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LATEINAMERIKA/1210: Kolumbien Monatsbericht - Dezember 2010 (ask)


Kolumbien Monatsbericht - Dezember 2010

Auch für das Z'nüni vertrieben -
Bezieht auch ein Schweizer Supermarkt Palmöl von Daabon?

Interview der ask! mit Kenan Smaili


Kenan Smaili ist Maturand am Gymnasium Thun-Schadau. Der 18-Jährige ist - in doppelter Hinsicht - jüngstes Aktivmitglied der Regiogruppe Bern. In seiner Maturaarbeit hat er sich dem "Fall Las Pavas" gewidmet. Die Ergebnisse der Arbeit sind beachtlich: Durch beharrliches Nachfragen fand Kenan heraus, dass Daabon sehr wahrscheinlich sein Palmöl auch an einen Schweizer Supermarkt vertreibt. Dieser Monatsbericht soll Kenan und seine mutige Arbeit vorstellen.


ask: Kenan, du bist 18 Jahre alt und für deine Maturaarbeit hast du den Fall Las Pavas näher untersucht. Wie bist du auf dieses Thema gekommen?

K.: Ich habe schon relativ früh begonnen, mich für die Politik und das Weltgeschehen zu interessieren. Ich bin ebenso kritisch wie idealistisch. Dementsprechend war klar für mich, mit meiner Maturaarbeit die Welt ein kleines Stück "besser" machen zu wollen. So kam es dazu, dass ich mich im Dokumentationszentrum der Alliance Sud in Bern nach einem geeigneten Thema umsah. Zwischen all den Artikeln erweckte besonders ein Besorgnis erregender Prozess meine Aufmerksamkeit: land grabbing. Private Investoren kaufen oder pachten in Entwicklungsländern riesige Ackerflächen zu Spottpreisen. Die so günstig produzierten Nahrungsmittel werden dann äusserst rentabel im Exportgeschäft verkauft. Dass dabei die einheimische Bevölkerung extrem häufig um ihre Landrechte gebracht wird und Kleinbauern ihre Existenzgrundlage verlieren, erschien mir äusserst ungerecht. Daraufhin beschloss ich, mit meiner Arbeit auf die Problematik des Landraubes aufmerksam zu machen, schliesslich sind wir als Konsumenten - bewusst oder unbewusst - Akteure in diesem unfairen Spiel!

Bei weiteren Recherchen im Internet stiess ich auf eine Fernsehreportage von Report Mainz und Rettet den Regenwald, in der über den Daabon-Konzern und die Vorfälle in Las Pavas berichtet wurde. Es wurde gezeigt, dass im Sommer 2009 vom Räumungskommando einer Sondereinheit der Polizei, ESMAD, 123 Kleinbauernfamilien gewaltsam von ihren Ländereien vertrieben wurden. Die Tochterfirma von Daabon, C.I. Tequendama, wollte dort Ölpalmen kultivieren. Ebenso wurde in der Reportage darauf verwiesen, dass auch grosse deutsche Biofirmen von dem Vorfall betroffen seien, da sie zu den Abnehmern des zertifizierten Palmöls von Daabon gehören. Das Palmöl wird also in unserem Nachbarland anscheinend sehr erfolgreich vertrieben. Ich stutzte - kommt wohl auch dieses Palmöl zu uns in die Schweiz? Kaufe vielleicht sogar ich in gutem Glauben Bioprodukte mit Daabon-Öl und unterstütze indirekt diese Vertreibung? Diesen Fragen wollte ich nachgehen.

ask: Das ist ein hohes Ziel. Deine Arbeit ist ungewöhnlich und zeigt viel Eigeninitiative. Aus unserer Sicht hast du Beeindruckendes geleistet! Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?

