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NAHOST/587: Gaza-Freiheitsmarsch - Zeichen setzen (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 28. Dezember 2009

Zeichen setzen

Ein Jahr nach dem Gaza-Krieg demonstrieren Aktivisten aus aller Welt
vor Ort ihre Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung

Von Karin Leukefeld


Es war kurz vor halb zwölf am 27. Dezember 2008, als sich für die Palästinenser im Gazastreifen die »Tore der Hölle« öffneten. Ohne Ankündigung und mit ungeheurer Wucht griff die israelische Luftwaffe mit der »Operation Gegossenes Blei« den übervölkerten und seit Jahren abgeriegelten Küstenstreifen an und zerstörte in den folgenden drei Wochen Häuser, Schulen, Werkstätten, Krankenhäuser, Moscheen, Kirchen, Museen, Straßen, Kanalisation, Elektrizitätswerke, Felder, Boote, Autos. Die Grenzen des Gazastreifens blieben hermetisch abgeriegelt, für die Menschen gab es kein Entkommen vor Spreng-, Streu- und Phosphorbomben, die Tag und Nacht auf sie niedergingen. Über 1400 Palästinenser wurden in den drei Wochen getötet, mehr als die Hälfte davon Frauen und Kinder, Tausende wurden verletzt. Auf israelischer Seite starben 13 Personen, vier von ihnen waren Zivilisten. Die internationale Gemeinschaft blieb tatenlos. Bundeskanzlerin Angela Merkel rechtfertigte das Massaker als »legitimes Recht Israels auf Selbstverteidigung« und erklärte, die Hamas trage »eindeutig und ausschließlich« die alleinige Schuld an den israelischen Luftschlägen. Der Krieg endete am 19. Januar mit einem Waffenstillstand, zwei Monate später wurden auf einer internationalen Geberkonferenz für den Wiederaufbau des Gazastreifens mehr als vier Milliarden US-Dollar beschlossen. Während renommierte, international tätige Hilfsorganisationen und Untersuchungskommissionen der Vereinten Nationen zu dem Ergebnis kamen, Israel habe allem Anschein nach Kriegsverbrechen während des Gazakrieges begangen, weist die israelische Regierung bis heute die Vorwürfe zurück.

In Erinnerung an den Kriegsbeginn vor einem Jahr begannen Friedensaktivisten des britischen Viva Palästina-Konvois (siehe jW vom 24. bis 27. Dezember) in der jordanischen Hafenstadt Aqaba um kurz vor halb zwölf am 27. Dezember 2009 einen Hungerstreik. Eigentlich sollten die mehr als 150 Fahrzeuge mit Medikamenten und Hilfsgütern zu diesem Zeitpunkt in Gaza ankommen, doch Ägypten läßt den Konvoi nicht einreisen. Die Grenze zu Rafah, dem einzigen Übergang zwischen Gaza und Ägypten, bleibe »aus Sicherheitsgründen« bis auf weiteres geschlossen, heißt es in Kairo. Das soll auch für mehr als 1300 Friedensaktivisten aus 42 Staaten gelten, die zum Jahresende mit einem Gaza-Freiheitsmarsch in dem palästinensischen Territorium gegen die israelische Blockade demonstrieren wollen. Vom Flughafen Köln/Bonn startete am zweiten Weihnachtstag ein Teil der rund 40 deutschen Teilnehmer.

»Palästina ist die Sache meines Lebens«, sagte eine der Teilnehmerinnen im Gespräch mit jW. Die Ungerechtigkeit, die Israel den Menschen von Gaza antue, werde international akzeptiert, dagegen wolle sie ein Zeichen setzen. Eine andere Friedensaktivistin kritisierte die einseitige Berichterstattung deutscher Medien. Sie sei froh, mit der Aktion ihre persönliche Solidarität zeigen zu können. Sie sei durch den Gazakrieg »so erschüttert« gewesen, sagte eine dritte Teilnehmerin, daß sie dem Unrecht nicht länger tatenlos zusehen könne. Edith Lutz, deutsche Koordinatorin des Gaza-Freiheitsmarsches erklärte, sie habe drei Mal schon vergeblich versucht, über Rafah nach Gaza zu gelangen und werde es nun ein weiteres Mal versuchen. Die Bremer Politikwissenschaftlerin Ivessa Lübben bezeichnete die Abriegelung des Gazastreifens als Skandal. Wenn Europa die Mittelmeerregion zu einer Zone des Friedens machen wolle, sei es absurd, daß Bewohner des Gaza-Streifens zu Luft, Wasser oder Land weder ein- noch ausreisen könnten.


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Quelle:
junge Welt vom 28.12.2009
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2009