Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

LATEINAMERIKA/1011: Kolumbien aktuell - Februar 2009 (ask)


Kolumbien-aktuell Nr. 482 vom 27. Februar 2009

Inhalt:
1. Menschenrechte: Gewalt gegen Gewerkschafter und Gewerkschaftsfreiheit
2. Zeugenbericht von Jessica Hoyos, Tochter eines ermordeten Gewerkschafters
3. Chronologie: Januar und Februar 2009


1. Menschenrechte: Erschütternder Bericht über die Gewalt gegen Gewerkschafter und die Gewerkschaftsfreiheit in Kolumbien im US-Kongress


Informationsabteilung der Nationalen Gewerkschaftsschule ENS, Februar 2009

Am 12. Februar 2009 fand eine Sonderanhörung vor dem Ausschuss für Bildung und Arbeit des US-Repräsentantenhauses statt zur Situation in Kolumbien in Bezug auf die Gewalt gegen Gewerkschafter und die Gewerkschaftsfreiheit.

Zuerst sprach Luciano Sanín Vásquez, Direktor der Nationalen Gewerkschaftsschule ENS, einer Institution, die seit langem die Lage der Arbeitsrechte und der Gewalt gegen GewerkschaftlerInnen in Kolumbien beobachtet und auch eine Statistik über die Gewalt gegen die Gewerkschaften führt. Danach sprach Jessica Hoyos Morales, Tochter von Dario Hoyos, einem ermordeten Gewerkschaftsführer. Dann folgte der ehemalige Richter José Emilio Sánchez, welcher für die Prozessführung im Fall des Mordes an Dario Hoyos verantwortlich war.

Nebst den US-Kongressabgeordneten des Ausschusses für Bildung und Arbeit nahmen an der Anhörung auch weitere Persönlichkeiten teil, so auch die kolumbianische Botschafterin in den USA, Frau Carolina Barco, und José Miguel Vivanco, Direktor der Abteilung für Amerika der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.


Ein entmutigendes Panorama

Luciano Sanín präsentierte einen entmutigenden Bericht zum Thema der Gewalt gegen Gewerkschaften und deren Straflosigkeit, wie auch zur Situation der Gewerkschaftsfreiheiten in Kolumbien. Es war eine Zusammenfassung eines 11-seitigen Berichtes, welcher er dem Ausschuss des US-Kongresses übergab.


Zu den wichtigsten Daten, welcher Luciano Sanín erwähnte, gehören folgende:

In den letzten 23 Jahren wurden in Kolumbien 9'911 Gewaltakte gegen GewerkschaftlerInnen registriert, davon 2'694 Morde. Davon fallen 482 Morde in die Regierungszeit von Alvaro Uribe Vélez. Dies bringt Kolumbien einen traurigen Rekord ein: 60% aller weltweiten Morde an GewerkschaftlerInnen konzentrieren sich auf ein einziges Land - Kolumbien. Dabei sind in dieser weltweiten Erhebung auch Länder mit harten Diktaturen eingeschlossen. Im Jahr 2008 wurden in Kolumbien 48 GewerkschaftlerInnen ermordet, zehn mehr als im Jahr 2007.

Der ENS-Direktor nahm auch zur Straflosigkeit Stellung. Von den 2'694 Morden wurden nur in 1'104 Fällen Ermittlungen aufgenommen, d.h. bei 60% aller Morde kam es nicht einmal zu einem Ermittlungsverfahren. Nur in 90 Fällen gab es eine abschliessende Verurteilung, jedoch nur gegen die materiellen Täter, nicht gegen die intellektuellen Drahtzieher. Gingen die Ermittlungen in diesem Rhythmus von Effizienz weiter, so bräuchte es 37 Jahre, um in allen in den letzten 20 Jahren verübten Fällen von Morden gegen GewerkschaftlerInnen ein Urteil zu fällen. Und dies unter der Voraussetzung, dass keine neuen Morde dazu kommen.

