Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/995: Israel - Mursi ein Verlust, Sicherheitskooperation so eng wie nie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Juli 2013

Israel: Mursi ein Verlust - Sicherheitskooperation so eng wie nie

von Pierre Klochendler



Jerusalem, 10. Juli (IPS) - Angesichts der unruhigen politischen Lage im Nachbarland Ägypten schlägt Israel derzeit leise Töne an. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat seine Sicherheitsbeamten angewiesen, sich in stiller Diplomatie zu üben und auf Kommentare zu verzichten, die leicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ägyptens missverstanden werden könnten.

Für Israel steht viel auf dem Spiel. Eine Schwächung der öffentlichen Ordnung in Ägypten könnte dazu führen, dass es mit der relativen Ruhe auf dem Sinai und in dem von der radikal-islamischen Hamas beherrschten Gazastreifen bald vorbei sein könnte.

Der Netanjahu-Administration ist wichtig, dass in Ägypten drei Prinzipien Fortbestand haben: neben der Ruhe in der Sinai-Wüste und im Gazastreifen sind dies die Stabilität innerhalb der Institutionen insbesondere der Streitkräfte und der Frieden mit Israel selbst.

Als der ägyptische Präsident Mohammed Mursi vor einem Jahr die Wahlen gewann, nahm Israel an, dass Kairo sich rasch in eine sunnitische Version des Irans verwandeln und mit den Islamisten im Gazastreifen gemeinsame Sache machen würde.

Rückblickend gesehen ist dieser ägyptische Präsident Israel sogar besser bekommen als sein Vorgänger Husni Mubarak. Mursi drohte zwar damit, den Friedensvertrag von 1979 zu ändern, respektierte ihn aber auf Druck der USA. Er verweigerte jeglichen Kontakt zu Israel und delegierte seine Sicherheitsvorrechte an die Streitkräfte, die ihn schließlich entmachteten.


Status Quo des 'kalten Friedens'

In der Zwischenzeit hat das Militär, Israels einziger Kontakt zu Kairo, den Status quo des 'kalten Friedens' zwischen beiden Ländern aufrecht erhalten. Die Sicherheitszusammenarbeit und die Koordination zwischen Israel und Ägypten waren eng.

Der ägyptische 'Große Bruder' stand den palästinensischen Brüdern im Gazastreifen vor. Israelischen Kommentatoren zufolge war die Lage dort noch nie so ruhig wie unter Mursi. Die Zahlen sprechen für sich. In den ersten sechs Monaten nach der Militäroperation 'Pfeiler der Verteidigung' im November 2012 wurden gerade einmal 24 Raketen auf den Süden Israels abgefeuert. Nach dem Einsatz 'Gegossenes Blei' vom Dezember 2008 bis Januar 2009 waren es hingegen 171 gewesen.

Mursis Regierung spielte nicht nur eine wichtige Rolle bei der Aushandlung des Waffenstillstands während der jüngsten israelischen Militäraktionen im Gazastreifen, sondern sie sorgte auch für dessen Einhaltung. Auf Drängen von Ägypten hielt sich die Hamas mit Angriffen auf Israel zurück. Als islamistische Jihad-Kämpfer Ende Juni Raketen auf die israelische Negev-Wüste abfeuerten, verhinderte Ägypten eine mögliche Eskalation.

Gerade weil Mursi selbst aus dem islamischen Lager kommt, hat er etwas getan, was sein anti-islamischer Vorgänger im Gazastreifen nie gewagt hätte. Das ägyptische Militär ging intensiver als früher dagegen vor, dass Extremisten Aktivisten durch Tunnel auf den Sinai brachten und Waffen, Lebensmittel und andere Güter in das durch die ägyptische und israelische Blockade isolierte Palästinensergebiet schmuggelten.

Parallel zum Bau des israelischen Sicherheitswalls unternahm die ägyptische Armee nachhaltige Anstrengungen, um afrikanische Migranten und Schmuggler aus dem Sinai fernzuhalten. Zudem ging Ägypten entschlossen gegen Jihadisten und andere islamistische Extremisten vor.


Israel gestattet höhere ägyptische Polizeipräsenz auf Sinai

Inmitten der Unruhen, die kürzlich zum Sturz Mursis führten, wurde in der lokalen Presse ausführlich darüber berichtet, dass Israel einem zusätzlichen Aufgebot ägyptischer Polizeitruppen auf dem nördlichen Sinai, der zum Gazastreifen führt, zugestimmt hat. Nach dem Friedensabkommen muss jede Verstärkung der ägyptischen Truppen in der demilitarisierten Zone von Israel genehmigt werden.

Während der jüngsten Unruhen stammte das einzige Gewehrfeuer, das israelische Patrouillen an der Grenze zu Ägypten hörten, von denjenigen, die Mursis Absetzung feierten. Auf der Sinai-Halbinsel ist es allerdings unlängst zu neuen Zwischenfällen gekommen. Zwei Tage nach dem Sturz Mursis griffen Extremisten eine Polizeiwache in Rafah sowie Armeekontrollpunkte am al-Arish-Flughafen bei Gaza-Stadt an. Insgesamt wurden dabei sechs ägyptische Soldaten getötet. Der Grenzübergang Rafah am Gazastreifen wurde daraufhin bis auf Weiteres geschlossen. (Ende/IPS/ck/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/07/israel-may-even-miss-morsi/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Juli 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2013