem sich am 2. September 1945 nach dem Sieg der Augustrevolution die Demokratische Republik Vietnam konstituiert hatte, wurde sie am 6. Januar 1946 erstmals gewählt. Die legendäre Viet Minh belegt 230 der 300 Sitze. Am 2. März wurde Ho chi Minh zum Präsidenten gewählt. Während des achtjährigen Widerstandes gegen den erneuten Kolonialen Überfall Frankreichs fasste sie so bedeutsame Beschlüsse, wie den Widerstand bis zum Sieg, die Enteignung des Landes der Feudalherren und Großgrundbesitzer und nach dem Sieg bei Dien Bien Phu 1954 den Übergang zum Aufbau des Sozialismus. Sie mobilisierte das Volks zur Abwehr der folgenden USA-Aggression, die im April 1975 mit der Befreiung des Südens endete. Die am 25. April 1976 gewählte gesamtvietnamesische Nationalversammlung entschied sich für den Weg zum Sozialismus und die Staatsbezeichnung Sozialistische Republik Vietnam (SRV) mit der Hauptstadt Hanoi.

Obama traf am Montag als erstes mit Staatspräsident Tran dai Quang, danach mit der Präsidentin der neuen Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan, und mit Premierminister Nguyen Xuan Phuc zusammen und stattete Generalsekretär Nguyen Phu Trong einen Höflichkeitsbesuch ab. Als Themen der bilateralen Gespräche nannte Radio Voice of Vietnam die weitere Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel, der Bildung, regionale Sicherheitsfragen, Seeverkehr und Katastrophenhilfe. Auf Veranstaltungen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt wird Obama über das umstrittene Transpazifische Wirtschaftspartnerschaftsabkommens (TPP) sprechen.

Aus einer Pressemitteilung der Nachrichtenagentur Vietnam News Agenys (VNA) ging hervor, dass die in jüngster Zeit verschärfte Lage im südchinesischen Meer und der Konflikt um die Parcel- und Spratley-Inseln von beiden Präsidenten erörtert wurden. In diesen Kontext dürfte fallen, dass Obama auf der internationalen Pressekonferenz im International Convention Center in Hanoi die Beendigung des Waffenembargos gegen Vietnam bekannt gab. Die Maßnahme habe nichts mit chinesischen Aktivitäten im Südchinesischen Meer zu tun, fügte er hinzu. Es wird jetzt damit gerechnet, dass Vietnam, dessen gesamte Militärtechnik zu etwa 80 Prozent noch aus sowjetischer und russischer Produktion stammt, seine Importe diversifizieren und modernste konventionelle Waffen aus den USA beziehen könnte. Washington möchte dafür Cam Ranh im südchinesischen Meer für seine Kriegsschiffe nutzen. Der Tiefseehafen war nach der USA-Niederlage 1975 eine Basis der sowjetischen, später bis 2002 der russischen Pazifikflotte.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2016

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