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OSTEUROPA/330: Staatsbesuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten in Deutschland (Falkenhagen/Queck)


Informationen anlässlich des offiziellen Besuches des Parlamentspräsidenten der Ukraine, Wolodymyr Lytwyn, in Berlin

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, 29. Juni 2010


Anlässlich des offiziellen Besuches des Parlamentspräsidenten der Ukraine, Wolodymyr Lytwyn in der Bundesrepublik Deutschland und im Deutschen Bundestags am 16. und 17. Juni 2010 haben die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. und die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit am 17. Juni 2010 im Reichstagsgebäude im Fraktionssaal der FDP zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Zur Einführung sprach der Parlamentspräsident der Ukraine Wolodymyr Lytwyn. Im Anschluss diskutierten Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, und Gernot Erler, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion und ehemaliger Staatsminister im Auswärtigen Amt mit zwei Vertretern des ukrainischen Parlaments.

Zu den wichtigen erörterten Fragen sind im Portal des ukrainischen Parlaments drei Statements erschienen, die wichtige Ausführungen von Wolodymyr Lytwyn auch während seines Berliner Besuchs wiedergeben und in denen auf die diskutierten Probleme, basierend auf den Ausführungen von Wolodymyr Lytwyn u.a. auf der Podiumsdiskussion, eine offizielle Antwort gegeben wird. In seinen Ausführungen auf der Podiumsdiskussion betonte Wolodymyr Lytwyn, u.a. auch dass in der Ukraine die Freiheit des Wortes voll gewährleistet ist. Es kann dort ohne Tabus über alles geredet und geschrieben werden. Die freiheitliche Verfassung der Ukraine der Ukraine wird von allen Säulen der Macht streng eingehalten. Im Parlament werden die Rechte auch der Opposition voll gewahrt. Wahlen werden nach strengen demokratischen Regeln durchgeführt. Allerdings ist es notwendig die Wahlgesetzgebung noch zu verbessern. Es muss auch an der Weiterentwicklung der Verfassung gearbeitet werden. Ein Problem ist noch die zu starke einseitige Verankerung einiger Parteien in bestimmten Regionen, was zu regionalen Gegensätzen geführt hat.

In der Ukraine entwickeln sich auch keine autoritären Strukturen. Im Unterschied zu der Zeit der Präsidentschaft von Juschtschenko und von Premierministerin Timoschenko besteht derzeit zwischen den neu gewählten Präsidenten Janukowitsch und Premierminister Asarow auf der Basis einer Parlamentsmehrheit von Abgeordneten weitgehender Konsens, wie es in einer funktionierenden Demokratie auch sein sollte. Die Arbeit der Regierenden ist von Pragmatismus geprägt. Der Präsident der Ukraine nimmt seine Aufgaben streng nach den Regeln der geltenden Verfassung wahr. An effizienten Methoden der Wirtschaftsführung wird konstruktiv in Parlament, Präsidentenamt und Regierung gearbeitet, u.a. in einer vom ukrainischen Präsidenten eingesetzten Kommission für Wirtschafsreformen. Auch der Staatshaushaltsplan für 2910, um den unter der Vorgängerregierung monatelang konträr und chaotisch gestritten wurde, ist im April 2010 mit einer großen Parlamentsmehrheit angenommen worden.


Der Parlamentspräsident der Ukraine, Wolodymyr Lytwyn, hat am Donnerstag den 17. Juni 2010 im Rahmen eines offiziellen Besuchs in der Bundesrepublik Deutschland Begegnungen mit dem Vorstand und Mitgliedern des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Bundestages. Er sprach dazu anlässlich einer Podiumsdiskussion.

Während der Begegnungen wurde ein breiter Kreis von Fragen diskutiert, die mit verschiedenen Bereichen des Lebens in der Ukraine und ihrer Außenpolitik zusammenhängen.

Die deutschen Parlamentarier interessierten sich insbesondere für Fragen der Besonderheiten der Zusammenarbeit im Dreieck: "Präsident der Ukraine-Parlament-Regierung", des Kampfes mit der Korruption und der Offenheit, Transparenz und für die demokratischen Verhältnisse des Staates sowie die Freiheit des Wortes in der Ukraine.