K.: Als ich mit meinen Kollegen anfangs über das Thema land grabbing sprach, konnte sich niemand so richtig etwas darunter vorstellen. So nickten sie zwar alle ganz freundlich, doch wirklich an einen Erfolg glaubten sie damals wohl noch nicht. Nachdem meine Arbeit aber Form angenommen hatte, erfuhr ich vor allem Erstaunen und Bewunderung, das hat mich sehr gefreut. Anders war es bei meiner Familie, alle haben mich schon von Anfang an unterstützt und sind immer hinter mir gestanden, dafür bin ich sehr dankbar.

ask: Die Fragen, die du dir gestellt hast, gehören zu denen, für deren Beantwortung auch grosse NGOs meist lange nachforschen müssen. Teilweise können selbst die Unternehmen nicht genau sagen, woher ihre Rohstoffe ursprünglich kommen. Wie genau bist du dann bei deiner Recherche vorgegangen?

K.: Einerseits habe ich mich für meine Arbeit durch zahlreiche Zeitungsartikel, einige Berichte, Untersuchungen und Bücher über das Thema land grabbing allgemein informiert und schuf mir ein Grundverständnis der Problematik. Wenn man aber so eine konkrete Frage hat wie ich, dann ist es unumgänglich, dass man auch den direkten Kontakt mit unterschiedlichen Organisationen sucht. Ich habe mich zunächst an Rettet den Regenwald, Alliance Sud, Fastenopfer, Brot für alle, die DEZA und Bio Suisse gewandt. In einer weiteren Runde versuchte ich dann auch mit den verschiedenen Firmen wie Florin AG, Nutriswiss, Trawosa, Coop und Migros durch E-Mails und Telefongespräche Kontakt aufzubauen.

ask: Wie haben die Unternehmen auf die kritischen Anfragen eines Maturanden reagiert?

K.: Meine Nachforschungen waren nicht überall gleich gern gesehen: So reagierten zum Beispiel Bio Suisse und Coop von Beginn an sehr freundlich, weitgehend offen und aus meiner Sicht kompetent. Die Antworten der Migros empfand ich als ablehnend und geradezu unhöflich. Die Aussagen würde ich bestenfalls als "ausweichend" bezeichnen. Wieder andere, beispielsweise Nutriswiss, antworteten auch nach mehreren Anfragen überhaupt nicht.

ask: Du hast dir eine Menge Arbeit gemacht und musstest in der Zeit auch einige Frustrationen in Kauf nehmen. Konntest du denn konkret etwas heraus finden?

K.: Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, da meine "Beweise" aus juristischer Sicht vermutlich nicht hieb- und stichfest wären. Ich denke aber, dass die Antworten, die ich bekam, reichen, um eine Menge weiterer Nachfragen anzustossen. Man kann schon sagen, dass es mir schlussendlich gelungen ist, eine Verbindung zwischen Daabon und Coop aufzuzeigen: über Nutriswiss und Florin AG. Daabons Palmöl landet vermutlich in Coop-Waren.

ask: Wie bist du zu diesem Schluss gekommen?

K.: Auf Nachfrage bei Bio Suisse, welche Daabon Organics für den ökologischen Anbau von Palmöl mit der Knospe zertifiziert hatte, wer zu den Schweizer Abnehmern von Palmöl der Firma Daabon gehört, nannte man mir drei Firmen: Trawosa, Nutriswiss und Florin AG. Es sind dies alles Schweizer Firmen, welche sich mit der Verarbeitung oder dem Vertrieb von Palmölprodukten beschäftigen. Danach fragte ich per E-Mail bei den betreffenden Firmen nach der Herkunft des Palmöls und an wen es weiterverkauft werde. Parallel dazu erkundigte ich mich auch bei Coop und Migros nach dem "Palmöllieferanten". Aus den ausführlichen Antworten von Coop auf meine E-Mails wird ersichtlich, dass sie sich von Florin AG und Nutriswiss mit Palmölprodukten beliefern lassen. Das ist auch von Florin AG bestätigt. Coop bekommt also von zwei Firmen das Palmöl, die laut Bio Suisse Abnehmer von Daabon Organics sind, dem Mutterkonzern von C.I. Tequendama. Und die Firma will in Las Pavas eindeutig Monokulturen von Ölpalmen für die Agrotreibstoffproduktion anbauen! Reduziert man die ganzen komplizierten Vernetzungen auf ein einfaches Statement, heisst das, dass der Schweizer Konsument bei Coop wahrscheinlich als "bio" zertifizierte Produkte kauft, obwohl der Lieferant des Palmöls in den Landraub in Las Pavas verwickelt ist - schade!

ask: Die meisten Abnehmer von Daabon beziehen sich genau auf das Argument, dass das zertifizierte Palmöl selber nicht aus Las Pavas stamme. Die Tochterfirma C.I. Tequendama betreibe dort Anbau für herkömmliche Agrotreibstoffe. Wie siehst du das?