"All dies spricht gegen die Behauptung der Regierung, die Gewalt gegen GewerkschaftlerInnen und die Straflosigkeit seien überwunden worden", meinte Luciano Sanín. Er betonte auch, dass sich aufgrund der horrenden Straflosigkeit die Methodik der Ermittlungen geändert und der Realität angepasst werden müsste. "Die Staatsanwaltschaft untersucht Fall für Fall. Dies erlaubt nicht, das gesamte Panorama der Gewalt gegen Gewerkschaften zu sehen und die materiellen und intellektuellen Täter zu ermitteln. Und es führt auch nicht zur Aufdeckung der Gründe und der Nutzniesser dieser Morde", erklärte Sanín.

Zum Thema der gewerkschaftlichen Freiheiten sagte Sanín, die kolumbianische Regierung erfülle die ILO-Standards nicht. Er untermauerte dies mit Daten: Von den 18 Mio. Arbeitenden in Kolumbien haben nur 3 Mio. einen Arbeitsvertrag mit einem Unternehmen. Und nur diesen 3 Mio. ist es rechtlich erlaubt, sich gewerkschaftlich zu organisieren. So schreibt es das kolumbianische Arbeitsrecht vor. Von den 3 Mio. vertraglich angestellter Arbeitenden sind nur eine Million gewerkschaftlich organisiert. Dazu kommen die Hindernisse zur Bildung einer Gewerkschaft: Im Jahr 2007 verweigerte das Ministerium für Sozialen Schutz 253 Gewerkschaften die Registrierung.

Zuletzt kam Sanín auf die so genannten Arbeitskooperativen (Cooperativas de Trabajo Asociado CTA) zu sprechen, welche de facto ein neues Modell der Arbeitsverhältnisse eingeführt haben, das die Empfehlungen der ILO in Bezug auf die Arbeitskooperativen ignoriert. Das Modell der CTA beruht auf prekären Arbeitsverhältnissen und geringen Arbeitskosten, ohne Arbeits- und Gewerkschaftsrechte, was eine unhaltbare Situation ist. Es handelt sich um Pseudokooperativen, welche die Unternehmer und der Staat selber dazu benutzen, um die Arbeit in Kolumbien noch prekärer zu machen und die Bildung von Gewerkschaften zu verhindern.


Bewegender Zeugnisbericht

Danach sprach Jessica Hoyos Morales, Tochter von Jorge Dario Hoyos Franco, einem im Jahr 2001 ermordeten Gewerkschafter. Mindestens ein Polizist war in den Mord verwickelt. Es war ein Bericht, welcher durch seine Offenheit die Zuhörenden tief bewegte.

Jessica sagte über ihren Vater: "Er war ein Träumer, fröhlich, zärtlich und solidarisch, ein Mann, der die soziale Ungerechtigkeit und das Elend geisselte und mit Hingabe und Überzeugung für die Sache der Gewerkschaften eintrat. Er kämpfte nicht um seinen Vorteil, sondern um das Wohl der Arbeitenden." So wurde er im Bereich der Gewerkschaften bekannt und gelangte in die Nationale Organisation des Agrarsektors und in die Leitung der Internationalen Minenarbeiter-Vereinigung.

Jessica machte eine kurze Zusammenfassung des Verlaufs des Prozesses, welcher auf den Mord an ihrem Vater folgte, wie auch über die Anstrengungen der Familie, damit wirklich Gerechtigkeit geübt wird. Im Jahr 2003 wurden die bezahlten Mörder, die materiellen Täter, zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt. Doch damit war die Straflosigkeit nicht beendet, denn eine weitere in das Verbrechen verwickelte Person, der Polizist Monroy, wurde erst im Jahr 2007 zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Doch zu diesem Zeitpunkt lebte der verurteilte Polizist gar nicht mehr: Er war ein Jahr zuvor gestorben, ohne dass dies die Staatsanwaltschaft registriert hatte. Man verurteilte einen Verstorbenen.

