Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/1004: Iran - Konfliktforscher gegen Sanktionsverschärfung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. August 2013



Iran: Dem Präsidenten die Chance für den Wandel geben - Konfliktforscher gegen Sanktionsverschärfung

von Jim Lobe

Washington, 15. August (IPS) - Die Konfliktforscher der 'International Crisis Group' (ICG) empfehlen den USA in einem neuen Bericht, sich nach der Amtseinführung des iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani nachgiebiger gegenüber Teheran zu zeigen. Dadurch ließen sich günstigere Voraussetzungen für eine Beilegung des Atomstreits schaffen.

In dem am 13. August in Washington veröffentlichten Report 'Great Expectations: Iran's New President and the Nuclear Talks' ('Große Erwartungen: Irans neuer Präsident und die Atomgespräche') wird die Regierung von US-Präsident Barack Obama aufgefordert, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, um die Erfolgsaussichten einer erwarteten neuen Verhandlungsrunde zwischen dem Iran und der so genannten Gruppe P5+1 (USA, Großbritannien, Frankreich, China und Russland plus Deutschland) zu vergrößern.

Konkret plädieren die Konfliktforscher dafür, dass Washington direkte bilaterale Gespräche mit dem Iran parallel zu den P5+1-Verhandlungen aufnimmt. Außerdem wird dazu geraten, dem Iran im Gegenzug für ein Entgegenkommen eine größere Lockerung der Sanktionen in Aussicht zu stellen. Am Ende sollte eine De-facto-Anerkennung von Teherans Recht auf eine Urananreicherung zu friedlichen Zwecken stehen. Zudem fordert die ICG, das Diskussionsspektrum zu erweitern, sodass auch regionale Sicherheitsfragen eingeschlossen werden.


ICG: Neue Sanktionen könnten das Gegenteil bewirken

Die Experten wollen zudem erreichen, dass die US-Regierung ihren Widerstand gegen eine Teilnahme Teherans an einer geplanten internationalen Syrien-Konferenz aufgibt. Sollten zu einem solch sensiblen Zeitpunkt wie jetzt neue Wirtschaftssanktionen gegen den Iran verhängt werden, drohten diese sich kontraproduktiv auszuwirken. "Der Schuss könnte nach hinten losgehen. Daraus würden diejenigen in Teheran Nutzen ziehen, die beweisen wollen, dass die iranische Politik keinen Einfluss auf die Haltung des Westens hat", warnt die ICG.

Der Bericht merkt außerdem an, dass "verschärfte Sanktionen" wie die kürzlich mit großer Mehrheit im US-Repräsentantenhaus verabschiedeten Maßnahmen "Rohanis Position im Inland schwächen können, noch bevor er die Chance hat, seine Herangehensweise zu erproben."

Zurzeit wird heftig darüber spekuliert, ob Rohani, der Anfang August nach einem überraschenden Wahlsieg im Juni vereidigt wurde, sich bei den Atomverhandlungen flexibler zeigen wird als sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad und den obersten geistlichen Führer Ajatollah Ali Chamenei überzeugen könnte, ihn in der zersplitterten politischen Landschaft des Irans zu unterstützen.

Obama und die meisten Vertreter der USA haben sich "vorsichtig optimistisch" gezeigt, als es um die Frage ging, ob sie mit Rohani ins Geschäft kommen können. Scharfe Töne kamen hingegen von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der ihn vor der Amtseinführung als "Wolf im Schafspelz" bezeichnet hatte. Ähnlich haben sich auch US-Abgeordnete und Denkfabriken geäußert, die eng mit der israelischen Lobby und ihrem Flaggschiff, dem 'Amerikanisch-Israelischen Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten' (AIPAC), zusammenarbeiten.

AIPAC hat den US-Kongress aufgefordert, sogar noch vor dem nächsten P5+1-Treffen härtere Sanktionen gegen den Iran zu beschließen, um den Druck auf Teheran zu erhöhen, sein Nuklearprogramm auszusetzen oder ganz abzuschaffen.

"Die Entschlossenheit Amerikas wird entscheidend sein, vor allem in den nächsten Monaten", schrieben der republikanische Senator Mark Kirk und der demokratische Abgeordnete Eliot Engel in einem am 13. August erschienenen Kommentar im 'Wall Street Journal'. "Indem das Regime an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs gedrängt wird, können die USA den Iran dazu zwingen, alle internationalen Verpflichtungen zu erfüllen und auch alle Aktivitäten zur Anreicherung und Weiterverarbeitung von Uran zu stoppen." Die beiden Abgeordneten, die in enger Verbindung zu AIPAC stehen, forderten den Senat auf, rasch das im Juli vom Repräsentantenhaus gebilligte Sanktionsgesetz zu verabschieden.

Das Gesetz sieht unter anderem Sanktionen auch gegen Drittstaaten oder deren Unternehmen vor, wenn diese iranisches Erdöl kaufen oder andere Geschäfte mit wichtigen Bereichen der Wirtschaft des Irans, wie etwa dem Petrochemie- oder Autosektor, machen. Teheran würde zudem der Zugang zu dem größten Teil seines Vermögens in Übersee abgeschnitten. Obama hätte zudem keine Möglichkeit, solche Sanktionen aufzuheben.


Haltung des Senats ungewiss

Ob der von den Demokraten dominierte Senat dem zustimmt, bleibt abzuwarten. Die Regierung hat angedeutet, dass sie vor der neuen Verhandlungsrunde gegen weitere Strafmaßnahmen ist. Ob Obama die Demokraten angesichts einer bevorstehenden großen AIPAC-Kampagne aber auf Linie halten kann, ist ungewiss. Der Kongress wird Anfang September nach der Sommerpause wieder zusammentreten.

76 der 100 US-Senatoren haben ein von AIPAC angeregtes Schreiben an Obama unterschrieben, das von dem demokratischen Vorsitzenden des auswärtigen Senatsausschusses, Robert Menendez, intiiert worden war. Darin werden verschärfte Sanktionen und eine "überzeugende Androhung von Gewalt" gefordert.

Der ICG-Report empfiehlt jedoch, die Erwartungen signifikanter Fortschritte bei den Gesprächen über die Atomfrage gering zu halten. Der Iran werde von seinen Minimalforderungen - das Recht auf Anreicherung von Uran für friedliche Zwecke und eine sinnvolle Lockerung der Sanktionen - nicht abweichen, hieß es. Nicht nur, weil Chamenei das letzte Wort in der Angelegenheit habe, sondern auch deshalb, weil Rohani seit Langem in das Nuklearprogramm involviert sei.

Rohani, der mit Hilfe von gemäßigten Reformbefürwortern an die Macht kam, hat darauf hingewiesen, dass der jüngste Umgang seines Landes mit der Atomfrage der Wirtschaft einen exorbitanten Preis abverlangt hat. Um dem neuen Präsidenten die Möglichkeit zu geben, einen politischen Wandel in die Wege zu leiten, sollten die USA und ihre westlichen Verbündeten nach Meinung des ICG dem Iran größere Zugeständnisse einräumen, anstatt wie bisher abzuwarten. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/Middle%20East%20North%20Africa/Iran%20Gulf/Iran/b036-great-expectations-irans-new-president-and-the-nuclear-talks.pdf?utm_source=iran-report&utm_medium=3&utm_campaign=mremail
http://www.aipac.org/
http://www.ipsnews.net/2013/08/u-s-needs-more-forthcoming-approach-to- iran-report/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. August 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2013