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LATEINAMERIKA/1315: Kuba - Bohrinsel im Golf von Mexiko erzürnt US-Exilkubaner und Umweltschützer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. November 2011

Kuba: Bohrinsel im Golf von Mexiko erzürnt US-Exilkubaner und Umweltschützer

von Jim Lobe


Washington, 7. November (IPS) - Eine riesige Ölbohrinsel, die im Golf von Mexiko vor der Nordwestküste Kubas zum Einsatz kommen soll, bringt die Regierung von Präsident Barack Obama in wachsende Bedrängnis. In den USA lebende Exilkubaner wollen das von Spanien unterstützte Projekt verhindern, weil sie dadurch Handelsvorteile für die sozialistische Castro-Regierung befürchten.

Ultrarechte Abgeordnete in den USA werfen Obama vor, nicht genug zu unternehmen, um die Förderung zu verhindern. Die 750 Millionen US-Dollar teure Bohrinsel 'Scarabeo', die zunächst von dem spanischen Konzern 'Repsol-YPF' betrieben wird, könnte nach Warnungen der Castro-Gegner auf neue kommerziell verwertbare Ölreserven in den kubanischen Hoheitsgewässern stoßen. Die Förderung soll Anfang nächsten Jahres beginnen.

Andererseits sind auch Umweltgruppen und Kritiker des US-Wirtschaftsembargos gegen Kuba mit den Plänen nicht einverstanden. Unternehmerverbände, die mit Kuba Handel treiben wollen, fordern die US-Regierung auf, Havanna einerseits zu Schutzmaßnahmen gegen ein mögliches Ölleck zu verpflichten. Zudem solle von vornherein sichergestellt werden, dass sich US-Firmen an der Beseitigung eines solchen Schadens beteiligen würden.

Knapp anderthalb Jahre nach dem Leck auf der Ölplattform 'Deepwater Horizon', durch das etwa fünf Millionen Barrel Öl in den Golf von Mexiko strömten, plädieren Umweltschützer dafür, dass Washington eng mit der kubanischen Führung und Repsol zusammenarbeiten sollte. Auch Firmen aus anderen Staaten, die künftig dort Öl fördern würden, sollten einbezogen werden, um die Risiken zu minimieren.


Sechs Milliarden Barrel Öl vermutet

Die Obama-Regierung hat bislang weder die eine noch die andere Seite zufriedengestellt. Nach Schätzungen des 'Geological Service' könnten nur 100 Kilometer von den Floridas Keys entfernt Vorkommen von bis zu sechs Milliarden Barrel Öl erschlossen werden. Andere gehen sogar von einem Vielfachen dieser Menge aus.

Politische Beobachter sind davon überzeugt, dass die Ölfunde die angeschlagene kubanische Wirtschaft beleben, selbst wenn es noch Jahre dauert, bis sie sich kommerziell auszahlen. Bis jetzt ist der Inselstaat abhängig von der Großzügigkeit des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, der dem befreundeten Kuba zwei Drittel des benötigten Erdöls bereitstellt.

"Wir sind äußerst beunruhigt darüber, dass die Regierung offensichtlich keine koordinierten Anstrengungen unternimmt, um einen Staat, der nur 90 Meilen von unserer Küste entfernt den Terrorismus unterstützt, nicht an riskanten Tiefsee-Bohrprojekten zu hindern, die den Interessen der USA schaden und das kubanische Regime wirtschaftlich am Leben halten", beschwerten sich vier aus Kuba stammende US-Kongressabgeordnete in einem Brief an Obama.

Von der Regierung verlangen sie eine Untersuchung darüber, ob die Plattform auch aus Teilen besteht, die unter Umgehung des seit 49 Jahren geltenden Embargos aus den USA bezogen wurden. Fraglich erscheint ihnen auch, ob die US-Regierung ihre eigenen Gesetze bricht, wenn sie Repsol technischen Rat gibt.

"Die Regierung muss Antworten geben und ihren Kurs ändern", forderte die Republikanerin Ileana Ros-Lehtinen, die dem Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses vorsitzt. Im September hatte sie bereits 35 Kollegen davon überzeugt, einen Brief an den Repsol-Chef zu unterschreiben, in dem das Unternehmen zu einem Stopp des Projekts gedrängt wird. Bei den Unterzeichnern handelt es sich zumeist um Parlamentarier aus Florida, dessen Küste bei einem möglichen Ölleck unweigerlich in Mitleidenschaft gezogen würde.

Insbesondere Repsol ist zur Zielscheibe des Zorns der Abgeordneten geworden, weil es als einziges börsennotiertes Unternehmen substanzielle Investitionen in den USA getätigt hat. Repsol gehört einem internationalen Konsortium an, in dem sich unter anderem auch die staatlichen Ölunternehmen von Malaysia, Brasilien, Norwegen und Angola engagieren.

Die spanische Firma hat wiederholt versichert, dass die Bohrinsel den in den USA geltenden Standards entsprechen wird. Ein Team der US-Küstenwache und der Umweltbehörde BSEE haben die Erlaubnis erhalten, Scarabeo zu überprüfen, wenn die Bohrinsel Ende November Trinidad und Tobago erreichen wird.

Washington hat außerdem die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO, eine UN-Sonderorganisation, eingeschaltet, um Beamte der US-Küstenwache mit Vertretern Kubas und anderer karibischer Staaten an einen Tisch zu bekommen. Im Dezember soll über Maßnahmen beraten werden, mit denen gemäß dem internationalen Abkommen OPRC eine Umweltkatastrophe im Ozean zu verhindern wäre.


Plattform auf dem neuesten technischen Stand

Scarabeo gilt immerhin als Konstruktion auf dem allerneuesten Stand der Technik. Die von norwegischen Ingenieuren entworfene Plattform wurde in China gebaut und mit der fortschrittlichsten Technologie aus Singapur ausgestattet. Das Risiko eines größeren Öllecks hat Umweltorganisationen und unabhängigen Experten jedoch keine Ruhe gelassen.

Sie drängen die Obama-Regierung außerdem dazu, US-Dienstleistern im Erdölbereich durch eine allgemeine Lizenz eine Tätigkeit in Kuba zu gestatten. Auf diese Weise könnten sie rasch reagieren, wenn es zu einem Erdölunglück kommen sollte. Im Rahmen des Embargos müssen alle US-Unternehmen einzeln eine Sonderlizenz beantragen. (Ende/IPS/ck/2011)


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http://www.bsee.gov/
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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2011