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NAHOST/695: Iran - Friedensnobelpreisträgerin Ebadi drängt auf Freilassung politischer Häftlinge (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2010

Iran: Friedensnobelpreisträgerin Ebadi drängt auf Freilassung politischer Häftlinge

Von Omid Memarian

Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi - Bild: © Solmaz Sharif/IPS

Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi
Bild: © Solmaz Sharif/IPS

New York, 21. September (IPS) - Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi hat eine sofortige Freilassung der politischen Gefangenen ihres Landes gefordert. Die Menschenrechtslage im Iran habe sich weiter verschlechtert, erklärte die Juristin kürzlich am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Gefährdet seien vor allem Journalisten und Menschenrechtsaktivisten.

"Ich möchte die UN, internationale Institutionen und Staatsoberhäupter, die mit dem Iran verhandeln, darum bitten, der Menschenrechtssituation genauso viel Priorität einzuräumen wie dem iranischen Atomprogramm", sagte Ebadi im Vorfeld des Besuchs von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei den Vereinten Nationen. Vor der UN-Vollversammlung soll er am 23. September eine Rede halten.

"Wenn Herr Ahmadinedschad behauptet, dass der Iran ein freies Land ist, sollte er die 'Ärzte ohne Grenzen' einreisen lassen und ihnen die Möglichkeit geben, kranke Gefangene zu untersuchen", sagte die Anwältin und Friedensnobelpreisträgerin von 2003. In einem Interview mit dem niederländischen Fernsehen hatte Ahmadinedschad im Januar den Iran als "sehr freies" Land bezeichnet. Er sprach von einer "freien Regierung, die der Bevölkerung sehr nahe steht".

Menschenrechtsaktivisten kritisierten diese Äußerungen als "lächerlich". "Was bedeutet Freiheit, wenn ein Anwalt seine Mandanten nicht frei verteidigen kann?", fragte Ebadi. "Die Notlage der Gefangenen hat sich verschlechtert", fügte sie hinzu. Diejenigen, die auf Kaution freigelassen würden, müssten sich sofort in ein Krankenhaus begeben. Sie verwies unter anderem auf die prominente Menschenrechtlerin Narges Mohammed, die in der Haft schwer misshandelt wurde.

Iranische Staatsbeamte wehrten sich mehrfach gegen Vorwürfe, wonach politische Aktivisten willkürlich festgenommen und in den Gefängnissen vergewaltigt und gefoltert würden. Ebadi berichtete hingegen, dass ihre Kollegin Nasrin Sotoudeh in der Haft unter enormen Druck gesetzt werde, um ihre vermeintlichen Straftaten zu gestehen.

Kritik äußerte Ebadi auch an der US-Politik, "undemokratische Staaten zu unterstützen" und somit den Volkszorn in der Region Nahost zu schüren. Vom Hass auf Washington profitiere allein der iranische Präsident.


Sonderberichterstatter sollen Folterfälle klären

Internationale Menschenrechtsgruppen setzen sich nun für die Entsendung von Sonderberichterstattern in den Iran ein, die den Vorwürfen von Folter und willkürlichen Festnahmen nachgehen sollen. Bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf im Juni hatte der Leiter der iranischen Delegation, Javad Larijani, diese Möglichkeit in Aussicht gestellt. Doch bisher weigern sich die Behörden, die notwendigen Visa auszustellen.

"Der Iran ist ein geschlossenes Land", erklärte Faraz Sanei von 'Human Rights Watch'. Auch seiner Organisation und anderen Gruppen wie 'Amnesty International' werde es bisher nicht gestattet, in den Staat einzureisen, berichtete er. Informationen zu sammeln, sei somit sehr schwierig.

Im Iran gebe es aber eine sehr lebendige zivile Gesellschaft, die unter Beschuss geraten sei, meinte Sanei. Daher sei es sehr wichtig, inhaftierte Menschenrechtsaktivisten und Studenten zu unterstützen. "Diejenigen, die in der Demokratiebewegung an vorderster Front aktiv sind, geraten als erste ins Visier des Staates."


Risiken für regionale Stabilität

Hadi Ghaemi, der Direktor der Internationalen Kampagne für Menschenrechte im Iran, forderte die UN-Vollversammlung auf, sich in ihrer anstehenden Sitzungsperiode gezielt mit der Menschenrechtslage im Iran zu befassen. Frieden und Stabilität in der Region hingen nun vom Ausgang des Tauziehens um das Atomprogramm, der Kriegstreiberei und der sich immer weiter verschärfenden Menschenrechtskrise ab.

Medienvertreter sollten Ahmadinedschad dazu drängen, bei seinem Besuch in New York auch Fragen zur Menschenrechtssituation zu beantworten, forderte der bekannte iranisch-kanadische Journalist Maziar Bahari im Gespräch mit IPS. "Er sollte der ganzen Welt erklären müssen, was er bisher getan hat, um die Menschenrechte der Iraner zu schützen." (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://nobelprize.org/nobel_prizes/peace/laureates/2003/
http://www.iranhumanrights.org/
http://www.hrw.org/
http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52882

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2010