Zudem verfolgte die Staatsanwaltschaft bis August 2008 die Hypothese, dass es sich beim Mord an Dario Hoyos um ein Beziehungsdelikt handle und das Verbrechen nichts mit seiner gewerkschaftlichen Aktivität zu tun habe. Erst durch den internationalen Druck änderte die Staatsanwaltschaft schliesslich diese Hypothese.

"Ich habe den materiellen Tätern verziehen", sagte Jessica in ihrem Bericht, "aber es ist notwendig, die intellektuellen Täter zu ermitteln und zu verurteilen." Und sie fügte hinzu: "Die Morde an GewerkschaftlerInnen in Kolumbien sind das Resultat von Regierungspolitiken und in diese Morde sind Mitglieder von Armee und Polizei verwickelt."


Der Bericht des Richters

José Emilio Sánchez war Sonderrichter bis Ende 2007. Im Rahmen seines Amtes war er für die Leitung mehrerer Mordprozesse an GewerkschaftlerInnen verantwortlich, so auch im Fall von Dario Hoyos.

Der Richter äusserte sich sehr kritisch zum kolumbianischen Justizwesen in Bezug auf die Ermittlungen in Fällen von Gewalt gegen Gewerkschaften. Er klagte an, dass eine Konstante in diesen Prozessen die falsche Beurteilung der Fälle und die Fehlleitung der Ermittlungen seien, was darauf abziele, die Verurteilung der intellektuellen Täter zu verhindern.

Dann nahm er Bezug auf den Mord an Dario Hoyos, aufgrund dessen er und seine Familie Todesdrohungen erhalten hatten. Er meinte: "Durch die Verurteilung des Polizisten Monroy, der ein Jahr zuvor gestorben war, ohne dass die Staatsanwaltschaft dies auch nur bemerkte, wurden wichtige materielle und menschliche Mittel verschwendet, die für die Lösung anderer Fälle hätten eingesetzt werden können."

Er erwähnte auch andere Fälle, in denen er als Richter amtierte, so im Fall von vier Militärs, den materiellen Tätern der Ermordung von drei Gewerkschaftern im Departement Arauca. Auch hier blieben andere Offiziere der Befehlskette von den Ermittlungen ausgeschlossen und wurden niemals zu ihrer Verantwortlichkeit befragt, so z.B. Oberst Luis Fernando Medina und zwei Hauptleute, die von der Aufsichtsbehörde ihres Amtes enthoben und für 20 Jahre von der Ausübung öffentlicher Ämter ausgeschlossen wurden. José Sánchez erwähnte auch den Fall von zwei weiteren materiellen Tätern beim Mord an Luciano Romero und weiteren Gewerkschaftern von Nestlé-Cicolac, welche zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wurden.

Schliesslich sprach der Richter über den Fall von Juan Carlos Ramírez, einem Gefängniswärter, welcher vor den Augen seiner Frau von Mitgliedern der paramilitärischen AUC ermordet wurde. In diesem Fall ermittelte die Staatsanwaltschaft nicht gegen die intellektuellen Täter und archivierte den Prozess gegen einen Unteroffizier, welcher klar in den Mord verwickelt war.

"Ich bin hier und mache diese Erklärung, denn es schmerzt mich, was den Gewerkschaften in Kolumbien und diesen mutigen Personen widerfährt, die für eine gerechte Sache einstehen", schloss der Richter Sánchez.


Schlussfolgerungen

Nach den Reden der drei Kolumbianer sprachen mehrere US-Kongressabgeordnete, wobei sie auf die Anklagen und das allgemeine gewerkschaftsfeindliche Klima in Kolumbien eingingen.