In Beantwortung der Fragen der gegenwärtigen Zusammenarbeit zwischen den Säulen der Regierung wies Wolodymyr Lytwyn auf die positiven Seiten des Konsenses zwischen dem Oberhaupt des Staates, dem Ministerkabinett und dem Parlament hin. Dabei stellte er fest, dass das Parlament keine untergeordnete Rolle spielen muss und auch nicht spielt und sogar eine feste oppositionelle Haltung gegenüber der Exekutivgewalt einnimmt und für die Regierung Ansporn ist, dass sie über sich hinauswächst."

Betreffs der Thematik der Durchführung der Wirtschafsreform in der Ukraine, teilte Wolodymyr Lytwyn mit, dass derzeit die Hauptsache die Ausarbeitung und Umsetzung von Methoden ist, die es nach seinen Worten gestatten, die Initiative der Menschen zu entfalten und ein günstiges Investitionsklima zu schaffen. "Wie verstehen, dass solange seitens derer kein Vertrauen besteht, die in der Ukraine arbeiten könnten, keine Appelle wirken, die sie zu Investitionen bewegen", unterstrich der Parlamentschef. In diesem Zusammenhang erklärte Wolodymyr Lytwyn, dass die ukrainische Gesetzgebung, die die Wirtschaftstätigkeit regelt, in nächster Zeit wesentlich verbessert wird und dass sie stabil und "mit europäischen Standards kompatibel ist." Wir tun dabei alles, damit die Regeln in der Zeit ihrer Umsetzung und Durchführung nicht geändert werden", fügte er hinzu.

Dabei wies Wolodymyr Lytwyn darauf hin, dass in den letzten Monaten außergewöhnlich viel nicht nur auf der Ebene gesetzgeberischer Beschlüsse, sondern auch zu ihrer Realisierung getan wurde. Er führte als Beispiel auch insbesondere die Regelungen im Rahmen der Vorbereitung der Fußballmeisterschaft "Euro.2012" an.

Der Vorsitzende des Parlaments der Ukraine erklärte auch, dass er es als notwendig ansieht, bei der Annahme populistischer Beschlüsse ein Moratorium einzulegen und anstelle dessen die sozialen Initiativen umzusetzen, die bereits gebilligt wurden.

In Beantwortung von Fragen bezüglich der Arbeit der politischen Parteien in der Ukraine, stellte Wolodymyr Lytwyn fest, dass das bestehende Parteiensystem bei den Wahlen zur "Entstellung der Lage" geführt hat, wenn die Parteien in den Vordergrund die eigenen Regionen gestellt haben, in denen sie verwurzelt sind." Außerdem findet durch die unvollkommene Wahlgesetzgebung in der Ukraine der Prozess der politischen Strukturierung der Gesellschaft praktisch nicht statt, sagte er.

Quelle:
www.rada.gov.ua/rada/control/uk/publish/article/news_left?art_id=203322&cat_id=37486


Der Parlamentspräsident der Ukraine Wolodimir Litwin tritt dafür ein, eine Strategie der Beziehungen mit der Russischen Föderation auf der Grundlage der nationalen Interessen und entsprechend den Stimmungen der ukrainischen Bürger auszuarbeiten

(Pressesekretär des Parlamentspräsidenten der Ukraine)

In Beantwortung von Fragen von Journalisten am Donnerstag den 17. Juni 2010, ob die Ukraine nicht vor der Wahl stände, sich mit Europa zu integrieren oder sich Russland anzunähern, bemerkte Wolodymyr Lytwyn, dass er es als falsch ansieht, diese beiden politischen Linien gegeneinander zu stellen und es richtig sei, zwischen ihnen keinen Widerspruch zu sehen, "weil, wenn wir Feindschaft mit Russland hätten, sich Europa von uns entfernen wird", betonte er.

