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LATEINAMERIKA/1492: Kolumbiens Regierung bevorzugt Repression und Krieg (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 1 vom 2. Januar 2015
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Kolumbiens Regierung bevorzugt Repression und Krieg
Die FARC rufen eine unbefristete Feuerpause aus

von Günter Pohl



Zum wiederholten Male haben die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC-EP) einen einseitigen Waffenstillstand ausgerufen, der seit dem 20. Dezember gilt. Und zum wiederholten Male hat die Regierung Kolumbiens es nicht für nötig gehalten darauf einzugehen.

In der Erklärung vom 17. Dezember schlagen die FARC die Überwachung der Waffenstillstands, der von ihrer Seite aus eine unbefristete Unterlassung aller offensiven Handlungen einschließt, durch UNASUR, CELAC, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes und der Organisation "Breite Front für den Frieden" vor, unterstützt durch "das souveräne Volk". Doch die Regierung lehnt eine Einstellung von Angriffen ihrerseits ab. Selbst wenn es derzeit keine Gespräche über einen Friedensschluss zwischen den Kriegsparteien gäbe wie sie seit über zwei Jahren in Havanna, vermittelt von den Regierungen Kubas und Norwegens, stattfinden - die Ablehnung einer Feuerpause ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die in Städten und ländlichen Regionen des südamerikanischen Landes unter den Folgen der seit 1948 anhaltenden Auseinandersetzungen leiden. Aber unter Bedingungen einer Suche nach Lösungen zur Beendigung des Konflikts wirft die Haltung der Regierung Fragen auf, was genau sie will.

Denn deutlich bleibt, dass erstens die Generalität Präsident Juan Manuel Santos offenbar erfolgreich glauben machen kann, dass der Krieg zu gewinnen ist und zweitens der Präsident bemüht ist, dem Volk vorzuspiegeln, dass die Guerilla nur deshalb in Havanna verhandelt, weil sie geschwächt sei. Das Gegenteil ist der Fall: Dass die Regierung in Havanna sitzt, trotz der Milliarden aus dem Etat des Kolumbienplans der USA, trotz der medialen, militärischen und strukturellen Vorteile, ist ein Zeichen ihrer eigenen Schwäche. Nicht der des Gegners, der sehr zuverlässig auf die Unterstützung Hunderttausender im Volk bauen kann.

Die FARC zeigen zwischendurch immer mal wieder, dass militärisch mit ihnen zu rechnen ist, auf dass keine Missverständnisse aufkommen. Im November griff man auf einer Insel im Pazifik an, wo die USA seit einigen Jahren in der Málaga-Bucht eine ihrer sieben Militärbasen haben. Bereits im Zweiten Weltkrieg, als sie auch die Galápagos-Inseln dafür benutzten, wollten die USA dort einen Stützpunkt errichten. Die Insel Gorgona liegt 35 Kilometer vor der Küste; die FARC schlagen den Abzug der US-Marines und stattdessen eine touristische Nutzung von Gorgona vor. Auch darüber werde im Rahmen von Nachkriegsszenarien in Havanna gesprochen, sagte einer der den Angriff Kommandierenden zur Nachrichtenagentur ANNCOL.

In Havanna haben die FARC längst die politische Initiative gegenüber einer Regierung, die Vorschläge nur als abzulehnen und nicht als vorzulegen interpretiert. Derzeit steht das Thema der Opfer der diversen Formen des Krieges im Mittelpunkt der Verhandlungen. Dabei wird deutlich, dass diese bis auf wenige Ausnahmen einseitig auf Seiten der unbewaffneten Bauern und Linken zu finden sind. Wo es zu ungerechtfertigten Übergriffen der FARC kam - meist der Undurchsichtigkeit eines irregulären Kriegs geschuldet - hat die Guerilla auch die Größe von Havanna aus öffentlich um Verzeihung zu bitten und Gutmachung anzubieten, wie im Falle eines Angriffs auf eine Ortschaft, in der Paramilitärs die Einwohner/innen als Schutzschilde missbraucht hatte. Bei einem Angriff einer FARC-Einheit waren dabei 2001 viele Menschen ums Leben gekommen.

Parallel zur kriegerischen Attitüde geht auch die Repression gegen die unbewaffnete Linke weiter. Der Professor der Nationalen Universität und Kommunist Miguel Ángel Beltrán wurde Ende Dezember in einer Berufungsverhandlung zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt, nachdem ein Gericht ihn im Juni 2011 von den falschen Anschuldigungen einer Unterstützung der FARC freigesprochen hatte. Danach war er zu einer dreizehnjährigen Nichtausübung öffentlicher Ämter gezwungen, durch die er seinen Universitätsstuhl verlor. Damit, so ein Kommuniqué der "Koalition für die Freiheit und würdige Behandlung der politischen Gefangenen", werde in einem Moment, wo die Regierung versichere die Menschenrechte einzuhalten, das kritische Denken in einem Kontext unter Strafe gestellt, wo der Frieden im Zentrum der Anstrengungen stehe.

Im Sumapaz, einer hoch in den Anden gelegenen Region nahe Bogotá, hat es zuletzt wiederholt Verhaftungen gegeben. Fünf Mitglieder der Landarbeitergewerkschaft "SINTRAPAZ", denen Verbindungen zu den FARC vorgehalten werden, wurden verhaftet. SINTRAPAZ ist eine Zweiggewerkschaft der linken FENSUAGRO, in der die Landarbeiter/innen Kolumbiens organisiert sind. In einer Stellungnahme wird auch an die Verhaftung, Folter und gezielte Tötung des Aktivisten und Bauernführers Víctor Hilarión erinnert. Der Mann aus San Juan de Sumapaz war vor drei Jahren vom Militär ermordet worden. Sumapaz ist eine historische Bastion der Kolumbianischen KP, die dort auch seit vielen Jahren die Bürgermeister stellt.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 47. Jahrgang, Nr. 1 vom 2. Januar 2015, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2015


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