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LATEINAMERIKA/1556: Wahlkampf mit Überraschungen in Peru - Ausgang offen (FES)


Friedrich-Ebert-Stiftung
Perspektive | FES Peru

Wahlkampf mit Überraschungen in Peru - Ausgang offen

Von Astrid Becker
April 2016


• Am 10. April sind die Peruaner_innen zu allgemeinen Wahlen aufgerufen. Der Präsident oder die Präsidentin wird in direkter Wahl bestimmt; erzielt keiner der Kandidat_innen die absolute Mehrheit, findet am 5. Juni eine Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten des ersten Wahlgangs statt. Für die 130 Sitze im Kongress stellen sich über 2000 Personen zur Wahl. Sollte das Abstimmungsergebnis der Präsidentschaftswahl sich im Kongress widerspiegeln, wird die konservative Fuerza Popular die mit Abstand größte Fraktion bilden.

• Der Ausgang der Präsidentschaftswahl ist aktuellen Umfragen zufolge offen: In einer Wahlsimulation vom 1. April führt Keiko Fujimori (Fuerza Popular) mit 40,8 Prozent der gültigen Stimmen. Ein weiterer Kandidat sowie eine Kandidatin ringen um den Einzug in die Stichwahl. Zentrale Themen des Wahlkampfes waren, neben der Bekämpfung von Kriminalität und Korruption, Strategien zur Steigerung des Wirtschaftswachstums.

• Eine neue Rolle spielen die Wahlbehörde ONPE (Oficina Nacional de Procesos Electorales) und der Wahlgerichtshof JNE (Jurado Nacional de Elecciones). Zum einen werden bei diesen Wahlen die geltenden Regelungen zur Garantie innerparteilicher Demokratie intensiver angewendet als bei bisherigen Wahlen. Darüber hinaus führen Änderungen im Wahlrecht, vor allem das Verbot von Wahlgeschenken, zu vielfältigen Anschuldigungen gegen zahlreiche Kandidaturen, über die der JNE entscheiden muss. Zwei aussichtsreiche Kandidaten auf das Präsidentenamt wurden deswegen Mitte März bereits ausgeschlossen.

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Am 10. April sind knapp 23 Millionen Peruaner_innen dazu aufgerufen, eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten zu wählen. Zur Wahl stehen außerdem die 130 Mitglieder des Kongresses sowie fünf Sitze für das Andenparlament. Für die Präsidentschaftswahl meldeten 19 Bewerber_innen ihre Kandidatur an. Die Wahl ist direkt; erhält keine Kandidatin oder kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, findet am 5. Juni eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten statt. Mit 30 Prozent ist der Anteil der jungen Wahlberechtigten unter 30 Jahren hoch. Knapp 900.000 Wahlberechtigte leben im Ausland, davon ca. 600.000 in den USA. In Peru herrscht Wahlpflicht.

Die nächste Regierung wird ihre Arbeit in einer schwierigen Situation aufnehmen: Zwar ist die mit hohen Wachstumsraten verwöhnte Wirtschaft Perus auch im vergangenen Jahr um drei Prozent gewachsen, die Perspektiven sind jedoch angesichts der hohen Abhängigkeit von externen Faktoren ungünstiger geworden. Ein wichtiger Motor der Wirtschaft ist der Export von Erzen und Erdöl, deren Preise auf den Weltmärkten erheblich unter Druck stehen. Darüber hinaus trübt die wirtschaftliche Entwicklung bei wichtigen Handelspartnern in Lateinamerika, vor allem aber China, die Aussichten. Für die Bevölkerung ist zudem die steigende Kriminalität ein großes Problem.