K.: Ob die Abnehmer von Daabon Organic nur Palmöl aus Santa Marta einkaufen oder nicht, spielt im Endeffekt für die Kleinbauern aus Las Pavas keine Rolle. Durch den Kauf von Palm-öl des Unternehmens fliesst Geld in die Kassen. Ist das Geld einmal bei Daabon, ist für den Kunden nicht mehr überschaubar, was von wem für welche Projekte verwendet wird. Im Ganzen gesehen ist es ein äusserst undurchsichtiges und meiner Meinung nach auch sehr unsauberes Geschäft. Labels zertifizieren Teile von Unternehmen ohne Rücksicht darauf, dass in anderen Teilen der Firma die Standards nicht eingehalten werden. Das Unternehmen präsentiert sich mit solchen Zertifikaten. Es gaukelt den Kunden etwas vor, denn auf der Website mit den Zertifikaten ist nirgends erwähnt, dass diese nur für Teilprojekte gelten. Es wir also der Anschein erweckt, dass das gesamte Unternehmen nach den Kriterien der Zertifizierung aufgebaut ist, doch leider ist dies nicht immer der Fall - das muss sich ändern!

Was die Herstellung von Agrotreibstoffen betrifft wie C.I Tequendama dies tut, ist meiner Meinung nach nicht weniger verwerflich. Zwar muss nach Lösungen gesucht werden, um den Klimawandel zu stoppen, ob aber Agrotreibstoffe der richtige Weg sind, muss bezweifelt werden. Die Welt zählt über eine Milliarde Hungernde! So sagte Jan Ziegler einst: "Using productive land to produce food that will be burned as biofuel is a crime against humanity.ö

ask: Wie bist du bei deinen Recherchen schliesslich an die ask! gelangt?

K.: Wie ich auf die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien aufmerksam wurde, weiss ich gar nicht mehr genau. Ich meine, dass mir die ask! bei einem der zahlreichen Telefonate mit anderen Organisationen als in diesem Fall kompetenter Ansprechpartner empfohlen wurde. Ich informierte mich daraufhin im Internet und letzten Endes stand ich dann eines Tages mit einer Menge Fragen im Büro in Bern. (lacht) Ihr habt mein Anliegen ernst genommen und alle Fragen beantwortet.

ask: Du hast dich danach entschlossen, bei der ask! aktiv zu werden. Wie bist du darauf gekommen und was hast du seitdem erlebt?

K.: Ich mache mit, weil die ask! die Rechte schwächerer Menschen artikuliert und sich für sie einsetzt. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten, denn ich bin davon überzeugt, dass sich jeder Mensch engagieren kann und das auch tun sollte. In der kurzen Zeit, in der ich nun dabei bin, habe ich viel erlebt. Sehr prägend war für mich der Vortrag zweier Gemeinschaftsvertreter und eines Anwalts aus Kolumbien, welche bei der SUIPPCOL-Kampagne "Land - Basis für Frieden" aus erster Hand von land grabbing berichteten.

ask: Was wünschst du der ask! für die Zukunft?

K: Ich wünsche mir für die ask!, dass sie sich auch weiterhin erfolgreich für die Menschenrechte einsetzt und eine standhafte Organisation bleibt. Ebenso würde ich der ask! wünschen, dass sie noch mehr junge Menschen für ihre Arbeit begeistern kann!

ask: Kenan, vielen Dank für deinen Einsatz und deine Zeit!


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Die Maturaarbeit und was danach geschah

Kenans Ergebnisse machten uns neugierig. Und auch der Hinweis von Reto Sonderegger, Uniterre, er habe auf einem Streifzug durch den Coop festgestellt, dass das Palmöl der Naturaplan Margarine aus Kolumbien stamme, bestätigte den Verdacht: Wer sich diese zum Z'nüni auf den Zopf streicht, unterstützt damit mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit Daabon Organics, verantwortlich für die Vertreibungen in Las Pavas.

