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ASIEN/969: Obama hat dreitägigen Staatsbesuch in Vietnam beendet (Gerhard Feldbauer)


Obama hat dreitägigen Staatsbesuch in Vietnam beendet

Abkommen über Zusammenarbeit können Unterschiedliche Ziele nicht verdecken

Washington verfolgt Einkreisung Chinas, Hanoi eigene Stärkung

Von Gerhard Feldbauer, 26. Mai 2016


Barack Obama hat am Mittwoch seinen dreitägigen Staatsbesuch in der Sozialistischen Republik Vietnam beendet und ist nach Japan zum G7-Gipfel weiter geflogen. Der US-Präsident traf mit seinem vietnamesischen Kollegen Tran dai Quang, KPV-Generalsekretär Nguyen phu Trong, Premierminister Nguyen xuan Phuc und der Präsidentin der gerade neu gewählten Nationalversammlung Nguyen thi Kim Ngan zusammen. Im Mittelpunkt standen, wie die Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA) berichtete, die weitere bilaterale Zusammenarbeit in Ökonomie und Handel, Wissenschaft und Technologie, Bildung und Umweltschutz, Verkehrsverbindungen und regionalen Sicherheitsfragen. Das Volumen des Außenhandels, das 2015 etwa 46 Mrd. Dollar betrug, soll rasch ausgebaut werden. Ein großes Potenzial bestehe bei Investitionen, wo Unternehmen der USA von ihrem 7. Platz schnell vorrücken wollen. Obama gab die Aufhebung des Waffenembargos bekannt, was Vietnam als "Ausdruck der Normalisierung der bilateralen Beziehungen hoch schätze". Er beteuerte, die Maßnahme habe "nichts mit den chinesischen Aktivitäten im Südchinesischen Meer zu tun".

Es wurden Abkommen in Wirtschaft und Handel, der Bildung, dem Gesundheitswesen und der Anwendung der Gesetze geschlossen. Beide Präsidenten unterzeichneten persönlich einen Vertrag zwischen der US-amerikanischen Rüstungsschmiede Boeing und der Hanoier Fluggesellschaft AirVietJet über den Kauf von 100 zivilen Boeing 737 für 11,3 Mrd. Dollar.

Obama sagte Hilfe bei der Entgiftung der Flugplätze von Bien Hoa und Da Nang zu, den einst größten Luftwaffenbasen der USA. Sich mit Opfern des Einsatzes des Giftes Agent Orange zu treffen, zu denen 41 Jahre nach dem Ende des Krieges noch in der dritten Generation Zehntausende mit furchtbaren Mißbildungen geborene Kinder gehören, lehnte er, wie der Schweizer Fernsehsender SRF 10vor10 berichtete, ab. Er fand auch keine Worte der Entschuldigung oder wenigstens des Bedauerns über das unsägliche Leid, das mit dem von den USA entfesselten Aggressionskrieg über das vietnamesische Volk gebracht wurde.

VNA berichtete, dass beide Präsidenten als Basis der weiteren künftigen Zusammenarbeit, den "Respekt der Unabhängigkeit, der Souveränität, der territorialen Integrität und der politischen Institutionen" der anderen Seite betrachten. Auf dieser Basis soll auch das Transpazifische Wirtschaftspartnerschaftsakommen TPP bald ratifiziert werden. Es dürfte höchst fragwürdig sein, ob eine damit eingeschlossene Anerkennung des Einparteiensystem und der führenden Rolle der Kommunistischen Partei von Obama ehrlich gemeint ist. Traf er sich doch während des Besuchs mit Dissidenten, die gerade das in Frage stellen und ermunterte sie, mit ihren Forderungen nach "freier Meinungsäußerung" fortzufahren. An seine Gastgeber gerichtet erklärte er, wie dpa berichtete, Vietnam habe Meinungs- und Versammlungsfreiheit und das Recht auf Demonstrationen in seiner eigenen Verfassung verankert. "Wir, die Regierungen, müssen diese Prinzipien auch anwenden", verlangte er. Peinlich für Obama war, dass am Sonntag im Wahlkampf in den USA bei einem Forum der Linken im John Jay College Manhattan mit 4.500 Menschen der Vertreter der "Black lives matters"-Bewegung Nnamdi Lumumba die Missachtung elementarster Menschenrechte für Millionen Bürger in den USA geißelte und die regierende Demokratische Partei des Präsidenten als "Partei der Sklavenbesitzer" anprangerte.

Laut VNA werde nach Fall des Waffenembargos aus Sicht der USA auch eine militärische Kooperation möglich. Beide Staaten unterstützten eine regionale Ordnung, in der im von Vietnam "Ostmeer" genannten Südchinesischen Meer entsprechend dem internationalen Recht die Freiheit der Schifffahrt, des Luftverkehrs und somit auch des Handels gewährleistet sein müsse. Darüber, ob Hanoi - wie vor dem Obama-Besuch spekuliert worden war - US-Kriegsschiffen die Nutzung eines Hafens gewähren wird, wurde nichts bekannt. Vietnamkenner schließen aus, dass dem Pentagon hier ein Stützpunkt überlassen wird, halten aber das Anlaufen und zeitweilige Ankern für möglich.

Angesichts des Vorherrschaftsstrebens der USA in der asiatisch-pazifischen Region und der offen feindseligen Einkreisungspolitik gegenüber China betrachten Beobachter mit Blick für die Realitäten auch viele Verlautbarungen, in denen von Friedenssicherung und Vertrauen, Souveränität und Unabhängigkeit die Rede ist, als fragwürdig. Freunde Vietnams sehen diese Entwicklung mit großer Sorge, setzen aber darauf, dass Hanoi sehr pragmatisch seine Positionen in der Auseinandersetzung mit China im Streit um die Parcel- und Spratley-Inseln stärken will, sich aber nicht in eine militärische Konfrontation gegen die Volksrepublik hineinziehen lassen wird. In diesem Kontext halten sich in Hanoi hartnäckig Gerüchte, dass Präsident Tran dai Quang vor Obamas Besuch den chinesischen Botschafter Hong Xiaoyong zum Gespräch empfangen habe. Damit zusammenhängen könnte auch, dass Peking gelassen reagierte und über die Nachrichtenagentur Xinhua, sogar begrüßte, dass Vietnam seine Beziehungen zu "den Vereinigten Staaten verbessert". Die Warnung, diese Annäherung sollte nicht missbraucht werden, "um die strategischen Interessen eines Drittlandes zu gefährden oder sogar zu schädigen", richtete sich gegen die USA.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2016

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