Pragmatik statt Programmatik

Um als Partei registriert zu werden, müssen u.a. die Unterschriften von drei Prozent der bei den vorherigen Wahlen registrierten Wahlberechtigten vorgelegt werden, d.aktuell von 690.000 Personen. Für Wahlallianzen reicht die Beteiligung zumindest einer registrierten Partei. Scheitert eine Partei bei den Kongresswahlen an der Fünfprozenthürde, verliert sie ihre Registrierung. Für kleine Parteien ist daher die Suche nach weiteren Partnern unerlässlich. Nur wenige Parteien wie die Fuerza Popular von Keiko Fujimori oder Peruanos por el Kambio (PPK) von Pedro Pablo Kuczynski entschieden sich für einen Alleingang. Viele Parteien verhandelten bis zur letzten Minute und sorgen für einige Überraschungen: so kandidieren erstmals zwei ehemals große Parteien, nämlich die APRA (Alianza Popular Revolucionaria Americana) und der PPC (Partido Popular Cristiano) gemeinsam als Alianza Popular. Die meisten Parteien und Gruppierungen vertreten das konservative Spektrum. Neben drei kleinen linken Parteien kandidiert als ein Bündnis progressiver Kräfte die Frente Amplio por Justicia, Vida y Libertad (FA).

Geänderte Spielregeln ...

Der Wahlprozess in Peru ist durch unterschiedliche und z.B. widersprüchliche Gesetze geregelt. 2014 legten die Wahlbehörde ONPE (zuständig für die Organisation), der Wahlgerichtshof JNE und die Meldebehörde RENIEC dem Kongress einen Entwurf für ein neues Wahlrecht vor, das neben Regelungen zum Wahlprozess sowie zur Partizipation und Kontrolle seitens der Bevölkerung, ein neues Parteiengesetz umfasste. Ergebnis des parlamentarischen Prozesses war jedoch eine halbherzige Reform. Das Stückwerk ohne Kohärenz wurde erst in letzter Minute im Kongress verabschiedet und mit weiterer Verspätung vom Präsidenten unterschrieben.

Positiv hervorzuheben ist dabei die Einrichtung einer zentralen Datenbank mit den Selbstauskünften aller Kandidat_innen oder die neue Bestimmung, dass Kongresssitze von Abgeordneten, die aufgrund eines schweren Verbrechens wie Drogen- und Menschenhandel oder Geldwäsche verurteilt wurden, nicht im Nachrückverfahren wieder besetzt werden können. Neu ist auch das Verbot von Wahlgeschenken, das in diesem Wahlkampf zu zahlreichen Ausschlüssen führte. Für Wahlallianzen wird die Fünfprozenthürde für den Einzug in den Kongress um je ein Prozent für jede zusätzliche Partei angehoben. Weitere Änderungsvorschläge, vor allem die Abschaffung der umstrittenen sogenannten Präferenzstimme (Voto Preferencial), wurden nicht aufgegriffen. Diese erlaubt, unabhängig von der Reihenfolge Kandidat_innen auf der Liste zu wählen, wodurch erst nach Ende der Wahl feststeht, wer für die jeweilige Partei oder Allianz in den Kongress einzieht. Dies unterstützt Prominente oder diejenigen, die mit einer aufwändigen Kampagne auf sich aufmerksam machen können, und schwächt die demokratischen Prozesse innerhalb der Partei. Gleichzeitig können die Parteien bis zu 25 Prozent (zuvor 20 Prozent) Externe als Gäste (Invitados) in ihre Listen aufnehmen, die damit in direkter Konkurrenz zu den Parteimitgliedern stehen. Das Voto Preferencial wirkt im Übrigen gegen die gesetzlich für die Listen festgeschriebene Frauenquote von 30 Prozent.

Die Änderungen des Wahlrechts traten mitten im laufenden Wahlprozess in Kraft. Dies führte zu erheblichem juristischen Klärungs- und Entscheidungsbedarf darüber, welche neuen Regelungen bereits für diese Wahlen von Relevanz sein sollten. So wird die vorgesehene Anhebung der Fünfprozenthürde für Wahlbündnisse mit mehr als einer Partei erst bei den folgenden Wahlen 2021 Anwendung finden. Anders sieht es bei der neuen Regelung aus, die jede Art von Wahlgeschenken ab 20 Soles (ca. 5,50 Euro) verbietet: Sie gilt für alle Verstöße nach dem 17.1.2016 und führt zum Ausschluss der Kandidatur.

