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OZEANIEN/030: West-Papua - Kampf um Unabhängigkeit von Indonesien, Indigene finden Verbündete (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Januar 2014

West-Papua: Kampf um Unabhängigkeit von Indonesien - Indigene finden Verbündete

von Catherine Wilson


Bild: © Francesco Vincenzi/IPS

Kleiner Junge mit der Flagge der Nationalisten in West-Papua
Bild: © Francesco Vincenzi/IPS

Sydney. 6. Januar (IPS) - Der Freiheitskampf der Indigenen gegen Indonesien in der rohstoffreichen Westhälfte der Insel Neuguinea hat in den letzten 45 Jahren Tausende Menschenleben gefordert - und ein Ende ist nicht in Sicht. Allerdings konnte ein Bündnis aus Unabhängigkeitsbefürwortern die Unterstützung einer zwischenstaatlichen Organisation von Pazifikstaaten erringen und damit neue Hoffnung auf einen Nationalstaat West-Papua wecken.

Der Widerstand der indigenen Melanesier gegen die indonesische Herrschaft über West-Papua geht auf den von den Vereinten Nationen kontrollierten und kritisierten 'Act of Free Choice' von 1969 zurück, der lediglich knapp einem Prozent der Lokalbevölkerung die Teilnahme an der Wahl für oder wider die Unabhängigkeit West-Papuas erlaubte. Die Folge war die Stimmenmehrheit für die indonesische Integration.

Im April 2013 bewarb sich die West-Papua-Nationalkoalition für Befreiung (WPNCL), in der 29 Pro-Unabhängigkeitsorganisationen zusammengeschlossen sind, um eine Mitgliedschaft in der Gruppe der melanesischen Speerspitze ('Melanesian Spearhead Group' - MSG). Dieser zwischenstaatlichen Vereinigung gehören die Pazifikstaaten Fidschi, Papua-Neuguinea, die Salomonen, Vanuatu sowie die Sozialistisch-Nationale Kanak-Befreiungsfront (FLNKS) aus Neukaledonien mit Hauptsitz in Port Vila auf Vanuatu an.

"Unterstützung innerhalb der Region Melanesien ist von entscheidender Bedeutung, um eine starke Grundlage zu bilden und international Rückhalt und Anerkennung zu erlangen", sagte der WPNCL-Vizevorsitzende in Vanuatu, John Ondawame. "Der Kampf des Volkes von West-Papua ist nicht länger eine interne Angelegenheit Indonesiens."


Menschenrechtsmission gefordert

Das West-Papua-Bündnis wurde im vergangenen Juni zum ersten Mal als offizieller Gast zu einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs melanesischer Staaten im neukaledonischen Noumea eingeladen. Indonesien, das innerhalb der MSG einen Beobachterstatus innehat, war ebenfalls anwesend.

In einer Rede auf dem Treffen appellierte Ondawame an die Gruppe, die erneute Eintragung von West-Papua auf eine UN-Liste von Ländern zu unterstützen, die entkolonialisiert werden müssten. Außerdem forderte er die Entsendung einer Erkundungsmission, die die Menschenrechtslage in den Provinzen Indonesiens untersuchen soll.

Zum Abschluss des Treffens erklärten die politischen Entscheidungsträger der Region ihren Rückhalt für die "unveräußerlichen Rechte des Volkes von West-Papua auf Selbstbestimmung" und für alle Bemühungen, Gräueltaten der indonesischen Regierung zum Gegenstand öffentlicher Besorgnis zu machen.

Zwar hatte Indonesien melanesische Führer eingeladen, die Regierung in Jakarta über die Entwicklungen in West-Papua zu informieren, doch ein Besuch unter Führung der MSG in den umstrittenen Gebieten fand bisher nicht statt. Ein Sprecher des MSG-Sekretariats in Vanuatu erklärte, dass über Termine für eine Indonesien-Mission noch beraten werde. Die Mitglieder der Gruppe seien an einem Besuch Anfang 2014 interessiert. Ondawame kritisierte jedoch, das aus Jakarta bislang kein Einladungsschreiben gekommen sei.

Indonesien beharrte lange Zeit darauf, dass der Streit um West-Papua eine interne Angelegenheit sei. Das Leiden der indigenen Bevölkerung hat aber dazu geführt, dass sich immer mehr Melanesier auf den Pazifikinseln mit den Bewohnern von West-Papua solidarisieren.