Zum Abschluss hielt George Miller, Koordinator dieses Ausschusses des US-Kongresses, welcher die Anhörung einberufen hatte, drei Aspekte fest: 1. Kolumbien muss das Justizwesen stärken, um auch die Aburteilung der intellektuellen und nicht nur der materiellen Täter zu sichern; 2. Die kolumbianische Regierung muss Massnahmen treffen, um die minimalen Standards für den Schutz der Arbeitsrechte und der Gewerkschaftsfreiheit zu garantieren und 3. Der US-Ausschuss hat 40 Tage Zeit, um noch mehr Informationen über die Arbeits- und Gewerkschaftssituation in Kolumbien einzuholen. Der Bericht des Ausschusses wird dem US-Kongress im Rahmen der Verhandlungen über das bilaterale Freihandelsabkommen TLC zwischen den USA und Kolumbien unterbreitet werden.


*


2. Zeugenbericht von Jessica Hoyos, Tochter eines ermordeten Gewerkschafters


"Ich bin Jessica Hoyos Morales, Tochter von Jorge Dario Hoyos Franco, einem der 2'694 straflos in Kolumbien ermordeten Gewerkschaftler.

Bis vor acht Jahren lebte ich zusammen mit meiner Mutter, meiner Schwester und meinem Vater in Fusagasugá. Der Vater war ein Träumer, engagiert für die Gerechtigkeit. Ihn schmerzte die Unterdrückung und das Elend, weshalb er sich schon sehr jung für das Engagement in den Gewerkschaften entschied. Er begann in Landarbeitergewerkschaften und später arbeitete er in der Internationalen Vereinigung der Minenarbeiter.

In unserem Ort entwickelte mein Vater eine breite gewerkschaftliche Tätigkeit, arbeitete mit Studenten- und Frauenorganisationen zusammen und unterstützte sie bei der Einforderung ihrer Rechte. Durch diese Arbeit kam er zu Anerkennung und gewann sich die Zuneigung der Leute. Mein Vater war ein fröhlicher, grosszügiger Mensch, der uns seine Zärtlichkeit, seine Liebe und seine Solidarität mit den Menschen lehrte. Er lehrte mich auch die menschliche Verantwortung, gegen die Ungerechtigkeit zu kämpfen.

Von klein auf war ich Zeugin von Hausdurchsuchungen durch die Sicherheitskräfte und von Drohungen gegen meinen Vater. Wir bekamen Telefonanrufe mit Drohungen, Einladungen zur Beerdigung meines Vaters, Grabkränze und waren Ziel von Verfolgung. So lernte ich, dass die gewerkschaftliche Tätigkeit in Kolumbien gefährlich ist, und dass denken und protestieren das Leben in Gefahr bringt.

Trotzdem waren wir glücklich. Bis zur Nacht des 3. März 2001, als zwei gedungene Mörder, beide deklarierte Paramilitärs, mehrmals meinem Vater ins Gesicht schossen und ihn ermordeten. Meine Mutter und meine Schwester, die erst 14 Jahre alt war, fanden den Vater auf dem Boden liegend, überall Blut. Sein Lachen war erstorben, seine Träume ausgelöscht, sein Kuss und seine Umarmung für uns für immer vorbei.

Die Mörder erfüllten die Drohungen. Mein Vater erfüllte sein Wort, dass er das soziale Engagement nie aufgeben werde. Dies war der erste Tod meines Vaters, des Gewerkschaftsführers. Doch dann versuchten die Mörder ihn ein zweites Mal - jetzt definitiv - zu töten. In Kolumbien versuchen sie uns das Vergessen und die Straflosigkeit auf zu zwingen.

Bereits am Tag der Beerdigung nahm die Tragödie ein anderes Gesicht an. Es begannen die Drohungen, Feindseligkeiten, Verfolgungen gegen uns, damit wir keine Anklage einreichen und keine Ermittlung einfordern sollten. Die wirklichen Verantwortlichen sollten nicht ermittelt werden. So wurden wir zu Vertriebenen und mussten uns in Bogotá verstecken. Aber auch dort wurden wir immer wieder entdeckt, so dass wir fünf Mal den Wohnort wechseln mussten.