... und ihre Auswirkungen

Ungewollt wurden so die eigentlich im Hintergrund arbeitenden Wahlbehörden zu entscheidenden Akteuren dieses Wahlkampfes. Den Gerichten werden seit Februar kontinuierlich Beanstandungen vorgelegt; die Entscheidungen des Wahlgerichtshofes JNE haben bereits erhebliche Auswirkungen: Weniger als vier Wochen vor dem Wahltermin, annullierte der JNE die Kandidatur von Julio Guzmán von der Partei Todos por el Perú. Grund dafür waren nach Entscheidung des Gerichts schwerwiegende Mängel bei der parteiinternen Wahl des Präsidentschaftskandidaten. Damit schloss das Gericht einen charismatischen Kandidaten aus, der innerhalb weniger Wochen in den Umfragen von unter fünf Prozent auf den zweiten Platz mit knapp 20 Prozent aufgestiegen war. Direkt nach dem Urteil legte Guzmán gegen die Entscheidung des JNE Klage beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Zudem führt er seine Kampagne fort und rief dazu auf, keine anderen Kandidaturen zu unterstützen.

Auch die Präsidentschaftskandidatur von César Acuña von der Alianza para el Progreso (APP) endete am 8. März mit einer Entscheidung des JNE. Der Unternehmer, Gründer zahlreicher Universitäten und einer der reichsten Männer Perus, lag im Januar noch auf dem dritten Platz bei den Umfragen. Nach Plagiatsvorwürfen bei seiner Doktorarbeit sank seine Popularität, das Ende seiner Kandidatur war aber das Urteil des JNE, das die Übergabe unerlaubter Wahlgeschenke als erwiesen ansah. Die APP kandidiert aber weiterhin für den Kongress.

Die Entscheidungen des JNE sind natürlich umstritten. Das Gericht ging bereits an die Öffentlichkeit, um darauf hinzuweisen, dass es unabhängig und unparteilich sei. Bisher hat der Wahlgerichtshof abgelehnt, eine Frist für die Einreichung von Anschuldigungen festzulegen. Ein Vorwurf zur Verteilung von Wahlgeschenken gegen Keiko Fujimoria wurde vom JNE erst am 1. April als unbegründet abgelehnt. Derzeit sind zahlreiche Verfahren noch in Bearbeitung, v.a. gegen Kandidat_innen für den Kongress. Offen ist auch der Ausgang einer Untersuchung gegen Keiko Fujimori wegen der Verteilung von Wahlgeschenken, eine Entscheidung dazu wird noch kurz vor der Wahl fallen.

Bis Ende März haben sieben Parteien ihre Kandidatur zurückgezogen. Alle lagen in den Umfragen unter zwei Prozent. Darunter war auch die Partido Nacionalista Peruano (PNP) des amtierenden Präsidenten. Die Entwicklung der PNP zeigt beispielhaft, wie steil der Fall personenorientierter Parteien sein kann. Die Vorsitzende der Partei ist Nadine Heredia, die Ehefrau des amtierenden Präsidenten, die politische Entscheidungen weit über ihre Rolle hinaus mit bestimmt hat. Neben dem Präsidentenpaar gibt es kaum bekannte Politiker_innen in der Partei.

Die aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidat_innen

Laut der letzten veröffentlichten Wahlsimulation sind noch fünf Kandidat_innen im Rennen um die Präsidentschaft, alle weiteren liegen unter zwei Prozent. Keiko Fujimori (Fuerza Popular) führt das Feld mit 40,8 Prozent weiterhin an. Es folgen Pedro Pablo Kuczyniski (PPK) mit 19,9 Prozent, Verónika Mendoza (FA) mit 18,4 Prozent, Alfredo Barnechea (Acción Popular) mit 9,5 Prozent sowie Alan García (Alianza Popular) mit 6,3 Prozent.