2001 reagierte die indonesische Regierung auf die Proteste und gewährte den Provinzen Papua und West-Papua einen besonderen Autonomiestatus. Außerdem wurden sie von staatlicher Seite finanziell stärker als bisher unterstützt. 2012 flossen auf diese Weise mehr als 190 Millionen US-Dollar in die Westhälfte von Neuguinea. Darüber hinaus richtete die Regierung vor Ort eine staatliche Stelle ein, die sich für die Verbesserung der Infrastruktur und der öffentlichen Dienstleistungen einsetzen und sich der sozialen Probleme annehmen soll.


Etwa ein Drittel der Bevölkerung verarmt

Die Bewohner der Inselhälfte stehen aber noch immer vor riesigen sozialen und wirtschaftlichen Problemen. 27 Prozent der Bevölkerung in Papua und 31 Prozent der Menschen in West-Papua leben unterhalb der Armutsgrenze. In Ost-Java sind es lediglich 13 Prozent und in der Hauptstadt Jakarta sogar nur 3,7 Prozent.

Das indonesische Militär kontrolliert das zivile Leben in West-Papua. Regelmäßig werden den Streitkräften Morde, Brutalität, Korruption sowie die Beteiligung an Drogenschmuggel und illegalem Holzschlag vorgeworfen. Die Menschenrechtsorganisation 'Amnesty International' berichtete 2012 von der Festnahme von 90 friedlich demonstrierenden Aktivisten. Indonesische Sicherheitskräfte werden zudem schwerer Menschenrechtsverstöße einschließlich Folter beschuldigt.

"Der Unabhängigkeitskampf von West-Papua ist auch ein Kampf Melanesiens. Das Volk von Melanesien muss eigenverantwortlich handeln", erklärte Fred Mambrasar von der unabhängigen Gruppe Melanesische Vereinigte Front in Papua-Neuguinea.


Bis zu 500.000 Tote im Freiheitskampf

Laut einer Studie der Universität Sydney starben unter der indonesischen Herrschaft während der vergangenen 50 Jahre in West-Papua bis zu 500.000 Menschen. Solidaritätsbekundungen haben im vergangenen halben Jahr in der gesamten Region zugenommen. Eine Gruppe Indigener aus Australien und West-Papua segelte im September auf der 'Freiheitsflotte' bis zur Küste des umstrittenen Gebietes, um Freiheit und Gerechtigkeit einzufordern.

In Papua-Neuguinea startete die Vereinigte Melanesische Front Sensibilisierungskampagnen. Darüber hinaus kam es zu Demonstrationen in den Städten, die die Unterstützung des Gouverneurs des Hauptstadtbezirks Port Moresby, Powes Parkop, fanden. Im Oktober erhielt die MSG ein Solidaritätsschreiben, das von 98 international tätigen und pazifischen Nichtregierungsorganisationen unterzeichnet worden war.

Die Einwohner von West-Papua werten die bisherigen Bemühungen der MSG um eine Dekolonisation von Gebieten wie dem inzwischen unabhängigen Osttimor sowie der zu Frankreich gehörenden Inselgruppe Neukaledonien und Französisch-Polynesien als Zeichen der Hoffnung.


UN soll "historische Fehler berichtigen"

Im September forderte der Ministerpräsident von Vanuatu, Moana Carcasses, die UN-Vollversammlung auf, "einige historische Fehler zu berichtigen" und einen Sonderbevollmächtigten zur Untersuchung von Menschenrechtsproblemen und politischen Fragen einzusetzen.

Patrick Kaiku von der Vereinigten Melanesischen Front befürchtet allerdings, dass Indonesien als Beobachter in der MSG die Bedingungen für eine Mitgliedschaft West-Papuas diktieren wird. Um dies zu verhindern, "muss die Unabhängigkeit der MSG gewährleistet werden".

Der Staat Papua-Neuguinea, der Beobachterstatus innerhalb des Verbands Südostasiatischer Staaten (ASEAN) genießt, unterhält substanzielle Handelsbeziehungen zu Indonesien, ist aber zugleich besorgt über die Sicherheit entlang der gemeinsamen Grenze. Im Juni fuhren offizielle Vertreter des Staates jedoch zu Gesprächen nach Jakarta, anstatt an dem Gipfel der MSG-Führer teilzunehmen.

Die Staatsführung der Salomonen wurde bei einem bilateralen Treffen im August von der indonesischen Regierung über die Entwicklungen in West-Papua separat in Kenntnis gesetzt. Dennoch ist sich Ondawame sicher, dass sein Bündnis "die diplomatische Schlacht in der Region gewonnen hat". (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.msgsec.info/
http://www.ipsnews.net/2013/12/west-papua-searches-far-rights/

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IPS-Tagesdienst vom 3. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2014