Leider waren weder Coop noch Bio Suisse gewillt, sich mit der ask! und der von SUIPPCOL zum Thema Land - Basis für Frieden! geladenen Delegation aus Kolumbien persönlich zu treffen. SUIPPCOL-Koordinator Peter Stirnimann selber fragte bei Coop mehrfach schriftlich und telefonisch an: ohne Reaktion. Auch Bio Suisse sagte kurzfristig den vereinbarten Termin ab. Begründet wurde dies damit, dass ein wichtiger Bericht einer unabhängigen Kommission noch nicht vorliege, deshalb könne man noch nicht Stellung beziehen. Anfangs Dezember veröffentlichte Bio Suisse eine neue Stellungnahme.[1] Den Entscheid über das konkrete weitere Vorgehen und den allfälligen Entzug der Knospe fällte Bio Suisse noch immer nicht.



Aktueller Stand des Falls Las Pavas

Die Meldungen zu den Geschehnissen in Las Pavas sind ebenso komplex wie verwirrend. The Body Shop, Hauptabnehmer von Daabon, kündigte als Konsequenz eines unabhängigen Expertenberichtes, der klar die Rechte der Gemeinschaft betonte und Fehler der Landreformbehörde INCODER hervorhob, die Lieferbeziehungen. Kurz darauf verkündete Daabon, dass sich die Firma Tequendama mit sofortiger Wirkung aus dem Projekt zurück ziehen werde, da die Imageschäden, die NGOs durch böswillige Verbreitung von Unwahrheiten verursachen würden, nicht tragbar seien. Am 10. November veröffentlichten die Kleinbauernorganisation ASOCAB, in der die meisten der Familien aus Las Pavas organisiert sind, sowie das Entwicklungs- und Friedensprogramm des Mittleren Magdalena (PDPMM), FEDEAGROMISBOL, die Sozialpastoral und die Kooperation Sembrar jedoch ein gemeinsames Kommuniqué, in der sie darüber informieren, dass die Arbeiten in Las Pavas ununterbrochen weitergeführt würden. Es hat den Anschein, dass der Rückzug von Daabon mehr zum Schein geschah und der Anteil an der Investitionsgesellschaft El Labrador nur formell abgegeben wurde, um Imageschäden zu vermeiden. Die Gemeinschaft verweist noch einmal auf die immensen Umweltschäden im Territorium und fordert, dass die Rückkehr der Familien garantiert werden solle. Des Weiteren betonen sie, dass ihnen eine schnelle Antwort auf die Notlage gegeben werden solle, da die Nahrungsmittel der Gemeinschaft zur Neige gingen. In der Zwischenzeit haben neue Überschwemmungen, verstärkt durch die Planierungen und Dämme des Konsortiums, wieder einen beträchtlichen Teil der Reis- und Yucaernte zerstört.

Derweil gibt es auch Diskussionen, dass das INCODER im Zuge der neuen Regierungspolitik exemplarische Landrechtsstreits lösen möchte. Der Fall Las Pavas steht in diesem Zusammenhang zur Diskussion. Wenn das INCODER das Verfahren zur Erlöschung des Besitzrechts erneut aufnimmt, kann die Lösung aber Jahre dauern. Die Palmölfirmen schlagen eine freiwillige Einigung vor: Sie wären bereit, 200 Hektaren Land zu geben, auf denen die Bauern aus Las Pavas etwas Nahrungsmittel anbauen könnten. Dies Fläche ist jedoch zu klein für 123 Familien, so dass die Kleinbauern allenfalls doch gezwungen wären, auf den Palmenplantagen zu arbeiten.


Anmerkung [1]: Abrufbar unter:
http://www.bio-suisse.ch/media/Ueberuns/UnsereMeinungzu/d_stellungnahme_palml_kolumbien


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Quelle:
Kolumbien Monatsbericht - Dezember 2010 - No. 12/2010
Herausgeber: ask Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien
Kommunikation und Administration, Gisela Grimm
Neuengasse 8, CH-3011 Bern
Tel +41 31 311 40 20
E-Mail: kommunikation@askonline.ch
Internet: www.askonline.ch


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2011