Keiko Fujimori, die Tochter des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori, liegt seit langem in den Umfragen bei über 30 Prozent. Sie kandidiert zum zweiten Mal, 2011 unterlag sie dem aktuellen Amtsinhaber Humala. Im Kongress stellt die Fuerza Popular derzeit die größte Fraktion. Fujimori hat in den vergangenen Jahren die Präsenz der Partei landesweit aufgebaut, allerdings weniger durch programmatische und inhaltliche Arbeit, sondern v.a. durch große Events und Konzerte. Allerdings ist es ihr bisher nicht glaubhaft gelungen, aus dem Schatten ihres Vaters zu treten. Alberto Fujimori hatte während seiner Präsidentschaft (1990-2000) erfolgreich den Terrorismus des Leuchtenden Pfads (Sendero Luminoso) bekämpft, hat aber auch zusammen mit den Streitkräften 1992 für neun Monate die demokratischen Institutionen außer Kraft gesetzt. Er ist zudem für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Korruptionsfälle verantwortlich, wofür er derzeit eine 25-jährige Haftstrafe verbüßt. Keiko selbst war nach der Scheidung ihrer Eltern von April 1994 bis November 2000 die First Lady Perus. Ihre Gefolgschaft erhofft sich einen harten Kurs gegen die steigende Kriminalität im Land sowie Impulse für das Wirtschaftswachstum durch weitere Deregulierungen.

Viele Peruaner_innen lehnen sie aufgrund der Verbrechen ihres Vaters ab. Der Anteil der Befragten, der sie auf keinen Fall wählen würde, liegt bei 46 Prozent. Daran haben auch die Versuche Keikos, sich von ihrem Vater zu distanzieren, nichts ändern können. Gewerkschaften und linke Gruppierungen organisieren zunehmend Proteste gegen ihre Kandidatur.

An zweiter Stelle bei den Umfragen steht derzeit Pedro Pablo Kuczynski (PPK) mit 19,9 Prozent. Der ehemalige Wirtschaftsminister in der Regierung Toledo ist mit 79 Jahren der älteste Kandidat und war beruflich vor allem als Lobbyist für Erdöl- und Gasfirmen tätig. Seine Kontrahent_innen sehen in seinem hohen Alter sowie seiner früheren US-Staatsbürgerschaft Argumente gegen seine Wahl. Gemäß der peruanischen Verfassung darf er nur als Peruaner für das Präsidentenamt kandidieren. Kuczynski hat nach eigenen Angaben seinen amerikanischen Pass zurückgegeben. Die politischen Gegner_innen fordern aber weiterhin die Vorlage eines Dokuments, das die Ausbürgerung bestätigt. Kuczynski wirbt mit seiner Erfahrung als erfolgreicher Wirtschaftsminister, der in seiner Regierung einen extrem neoliberalen Kurs beibehalten will. Seinen Wahlkampf konzentriert er auf ländliche Regionen, in denen er zuvor wenig bekannt war. Kuczysnki profitierte erheblich vom Ausschluss der Kandidaten Guzmán und Acuña, nachdem er im Februar auf den dritten Platz hinter Guzmán zurückgefallen war.

Wenige hätten zu Beginn des Wahlkampfes erwartet, dass Verónika Mendoza, die für die FA antritt, mit 18,4 Prozent kurz vor dem Wahltermin auf dem dritten Platz liegen würde. Mit 35 Jahren ist sie die jüngste Präsidentschaftskandidatin. 2011 wurde sie erstmals über die Liste der PNP von Präsident Humala für die Region Cusco in den Kongress gewählt, verließ aber noch im gleichen Jahr die Fraktion, da ihrer Ansicht nach die Partei die im Wahlkampf gemachten Versprechen im Umweltbereich brach.

Mit ihrem Movimiento Sembrar trat sie 2015 der FA bei. Die FA begann sich 2013 zu formieren. Ausgangspunkt war dabei die Partei Tierra y Libertad (TyL) um Marco Arana, die aus der Umwelt- und der Protestbewegung gegen den Bergbau hervorging. Die Partei änderte 2014 ihren Namen mit dem Ziel, ein linkes Bündnis zu ermöglichen. Weiteres Mitglied der Frente Amplio ist u.a. der Gewerkschaftsdachband CUT.