Wie bei den anderen 2'694 Morden an GewerkschaftlerInnen, tauchte die Straflosigkeit schon in der selben Nacht des schrecklichen Verbrechens auf. Die materiellen Täter, zwei jugendliche Auftragsmörder, wurden verhaftet. Sofort nach ihrer Verhaftung besuchte sie ein Polizist, welcher ihnen einschärfte, was sie bei der Einvernahme sagen sollten. Die von den Behörden verfolgte Hypothese war, dass es sich um ein Beziehungsdelikt handle, weil mein Vater eine Beziehung mit der Frau eines anderen Mannes habe. Es ist eine typische Erklärung der kolumbianischen Behörden, um die Wahrheit zu verschleiern.

Treu dem Gedenken an meinen Vater und seines Kampfes für Wahrheit und Gerechtigkeit, begann ich mit 17 Jahren den gleichen Kampf wie Tausende von Jugendlichen, Witwen, Eltern und Geschwister auf der Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Rechte der Opfer, die in Kolumbien verweigert werden. Daher gab ich eine Vollmacht an das Anwaltskollektiv José Alvear Restrepo, mich als Zivilklägerin im Prozess zu vertreten.

Im Jahr 2003 wurden die beiden bezahlten Mörder zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt wegen vorsätzlichem Mord an einer geschützten Person, da mein Vater Gewerkschafter war. Doch diese Verurteilung bedeutete nicht das Ende der Straflosigkeit. Die Suche nach den Auftraggebern führte bloss zur Aufnahme von Ermittlungen gegen den Polizei-Unteroffizier Monroy. Dieser wurde nach dem Verbrechen - als weiterer Mechanismus der Straflosigkeit - rückwirkend auf Februar 2001 entlassen. So wurde versucht zu zeigen, dass er am 3. März 2001, als das Verbrechen verübt wurde, bereits nicht mehr diensttuender Polizist war. Im Strafprozess konnte jedoch aufgezeigt werden, dass der Mord an meinem Vater seit Dezember 2000 geplant worden war.

Der Polizist Monroy war stets flüchtig. Er wurde nie verhaftet. Im August 2007 wurde er zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wegen Mordes am Gewerkschafter Jorge Dario Hoyos Franco. Dieses Urteil wurde vom kolumbianischen Staat als grosser Erfolg der Justiz publiziert. Wer weiss, vielleicht hätte es ja ein Erfolg sein können, doch im Dezember 2008 entdeckte ich durch eine einfache Anfrage an die nationale Einwohnerbehörde, dass Monroy am 3. Mai 2006 gestorben war. Das heisst, man hatte einen Verstorbenen verurteilt, der nach wie vor von der Staatsanwaltschaft gesucht wird.

Trotz der beiden Verurteilungen, in denen die kolumbianischen Richter klar urteilten, dass mein Vater aufgrund seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit ermordet wurde, hielt die Staatsanwaltschaft bis 2008 an der Hypothese eines Beziehungsdeliktes fest, um so die Wahrheit zu verdecken. Internationaler Druck war notwendig, damit auch die Staatsanwaltschaft anerkannte, dass mein Vater wegen seines gewerkschaftlichen Engagements getötet worden war.

Ich habe den materiellen Tätern verziehen, doch fordern wir die Ermittlung der intellektuellen Täter. Die Morde an Gewerkschaftern sind in Kolumbien die Folge einer systematischen Politik des Staates. Wir wissen, dass es Beweise über weitere Verantwortliche gibt, welche den Tod meines Vaters geplant haben, darunter auch Mitglieder der Armee. Das Ermittlungsverfahren ist noch offen, doch werden die geforderten Beweise nicht eingeholt, ebenso wenig sind weitere Verantwortliche in das Verfahren einbezogen worden.

