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EUROPA/747: Wieder Morde unbekannter Täter an kurdischen Linken in der Osttürkei (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 28. Juli 2009

Suche nach den »Todesbrunnen«

Gespenster der Vergangenheit:
Wieder Morde unbekannter Täter an kurdischen Linken in der Osttürkei

Von Nick Brauns


Im Zuge der Ermittlungen gegen Mitglieder der nationalistischen Putschistenorganisation Ergenekon wird seit einigen Monaten in der osttürkischen Provinz Sirnak nach »Todesbrunnen« gesucht. Gemeint sind die Massengräber mit den sterblichen Überresten von Hunderten in den neunziger Jahren von Todesschwadronen ermordeten Zivilisten. Jetzt drohen in Sirnak die Gespenster der Vergangenheit zurückzukehren.

Am Montag wurden zwei Mitglieder der linken kurdischen Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP) beerdigt, die am Wochenende nahe der irakischen Grenze ermordet aufgefunden worden waren. Dorfbewohner hatten der DTP berichtet, daß Unbekannte den Wagen der beiden Männer außerhalb der Kleinstadt Beytussebap gestoppt hatten. Später wurden die Leichen von Necman Ölmez und Ferhat Edis in der Nähe ihres Autos an einem Abhang bei einem Fluß gefunden. Die Körper der beiden 35jährigen wiesen Schußwunden und Folterspuren durch Steinschläge auf.

Der DTP-Vorsitzende Ahmet Türk machte Kräfte des »tiefen Staates« für die Morde verantwortlich - also illegale Strukturen innerhalb des Unterdrückungsapparats. So befinden sich in der Nähe der Fundstelle laut dem kurdischen Fernsehsender Roj TV ein Militärstützpunkt und eine Basis von sogenannten Dorfschützern. Der DTP-Bürgermeister der nahegelegenen Großstadt Cizre, Aydn Budak, vermutet daher, daß solche unter dem Kommando der Militärpolizei stehenden Milizmänner für die Morde verantwortlich sind.

In den kurdischen Provinzen der Türkei gibt es seit den späten 80er Jahren etwa 70000 solcher vom Staat gegen die PKK bewaffnete Dorfschützer, die sich oft aus den Gefolgsmännern der örtlichen Großgrundbesitzer rekrutieren und auf dem geraubten Land vertriebener Bauern leben. Erst im April hatten Dorfschützer in der Provinz Mardin 45 Teilnehmer einer Hochzeitsgesellschaft niedergemetzelt.


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Quelle:
junge Welt vom 28.07.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2009