Mendoza erklärte bereits frühzeitig ihr Interesse an einer Präsidentschaftskandidatur und setzte sich in einer landesweiten Wahl gegen sechs Mitbewerber durch. Ein zentrales Thema ihres Wahlkampfes ist die Forderung einer Verfassungsreform zur Änderung der Wirtschaftspolitik. Die aktuelle Verfassung schränkt nach Ansicht Mendozas durch ihre Festschreibung der freien Marktwirtschaft den Gestaltungsspielraum des Staats zu stark ein. Mendoza tritt für die Diversifizierung der peruanischen Wirtschaft und die Überprüfung der Mitgliedschaft Perus im Transpazifischen Freihandelsabkommen TTP ein. Weitere wichtige Themen sind die Gleichstellung von Frauen sowie Umwelt- und Klimapolitik. Auch vor kontroversen Themen wie gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder der Liberalisierung des Abtreibungsrechts scheut sie nicht zurück. Von ihrer Konkurrenz wird ihr kontinuierlich eine unzureichende Distanzierung von der Politik Chávez und Maduros in Venezuela vorgeworfen. Insgesamt häuften sich die Attacken gegen Mendoza mit der steigenden Zustimmung in den Umfragen: Ihr wird eine zu große Nähe zur umstrittenen Ehefrau des Präsidenten, Nadine Heredia, während ihrer Mitgliedschaft in der PNP vorgeworfen; außerdem stünden auf ihren Listen für den Kongress angeblich Terrorist_innen. Auch die einflussreiche, sehr konservative katholische Kirche hat ihre Gläubigen dazu aufgerufen, Mendoza und Barnechea aufgrund ihrer liberalen Positionen z.B. zur Abtreibung nicht zu wählen. Ein weiterer Grund für diese Einflussnahme dürfte die Forderung Mendozas sein, alle Kirchen gleich zu behandeln. Aktuell genießt die katholische Kirche weitreichende finanzielle und steuerliche Privilegien. Seit Mitte März steigt aber die Zahl der Unterstützenden Mendozas kontinuierlich: Neben verschiedenen Gruppierungen aus dem linken Spektrum ruft der größte Gewerkschaftsdachverband CGTP zu ihrer Wahl auf.

Alfredo Barnechea, Kandidat von Acción Popular, ist eine weitere Überraschung dieses Wahlkampfes (Prognose: 9,4 Prozent). Nach seinem Studium in den USA war er in multinationalen Institutionen wie der Lateinamerikanischen Entwicklungsbank und dem Generalsekretariat der Comunidad Andina de Naciones sowie als Unternehmensberater und Journalist in Peru tätig. Seine politische Karriere begann in der APRA, der er 1983 beitrat und für die er von 1985 bis 1987 im Kongress saß. Aufgrund heftiger Konflikte trat er 1987 aus der Partei aus. Seine politische Karriere setze er fast 30 Jahre später in der Acción Popular fort. Im vergangenen Jahr setzte er sich in einer internen Wahl gegen drei Mitbewerber durch. Im Wahlkampf machte er durch seine Kritik an den Verträgen über die Lieferung peruanischen Erdgases nach Mexiko auf sich aufmerksam. Er forderte eine Neuverhandlung der für Peru extrem ungünstigen Regelungen. Die Verhandlungen waren während der Regierung Toledo von Pedro Pablo Kuczynski geführt worden. Barnechea bezeichnet sich selbst als Sozialdemokraten, der Politik für die Mittelschicht machen will. In den Mittelpunkt seines Wahlkampfes stellt er die Diversifizierung der peruanischen Wirtschaft und eine stärkere Präsenz des Staates.

Die Acción Popular existiert als Mitte-rechts-Partei bereits seit den 1960er Jahren. Mit Fernando Belaúnde (1963-1968, 1980-1985) und Valentín Paniagua (2000-2001) stellte sie bereits dreimal den Präsidenten, ist in den vergangenen Jahren allerdings kaum mehr in Erscheinung getreten. Auch wenn Barnechea sich in seinen Wahlkampfauftritten gegen den konservativen Mainstream stellt, ist es fraglich, ob die Fraktion im Kongress ihn bei der Umsetzung eines progressiven Programmes unterstützen würde.