"Während der Treffen, die im Verlauf des Besuches stattfanden, wurde mir wiederholt gesagt, dass es für Europa sehr wichtig ist, dass die Ukraine berechenbare Beziehungen mit Russland hat. Wenn Verhandlungen auf höchster Ebene stattfinden, sagen wir, zwischen Russland und Deutschland und sie dauern mehr als 12 Stunden, wird dies denn nicht als Aufgabe der nationalen Interessen aufgefasst, wenn man gegenseitig akzeptable Lösungen sucht", unterstrich der Parlamentsvorsitzende.

Dabei betonte Litwin, dass die Ukraine "eine bedeutende Gesprächs- und Verhandlungsplattform im gegenseitigen Verhältnis zu Russland braucht". "Es ist außerordentlich bedauerlich, dass wir bis jetzt eine solche Plattform nicht haben, wir tun dies sporadisch, indem wir diese oder jene Aspekte der Beziehungen abhandeln, dann wenn Russland exakt formuliert hat, was es von der Ukraine, von der Zusammenarbeit mit ihr haben will", sagte Wolodymyr Lytwyn.

"Wir müssen genau die Basis unserer gegenseitigen Beziehungen definieren und dafür sorgen, dass sie mit den Stimmungen der Menschen zusammenfallen und von den nationalen Interessen ausgehen", stellte Wolodymyr Lytwyn fest. "Auch wenn die Führung der Ukraine das Gefühl haben wird, dass sie mit anderer Rückendeckung von der ukrainischen Gesellschaft rechnen muss, werden die Verhandlungen mit Russland auf der Grundlage der europäischen Schlüsselprinzipien aufgebaut, den Prinzipien der Gleichheit."

Dabei erklärte der Präsident des ukrainischen Parlaments (der Werchowna Rada), "dass der außenpolitische Kurs der Ukraine in Richtung der europäischen Integration definiert ist, und dieser Kurs bleibt konstant." "Die jungen Leute, die Vertreter der mittleren Generation der Ukrainer treten in ihrer absoluten Mehrheit dafür ein, dass wir europäische Prinzipien und europäische Standards in unserem Leben haben. Wir müssen ein Land aufbauen, dass diese Perspektive hat, und dabei Entscheidungen treffen, welche aufgreifen und realisieren werden, was sich heutzutage aus dem praktischen Leben ergibt, resümierte er.

Quelle: www.rada.gov.ua/rada/control/uk/publish/article/news_left?art_id=203325&cat_id=37486


Wolodymyr Lytwyn: "Ohne die Ukraine ist Europa unvollständig"

(Pressedienst vom 23. Juni 2010)

"Die Ukraine ist ein europäisches Land. Ohne die Ukraine ist Europa nicht vollständig. Die Ukraine muss in die europäische Gemeinschaft aufgenommen werden", erklärte der Parlamentspräsident der Ukraine, Wolodymyr Lytwyn, in einem Interview mit dem deutschsprachigen Internetportal EU "EuroAktiv" in einem Resümee des offiziellen Besuchs des Parlamentspräsidenten der Ukraine in der Bundesrepublik Deutschland am 16.-17. Juni 2010.

In Beantwortung von Fragen, welchen Kurs die Ukraine wählt, in die Europäische Union oder in Richtung Russland, stellte Wolodymyr Lytwyn fest, dass es sich nicht um einen alternativen Weg handelt. Es bestehen überdies noch verschiedene Möglichkeiten, um sich seinen Weg in dieser globalisierten und in Konkurrenzkampf stehenden Welt vorzustellen, sagte er.

Der Chef des Parlaments unterstrich, dass die Ukraine auf Grund einer Reihe von objektiven Gründen normale vertragliche Beziehungen mit Russland herstellen muss, was nach seinen Worten sowohl den nationalen Interessen der Ukraine als auch den Erwartungen der EU entspricht sowie auch durch die historische Entwicklung der Ukraine bestätigt wird. "Gute Beziehungen zu den Nachbarn ist der wichtigste Garant der Sicherheit, die einem Land gewährt werden kann. Und ich bin überzeugt, dass die Ukraine als Staat souverän sein kann und sich dann in Sicherheit fühlen kann, wenn es vertrauensvolle Beziehungen zu Russland unterhält. Daran sind nicht nur wir interessiert, sondern auch andere Länder. Ruhe in unseren gegenseitigen Beziehungen bedeutet doch Ruhe auch für die EU", betonte er.

