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RUSSLAND/156: Bröckelt Moskaus Einfluss in Zentralasien? (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 29/30 vom 20. Juli 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Bröckelt Moskaus Einfluss in Zentralasien?
Usbekistan und Tadschikistan im Visier Washingtons

von Willi Gerns



Wie die UZ bereits berichtete, hat Usbekistan das von Russland geführte Militärbündnis OVKS verlassen. Den Hintergrund dafür sehen russische Experten in der verstärkten Zusammenarbeit mit den USA und der Absicht Washingtons, eine große Militärbasis in Usbekistan zu errichten.

Ähnliche Pläne hegt das Pentagon offenbar auch in Tadschikistan. So erklärte Dan Burton, der Leiter einer Delegation von Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses, bei deren Besuch Tadschikistans Anfang Juli in "Radio Osodi": "Wir brauchen sehr starke strategische Partner, wie Tadschikistan. Sie haben eine ziemlich lange Grenze mit Afghanistan, Sie liegen am strategischen Transitweg nach Manas (US-Basis in Kirgistan - W. G.). 2014 soll die Basis in Manas geschlossen werden. Obwohl wir nicht völlig für die Regierung der USA sprechen können, glauben wir, dass Tadschikistan als Ersatz für dieses Transitzentrum betrachtet werden kann. Nach unserer Rückkehr werden wir mit dem Außenministerium darüber sprechen."

Dabei geht es offensichtlich um einen für lange Frist gedachten US-Militärstützpunkt. Fügte Burton doch hinzu: "Wenn die Basis in Manas geschlossen sein wird, brauchen wir einen Weg, der uns gestattet, sicher zu sein, dass Taliban und Al-Kaida nicht erneut als starke Kraft in Afghanistan und der Region emporkommen. Gerade aus diesem Grund benötigen wir eine Basis für die Durchführung von Operationen, wenn diese notwendig werden."

Die "Operationen" können ein weites Feld umfassen, möglicherweise eines Tages sogar Russland oder China. Näher liegt allerdings zunächst ein anderes Land der Region. Wie der Leiter des Zentrums für militärische Prognosen, Oberst i. R. Anatoli Zyganok, feststellt, geht es bei der verstärkten militärischen Präsenz der USA in Zentralasien auch um ein Sprungbrett für einen möglichen Krieg gegen den Iran.

Auf der Internetseite "KM.Ru" wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der anvisierten tadschikischen Alternative zur US-Luftwaffenbasis Manas in Kirgisien nur um den strategisch wichtigen Flughafen Aini handeln könne. Um diesen habe sich Russland bisher vergeblich bemüht. Jetzt sei es möglich, dass Washington Moskau das Objekt vor der Nase wegschnappe. Wenn berücksichtigt werde, so heißt es weiter, dass es bisher noch keine unumstößliche Tatsache sei, dass Kirgisien 2014 nach Auslaufen des Nutzungsvertrages für Manas die Amerikaner von dort "Wegbitten" werde und bereits von einem großen US-Militärstützpunkt in Usbekistan die Rede sei, so werde Russland vor das Faktum einer massiven Verstärkung der Präsenz Washingtons in Zentralasien gestellt, das diese Region als seine "privilegierte Interessenzone" ansehe.

Der Besuch der Emissäre des US-Repräsentantenhauses fällt bezeichnenderweise mit einer deutlichen Verschlechterung der russisch-tadschikischen Beziehungen zusammen. Diese findet ihren Ausdruck vor allem darin, dass die Verhandlungen zwischen den beiden Ländern über eine Verlängerung der Pacht für die russische Militärbasis in Tadschikistan in eine Sackgasse geraten sind. Sie geht zurück auf den Einsatz eines russischen Truppenkontingents zur Sicherung der tadschikisch-afghanischen Grenze während des blutigen Bürgerkrieges in den 1990er Jahren. Gegenwärtig sind mehr als 6000 russische Soldaten an drei Standorten in Tadschikistan stationiert. Wenn das tadschikische Regime die 2014 auslaufende Frist für die Pacht der russischen Basis nicht verlängert, geht die militärische Präsenz Russlands in Tadschikistan zu Ende und es würden sich nur noch US-Militärs als ausländische Soldaten im Land befinden, da diese sich schon jetzt zur Ausbildung tadschikischer Grenzer an US-Waffensystemen an der Grenze zu Afghanistan befinden.

Das Regime Präsident Rachmons versucht die Situation zu nutzen, um Russland zu erpressen. Nachdem beim Besuch Präsident Medwedjews in Duschanbe im letzten Jahr bereits eine prinzipielle Übereinkunft über die Verlängerung der Pacht für den Stützpunkt um 49 Jahre erreicht und dies auch bei den Verhandlungen im ersten Quartal dieses Jahres vereinbart worden war, ist nun wieder alles offen. Plötzlich verlangt Tadschikistan eine Erhöhung der Pachtsumme um ein Vielfaches und anstatt 49 Jahre soll die Laufzeit des Vertrages auf 10 Jahre beschränkt werden. Russische Vertreter erklären diese Bedingungen für unannehmbar und die zuständigen militärischen Stellen haben die Zuweisung finanzieller Mittel für die Erhaltung und den Ausbau der Basis vorerst auf Eis gelegt.

Wenn der russische Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow trotz alledem seine Zuversicht zum Ausdruck brachte, dass der Vertrag über die Verlängerung der Pacht auf Grundlage der früheren Absprachen zustande kommen werde, so sind Zweifel angebracht. Die in der Zeitung "Wzglad" geäußerte Meinung, dass die Erhöhung der Pachtgebühr für Duschanbe "nur der Vorwand ist, um sich vom russischen Militär zu verabschieden und stattdessen die Amerikaner einzuladen", scheint nicht aus der Luft gegriffen zu sein. Und zu den Beweggründen dieses Verhaltens stellt die militärpolitische Zeitschrift "Wojennoje obosrjenije" zutreffend fest: "Unmittelbar nach Usbekistan demonstriert Tadschikistan zum wiederholten Mal, dass sich weder Rachmon noch Karimow um gutnachbarliche Beziehungen untereinander, noch um solche mit Moskau kümmern. Anstelle dessen geht es den beiden Führern umso mehr darum, um jeden beliebigen Preis dadurch Präferenzen für sich herauszuhandeln, dass sie gleich auf mehreren Stühlen sitzen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 29/30 vom 20. Juli 2012, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2012