Auf dem fünften Platz in den Umfragen liegt mit 6,3 Prozent die Alianza Popular mit ihrem Spitzenkandidaten Alan García, der für die APRA bereits 1985 und 2006 zum Präsidenten gewählt wurde. Allerdings liegt der Anteil der Wahlberechtigten, die ihn auf keinen Fall wählen würden, bei über 60 Prozent. Zwar wird ihm seine Erfahrung zugutegehalten, allerdings gibt es zahlreiche Korruptionsvorwürfe aus seiner Regierungszeit gegen ihn. Im Dezember überraschte die APRA mit der Ankündigung, gemeinsam mit der PPC als Alianza Popular zu kandidieren. Lourdes Flores, die frühere Präsidentschaftskandidatin der PPC, kandidiert als Vizepräsidentin.

Die Allianz zwischen den beiden ehemals großen Parteien Perus ist ein Zweckbündnis, denn alleine würde es möglicherweise keine der beiden Parteien schaffen, die Fünfprozenthürde zu nehmen. In der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen beiden Parteien oft konfliktiv, vor allem bei den Präsidentschaftswahlen 2006 und 2011, als Alan García und Lourdes Flores kandidierten. Die PPC ist durch Flügelkämpfe geschwächt und landesweit kaum präsent, die APRA hat insbesondere im Norden ihre Anhängerschaft in den vergangenen Jahren an die APP von César Acuña sowie an die Fuerza Popular verloren. Das nun eingegangene Bündnis darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es innerhalb der Parteien, insbesondere in der PPC, auch eine große Gruppe gibt, die die Allianz ablehnt.

Prognosen

Zum Ende eines sehr personalisierten Wahlkampfes wird Keiko Fujimori zwar keine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang erhalten, gilt aber für die Stichwahl als gesetzt. Die große Frage ist nun, wer das Rennen um den zweiten Platz gewinnt. Zwar könnte sich nach Einschätzung der Meinungsforschungsinstitute nur Kuczynski in der zweiten Runde gegen Keiko durchsetzen, angesichts des geringen Abstands werden aber auch Verónika Mendoza Chancen eingeräumt.

Im Schatten der Präsidentschaftswahl steht der Ausgang der Kongresswahl. Um die 130 Sitze bewerben sich landesweit über 2000 Personen in 26 Wahlkreisen, die den Regionen entsprechen. Allein in Lima stellen sich 540 Kandidat_innen für 36 Sitze zur Wahl. Eine Analyse der Listen zeigt, dass die Programmatik eine untergeordnete Rolle spielt: Allein 28 Mitglieder des aktuellen Kongresses sind anderen Gruppierungen beigetreten. Nach der letzten Wahlsimulation vom 27. März können sechs Gruppierungen in den Kongress einziehen, die stärkste Fraktion wäre die Fuerza Popular mit knapp 36 Prozent, gefolgt von der PPK (18,6 Prozent), der FA (15,1 Prozent) und der Alianza Popular (8,7 Prozent) sowie der Acción Popular (8,1 Prozent) und der APP (acht Prozent). In Sitzen umgerechnet würde demnach die Fuerza Popular mit 64 von 130 Mandaten fast die absolute Mehrheit erreichen.

Zwar wird die vierte allgemeine Wahl seit der vollständigen Rückkehr zur Demokratie im Jahr 2000 in Peru als wichtiger Schritt zur Konsolidierung der Demokratie gewertet. Der bisherige Verlauf der Wahlprozesse zeigt aber vor allem die großen Schwächen des politischen und staatlichen Systems: schwache politische Parteien, meist ohne Programmatik und personell tragende Strukturen, sowie schwache Institutionen. Angesichts der sich abzeichnenden konservativen Mehrheit im Kongress, die bereits in dieser Legislatur wenig Interesse an einer Änderung des Status Quo gezeigt hat, ist mit keinen Schritten zur Stärkung des politischen Systems zu rechnen.


Über die Autorin

Astrid Becker ist Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Peru.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2016

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