Immer noch suche ich zusammen mit den Söhnen und Töchtern für die Erinnerung und gegen die Straflosigkeit die Wahrheit auf diesem Weg gegen das Vergessen. In dieser Bewegung sind die Kinder jener Eltern vereint, welche Träume der Gerechtigkeit und Gleichheit hatten."


*


3. Chronologie: Januar und Februar 2009


31. Dezember 2008 / 1. Januar 2009
Mitten im Neujahrsfest explodiert eine Granate in Atanquez. 6 Kankuamos werden getötet und über 100 verletzt. Wer hinter dem Attentat steht, ist unklar.

29. Januar 2009
Über 630 Embera kampieren ausserhalb der illegalen Exploration von Muriel Mining Corporation am heiligen Berg Cara de Perro. Widerrechtlich führt die Firma unter Armeeschutz Explorationsarbeiten durch. Die Regierung hat insgesamt über 16'000 ha Land für 30 Jahre an die Firma in Konzession gegeben, welche verlängerbar ist und wovon 11'000 Hektaren im Resguardo der Embera sind.

1. Februar 2009
Die FARC lassen wie angekündigt 4 Geiseln - drei Polizisten und einen Soldaten - unilateral frei. Sie werden in einem brasilianischen Helikopter unter Begleitung des IKRK, Piedad Cordoba und den Journalisten Daniel Samper und Jorge Botero freigelassen und nach Villavicencio geflogen. Die Freilassungen wurden durch die Vermittlung von Colombianos por la Paz möglich.

3. Februar 2009
Alan Jara, ehemaliger Gouverneur des Dep. Meta, wird nach mehr als 7 Jahren Geiselhaft von der FARC freigelassen. Auf dem Flughafen in Villavicencio nehmen ihn seine Frau und sein Sohn in Empfang. Jara war am 15. Juli 2001 entführt worden. Auch diese Freilassung erfolgte unilateral durch die FARC und wurde von Colombianos por la Paz vermittelt.

5. Februar 2009
Als letzte der angekündigten Freilassungen wird an der Pazifikküste im Dep. Cauca der ehemalige Departementsabgeordnete Sigifredo López von der FARC freigelassen. Damit hat die FARC ihr bereits im Dezember 2008 gemachtes Versprechen, sechs ihrer Geiseln unilateral und bedingungslos freizulassen, erfüllt. Lopez war seit 2002 in Geiselhaft und ist der einzige Überlebende der 12 entführten Departementsabgeordneten des Dep. Valle del Cauca. Im Juni 2007 waren unter unklaren Umständen 11 der entführten Abgeordneten ermordet worden. Der Bestattungsort ihrer Leichen wurde erst nach langem Tauziehen von der FARC einer Kommission mitgeteilt.

11. Februar 2009
Es wird bekannt, dass die FARC mindestens 17 Awá ermordet haben, die sie der Zusammenarbeit mit der Armee beschuldigten. Die Armee hatte im Rahmen einer Offensive in den Häusern der Awá kampiert und diese zu Informationen gezwungen.

12. Februar 2009
ONIC und UNIPA klagen die Ermordung von weiteren 10 Awá an, welche auf ihrer Flucht vor den Kämpfen umgebracht wurden. Die Täterschaft ist nicht bekannt.

17. Februar 2009
In einer Mitteilung vom 11. Februar, welche am 17. Februar verbreitet wurde, übernehmen die FARC die Verantwortung für die Ermordung von 8 Indigenas, welchen sie vorwarfen, Spitzel der Armee und für den Tod vieler Guerilleros verantwortlich zu sein.

Zusammenstellung der Chronologie: Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask


*


Quelle:
Kolumbien-aktuell Nr. 482, 27.02.2009
Herausgeber: Bruno Rütsche, ask Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien
Fachstelle Frieden und Menschenrechte
Postfach 7004, CH-6000 Luzern 7 / Schweiz
Tel. / Fax 0041 41 210 64 68
E-Mail: fachstelle.luzern@askonline.ch
Internet: www.askonline.ch - www.agrotreibstoffe.ch


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2009