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LATEINAMERIKA/1426: Kuba - Generationswechsel an der Führungsspitze, Revolutionäre machen Jüngeren Platz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Juli 2013

Kuba: Generationswechsel an der Führungsspitze - Revolutionäre machen Jüngeren Platz

von Ivet González


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Kubas erster Vizepräsident Miguel Díaz Canel beim Festakt zum 60. Jahrestag anlässlich des Angriffs auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 29. Juli (IPS) - (IPS) - An der Regierungsspitze und in der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) vollzieht sich ein Generationswechsel: die Anführer der Kubanischen Revolution ziehen sich allmählich aus der Politik zurück und überlassen Jüngeren das Feld, die das Durchschnittsalter im Parlament bereits auf 48 Jahre gedrückt haben.

"Die Führungsspitze muss den erforderlichen Generationswechsel vollziehen", meint der Politologe Hiram Hernández. Problem sei nur, dass es nur wenige anerkannte Nachrücker gebe. Das sei ein allgemein bekannter Widerspruch.

Auch Staatspräsident Raúl Castro ist sich der Notwendigkeit einer 'Wachablösung' bewusst. Der Übergabeprozess, der allmählich und in geordneten Bahnen vor sich gehen soll, sei bereits angelaufen, erklärte er am 26. Juli in einer Rede zum Nationalen Tag der Revolution in Anwesenheit der lateinamerikanischen Staatspräsidenten Evo Morales (Bolivien), Daniel Ortega (Nicaragua), José Mujica (Uruguay) und Nicolás Maduro (Venezuela) sowie den Premierministern Roosevelt Skerrit (Dominica) und Winston Baldwin Spencer (Antigua und Barbuda).

Am 26. Juli 1953 hatten junge Idealisten unter Führung des Rechtsanwaltes Fidel Castro versucht, die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba und die Carlos-Manuel-Céspedes-Kaserne in Bayamo einzunehmen. Auch wenn das Vorhaben gescheitert ist, gilt es als der Startschuss für die später erfolgreich verlaufene Revolution gegen den damaligen Diktator Fulgencio Batista (1901-1973).


Ruhiger Übergang angekündigt

Der Übergang werde sich ruhig und gelassen vollziehen, versicherte Raúl Castro und fügte hinzu, dass inzwischen mehr als 70 Prozent der Kubaner nach dem Sieg der Revolution am 1. Januar 1959 geboren worden sind.

Deutlich wurde die Verjüngung zuletzt Anfang Juli, als mehrere Politveteranen wie der 76-jährige ehemalige Parlamentspräsident Ricardo Alarcón, der 80-jährige José Miguel Miyar Barruecos und der 78-jährige Orlando Lugo ihren Rückzug aus der Politik bekannt gaben.

Insgesamt sind elf Politiker im Alter von 35 bis 50 Jahren in die Führungsränge der Kommunistischen Partei aufgerückt. Unter ihnen sind Félix González Viego, Vorsitzender der Nationalen Vereinigung der Kleinbauern, Gladys Martínez Verdecia, PCC-Vorsitzende der westkubanischen Provinz Pinar del Río und Rogelio Polanco Fuentes, Botschafter Kubas in Venezuela. Der bisher letzte Neuzugang des Zentralen Komitees ist die 35-jährige Yuniasky Crespo Baquero, derzeit erste Sekretärin der Vereinigung junger Kommunisten.

Die letzten allgemeinen Wahlen im Februar hatten zu einer deutlichen Verjüngung des Parlaments geführt. 14,5 Prozent der Abgeordneten sind zwischen 17 und 35 Jahre alt. Zusammen mit den Vertretern der mittleren Generation ist das Durchschnittsalter der Parlamentarier auf 48 Jahre gesunken.

Dennoch bleibt die Integration der 17- bis 35-Jährigen in das politische Leben eine Herausforderung. "Über Jahrzehnte hinweg hatte man die jungen Menschen lediglich als nützliche Masse zur Annahme der fernab von ihnen getroffenen Entscheidungen betrachtet", meinte der 39-jährige Hernández. "Aus unterschiedlichen Gründen wurden die politischen und institutionellen Mechanismen für die notwendige Verjüngung nicht geschaffen." Hernández führt das "systemische Defizit" zum Teil auf die Probleme zurück, mit denen der karibische Inselstaat zu kämpfen hatte.

"Entpolitisierung, Frivolität und Individualismus sind hegemonische Werte, die sich nur schwerlich unterlaufen lassen", meinte er in Bezug auf Faktoren, die die politische Partizipation junger Menschen ausbremsen.


Junge Leute nutzen andere Strukturen

Doch nach Ansicht von María Isabel Domínguez vom staatlichen Zentrum für psychologische und soziologische Forschungen (CIPS) sind junge Leute nicht unpolitischer, sondern wählen einfach nur andere Formen der Partizipation und politischen Aktivitäten. "Junge Kubaner interessieren sich vor allem für Gemeindeprojekte und weniger strukturierte Formen der Zusammenarbeit im Kultur- und Freizeitbereich", schreibt Domínguez in einem Aufsatz zum Thema.

"Wir betrachten das Leben auf unsere Weise. Wir drücken uns anders aus und handeln auch anders. Das wird oft nicht berücksichtigt", meinte dazu eine 25-jährige Lehrerin, die sich Anonymität ausbat. "Wir bringen uns nicht stärker politisch ein, weil wir uns nicht vertreten fühlen."

Ende 2010 waren von den 11,2 Millionen Kubanern 26,2 Prozent unter 35 Jahre alt. Das geht aus dem im April vorgelegten Bericht der kubanischen Regierung für die periodische Überprüfung durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hervor. Damit liegt Kuba im regionalen Trend.

Auch eine im letzten Jahr von der kolumbianischen Forscherin Liliana Galindo veröffentlichte Studie bestätigt, dass sich junge Kubaner in formell weniger anerkannten Strukturen engagieren. Aktivismus und Mobilisierung würden über die sozialen Netzwerke betrieben, auch wenn auf Kuba der Zugang zu den neuen Technologien begrenzt ist. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.cips.cu/wp-content/uploads/2013/02/12-juventud.pdf
http://www.redalyc.org/articulo.oa?id=27922814003
http://www.ipsnoticias.net/2013/07/se-consolida-recambio-generacional-en-gobierno-cubano/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2013