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NAHOST/1003: Ägypten - Muslimbruderschaft sieht Streitkräfte "gespalten", Bürgerkriegsgefahr (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. August 2013

Ägypten: Muslimbruderschaft sieht Streitkräfte 'gespalten' - Land in Bürgerkriegsgefahr

von Hisham Allam


Bild: © Hisham Allam/IPS

Straßenkampf in Kairo vor dem Hintergrund der Absetzung von Ägyptens Staatspräsident Mohammed Mursi
Bild: © Hisham Allam/IPS

Kairo, 12. August (IPS) - In Ägypten führt die umstrittene Absetzung des Staatspräsidenten Mohammed Mursi einem Sprecher der Partei der Muslim-Bruderschaft zufolge zu einer Spaltung innerhalb der Streitkräfte. "Es ist klar geworden, dass sich die Militärs zunehmend uneins sind und die Fehler von Machthaber General Abdel Fattah el-Sisi klar erkennen", meint Hamza Zoba von der 'Alhuria wal Adala', der Friedens- und Gerechtigkeitspartei.

"El-Sisi scheint aufgrund seines Fehlverhaltens die Unterstützung militärischer Partner zu verlieren", so Zoba im IPS-Gespräch. Die Armee habe die rote Linie überschritten und sollte sich hüten, in die Politik des Landes einzugreifen. "Auch wenn wir uns keine Spaltung innerhalb der Armee wünschen, so sind wir sicher, dass wir unsere Rechte wiedererlangen werden."

"Die Anhänger der Alhuria wal Adala setzten sich friedlich für ihre Rechte ein", betont Zoba. "Wenn die Putschgeneräle mehr von uns umbringen wollen, wird das keinen Eindruck auf uns machen. Die Verbrechen gegen unbewaffnete Demonstranten, die den Militärcoup verurteilen, wird zur Kenntnis genommen werden."


Forderungen

Blutige Zusammenstöße sind inzwischen Normalität in Ägypten. Die Mitglieder der Alhuria wal Adala betrachten sich als Opfer eines "politischen Völkermords". Sie unterstützen zwei Vorschläge, die dem Militär unterbreitet worden sind. Der erste stammt von den ehemaligen Ministerpräsidenten Hisham Qandil und beinhaltet die Freilassung Mursis einerseits und das Ende der Proteste andererseits. Der zweite Vorschlag kommt von dem islamistischen Vordenker und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Mohamed Selim El-Awa und sieht die Umsetzung eines Fünf-Punkte-Plans vor.

In einem ersten Schritt soll Mursi ein neues Interim-Kabinett mit Machtbefugnissen ausstatten. Das Kabinett würde innerhalb von 60 Tagen Parlamentswahlen abhalten, die zur Bildung eines Kabinetts führen sollen. In einem vierten Schritt würden dann Präsidentschaftswahlen durchgeführt und zum Schluss würde die Verfassung überarbeitet.

Die Forderungen der Muslim-Bruderschaft kommen zu einem Zeitpunkt, an dem das Land politisch zutiefst polarisiert ist. Andere Führer verneinen, dass die Armee gespalten ist, und stellen den Putsch als Weg zur Demokratisierung des Landes weg von einem zunehmend autokratischen Regierungsstil Mursis dar. "Das ägyptische Volk hat sich rechtzeitig befreit", meint Abdel Ghaffar Shukr, Parteichef der Sozialistischen Volksallianz.

Die Lösung der Krise liegt seiner Meinung nach in der Umsetzung des von der Armee angekündigten Fahrplans - mit einer neuen Verfassung, aus der diejenigen Artikel gestrichen werden, die Ägypten in einen religiösen Staat überführen würden. "Die Muslim-Bruderschaft sollte sich mit dem unumkehrbaren Sachverhalt abfinden. Sie isoliert sich selbst und verweigert jede Teilnahme an den Verhandlungen und Versöhnungstreffen, um sich dem Westen als verfolgt zu präsentieren."

Shukr wirft der Muslim-Bruderschaft vor, ihre Anhänger bei bewaffneten Zusammenstößen "zu opfern", um sich die Sympathie des Westens zu sichern. Parteimitglieder führten ferner Angriffe auf Militärinstallationen durch und blockierten Straßen. "Ägypten nähert sich einem Bürgerkrieg", warnt er. "Wird auf das Sicherheitsvakuum auf dem Sinai nicht schnell und umsichtig reagiert, wird sich Kairo zu einer Hochburg von Terroristen und Dschihadisten entwickeln, was die Gefahr von Nahkämpfen und die weitere Polarisierung mit sich bringt."


Zweierlei Maß

Die Bruderschaft und die Verbündeten der religiösen Rechten verurteilten zwar die gegen sie verübten Menschenrechtsverletzungen, weigerten sich aber, sich für die auf ihr Konto gehenden Übergriffe zu entschuldigen. "Sie müssen die Anstifter vor Gericht bringen. Das ist der einzige Weg, um die Menschen von ihrem hehren Absichten zu überzeugen."

Shukr wirft andererseits den liberalen Parteien vor, die von Anhängern des abgesetzten Staatspräsidenten begangenen Menschenrechtsverletzungen zu tolerieren. "Die Liberalen zeigen sich recht wortkarg angesichts der faschistischen Ausgrenzung der Muslim- Bruderschaft. Der doppelte Standard der politischen Kräfte ist offenbar geworden. Die Liberalen müssen demokratisches Bewusstsein zeigen und unverzüglich damit aufhören, die Armee uneingeschränkt zu unterstützen, solange die Muslim-Bruderschaft ihr zu Recht Fehlverhalten vorwerfen kann." (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/08/egypt-military-split-over-morsi/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2013