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USA/268: Wie Obama den Nahen Osten befrieden kann (Haus Rissen)


HAUS RISSEN
Internationales Institut für Politik und Wirtschaft

Friedenspfeife statt Kriegsbeil: Wie Obama den Nahen Osten befrieden kann

Aktuelle Analyse Nr. 188 vom 29. Januar 2009
Von Sebastian Bruns und Jasna Makdissi


Kaum war die Euphorie über den Wahlsieg Barack Obamas verklungen, brannte es im Nahen Osten schon wieder lichterloh. Der neue Präsident erbt ein Chaos. Die USA sind heute mit einer in Unordnung geratenen arabischen Welt, zerstrittenen Akteuren und zwei ungelösten und sich zuspitzenden Großkonflikten konfrontiert. Dabei haben sich mehrere drängende Krisenherde zu einem überwölbenden Konflikt verschmolzen. Iran ist unversehens zum dominanten, nuklear ambitionierten Akteur aufgestiegen und reicht mit seinen Tentakeln wie ein Polyp bis nach Syrien, in den Libanon und in die palästinensischen Gebiete hinein. Dort streut es unter bereitwilligen Gruppierungen sein Gift, um Israel nachhaltig zu schaden. Die Aussicht auf ein nuklear bewaffnetes Persien ist die Horrorvision vieler, nicht zuletzt all jener, die plötzlich in Reichweite einer iranischen Rakete mit atomarem Sprengkopf liegen - zu vorderst Israel. Gerade die sich nach einem eigenen Staat sehnenden Palästinenser sind allzu bereit, den Pakt mit dem Erzfeind Israels, frei nach dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund", einzugehen.

Ein Masterplan zur Eindämmung des iranischen Einflusses liegt allerdings nicht vor. Eine viel versprechende Lösung könnte eine Doppelstrategie aus Internationalisierung und Institutionalisierung des Konflikts sein. Internationalisierung hieße, Russland und China als Partner einzubinden und gemeinsam mit den Europäern eine gütliche Lösung zu finden. Institutionalisierung bedeutete, mittelfristig eine ständige Regionalkonferenz in thematischer und organisatorischer Anlehnung an die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in den 70er und 80er Jahren zu etablieren, etwa in Form einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten (KSZNO).

Diese Lösung würde gerade Israel nutzen, das sich in Stellvertreterkriegen aufreibt. Wie schon 2006 gegen die Hisbollah im Libanon, holte das Land Ende Dezember 2008 zu einem umfassenden Militärschlag gegen einen nicht-staatlichen Feind aus, die palästinensische Hamas im Gaza-Streifen. Trotz dieser berechtigten Selbstverteidigung, um die Sicherheit seiner Staatsbürger zu gewährleisten, verschlechterte sich Israels militärische und politische Lage dadurch abermals und verkompliziert zudem die Friedensbemühungen der Obama-Regierung. Der Zeitpunkt freilich war aus israelischer Sicht klug gewählt: In Washington herrschte ein Machtvakuum, die "lahme Ente" im Weißen Haus, George W. Bush, konnte nicht mehr reagieren und schwieg beharrlich. Der designierte Amtsinhaber Barack Obama hingegen durfte noch nicht.

Fatalerweise sind durch diese Aktion die vorsichtigen Annäherungen, die sich gerade erst wieder unter Vermittlung der Türkei zwischen Israel und Syrien anbahnten, auf Eis gelegt. Als Schlüssel zur Entspannung des Nahen Ostens entdeckt, verfügt Damaskus durch seine geostrategische Lage und seine politischen Allianzen über eine wichtige Brückenfunktion. Gelänge es, die Zweckehe zwischen Syrien und dem Iran zu scheiden und den Einfluss des Assad-Regimes konstruktiv zu kanalisieren, könnte die ganze Region in einer Art Kettenreaktion in Bewegung geraten, so die Hoffnung vieler vor dem "Silvesterkrieg". Nun jedoch sind diese Absichten durch den israelischen Vorstoß konterkariert. Es verwundert allerdings nicht, dass rechtzeitig zur Amtseinführung des neuen Präsidenten die Kriegshandlungen vorerst eingestellt wurden und die verfeindeten Parteien zum Status Quo Ante zurückkehrten. Jenseits allen Säbelrasselns und Kanonendonners zeigt sich nämlich ein Silberstreif am Horizont. Lokale Friedens- und Vermittlungsbemühungen, wie 2008 von einigen arabischen Staaten vorangetrieben, müssen auch in Zukunft weitergeführt und ausgebaut werden. Obama ist sich dieser Verantwortung durchaus bewusst und sprach im Wahlkampf vom "Fenster der Gelegenheit" für außenpolitische Aktivitäten Amerikas in 2009.

Denn George W. Bush verspielte sein Zeitguthaben als ehrlicher Makler durch missionarischen Eifer, sein manichäisches Weltbild und außenpolitische Entscheidungen wie der Irak-Intervention und dem späten, halbherzigen Bekenntnis zum eigenständigen Palästinenserstaat. Die sich daraus ergebende Schwäche der Bush-Administration, als wirksamer Konfliktmediator zu agieren, hat zu einer bis dato selten gesehenen Eigeninitiative der arabischen Staaten geführt. Sie wollen nicht länger ewige Verlierer der Weltgeschichte sein; immer mehr von ihnen wollen von der Globalisierung profitieren. Das Motto gegenüber den USA lautet zunehmend: Distanz ohne Affront.

Fest steht aber auch, dass Amerika weiterhin eine wichtige Rolle in dieser komplexen Gleichung einnehmen muss. Zwar zählen enge Beziehungen zu Israel zur amerikanischen Staatsräson, aber Obama wäre gut beraten, die regionalen Aktivitäten der arabischen Länder wohlwollend zu begleiten. Die ihm weltweit entgegengebrachten Sympathien könnten dabei helfen. Seine Strategie muss sein, alle Akteure, auch unbequeme wie die Hamas oder den Iran, einzubeziehen. Obama hat schon im Wahlkampf versprochen, dass die USA Garant der internationalen Stabilität und unverzichtbare Ordnungsmacht bleiben werden. Der Anspruch, die Führung in der Welt zu übernehmen, bleibt. Der Stil aber wird anders.


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Quelle:
Aktuelle Analyse Nr. 188 vom 29.01.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2009