Und Wolodymyr Lytwyn unterstrich auch, dass die absolute Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen der Ukraine die Idee der europäischen Integration unterstützt.

In Beantwortung von weiteren Fragen, äußerte der Parlamentspräsident die Meinung, dass die Mitgliedschaft der Ukraine in der EU zur Überwindung der Wirtschaftskrise beitragen würde, die Europa erfasst hat. "Die komplizierten Prozesse, die jetzt in der EU ablaufen, sind der Beweis dafür, dass Europa mit einer Stimme sprechen muss, dass es als Einheit zu betrachten ist. So wie auch wir augenblicklich und sofort in der Ukraine im Realsektor der Wirtschaft zu handeln haben, um das Potential zu entwickeln, welches möglich ist, auch wenn es nicht sehr groß ist, muss überall gehandelt werden - das ist die Realökonomie. Daher bin ich der Meinung, dass unsere Mitgliedschaft in der EU dazu beitragen könnte, in gewissem Maße diesen Schlag abzufedern, der Europa getroffen hat", erklärte Wolodymyr Lytwyn. "Und umgekehrt könnten die Folgen der Krise für die Ukraine weniger spürbar sein, wenn sie Mitglied der EU wäre."

Der Parlamentspräsident der Ukraine stellte auch fest, dass für die Ukraine das Datum des Beitritts in die EU nicht wichtig ist, dass es aber wichtig ist, die Standards und die Normen innerhalb des Landes zu bestätigen und zu realisieren, die für Europa gelten. Anstatt dessen, so sagte er, "steht auf der Tagesordnung die Unterzeichnung eines Vertrages für die Assoziierung der Ukraine mit der EU, die Schaffung einer Freihandelszone sowie ein Aktionsplan für die Schaffung der Visa-Freiheit. Dann steht die Zeit für die anderen Fragen an."

Zu den wichtigsten Aufgaben, die vor dem Land stehen, zählte Wolodymyr Lytwyn die Gewährleistung zivilisierter Wirtschaftsprozesse, eine realistische Entwicklung der ukrainischen Wirtschaft, die es gleichzeitig gestatten, die Korruption zu minimieren. Der Parlamentspräsident betonte auch, dass es notwendig ist, ein transparentes System der Regierungsausübung in der Ukraine zu schaffen "dass an, erster Stelle die Interessen des Staates stehen müssen und dann an zweiter Stelle die Interessen der Parteien". Er sprach die Überzeugung aus, dass es wichtig ist, die Stimmung der Bürger zu verändern, welche sich nach seinen Worten "verantwortungsvoll in die Wahlprozesse einbringen müssen und die Verantwortung für das eigene Schicksal in die Hand nehmen müssen, damit ihre eigenen Anstrengungen der Schlüssel dafür sind, etwas im Leben zu erreichen".

In Beantwortung der Fragen wegen der Absage der Ukraine an den euroatlantischen Kurs, stellte Wolodymyr Lytwyn fest, dass die Idee des Beitritts zur NATO von der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung nicht unterstützt wird und betonte, dass Politik auf realistischen Grundsätzen basieren und die Gedanken und Stimmungen des Volkes widerspiegeln muss. Außerdem bemerkte der Vorsitzende des Parlaments der Ukraine, dass einige Mitgliedstaaten der EU keine Mitglieder der Allianz sind und "dass sie sich deswegen überhaupt nicht als zweitrangige EU-Mitglieder empfinden".

Andererseits sagte Wolodymyr Lytwyn, dass die Ukraine mit der NATO eng zusammenarbeitet, insbesondere im Rahmen eines Jahresprogramms der Partnerschaft und auf parlamentarischer Ebene. "Ich gehe davon aus, dass wir überall dabei sein müssen, wo unsere nationalen Interessen liegen", resümierte er.

Quelle: www.rada.gov.ua/rada/control/uk/publish/article/news_left?art_id=204186&cat_id=37486


Übersetzung der ukrainischen Texte: Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen


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Quelle:
Copyright 2010 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2010