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USA/364: Kosten für Einwanderungskontrolle explodieren, Rekordzahl von Abschiebungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2013

USA: Kosten für Einwanderungskontrolle explodieren - Rekordzahl von Abschiebungen

von Carey L. Biron



Washington, 10. Januar (IPS) - Die USA investieren Rekordsummen für die Einwanderungskontrolle. Die jährlichen Kosten übersteigen die Mittel für alle anderen föderalen Strafvollzugsorgane zusammen genommen. Eine umfassende Studie der Washingtoner Denkfabrik 'Migration Policy Institute' (MPI) wirft ein Schlaglicht auf die zunehmende Komplexität des Themas Immigration in den vergangenen zehn Jahren.

Wie aus dem Bericht 'Migration Enforcement in the United States' hervorgeht, befanden sich im Fiskaljahr 2011 etwa 430.000 Migranten in Haft. Im regulären US-Strafvollzug sitzen weniger Menschen ein. Die hohe Zahl inhaftierter Zuwanderer ist eine direkte Folge der Anti-Terrorprogramme, die nach den Anschlägen vom 11. September 2011 aufgelegt wurden. Die jahrelangen Debatten im Parlament über eine Revision der Einwanderungsregelungen haben bisher zu keinem Ergebnis geführt. Stattdessen wird mit harter Hand gegen die illegale Einwanderung vorgegangen.

"Kein anderes Land der Welt ist so entschlossen und hat so hohe Kosten auf sich genommen, um die Einwanderung unter Kontrolle zu bringen", sagte MPI-Präsident Demetrios G. Papademetriou bei der Vorstellung der Studie. Der Einfluss des Staates reiche von lokalen Gerichtssälen und Gefängnissen bis hin zu der Kontrolle von Fluggästen, die vom Ausland aus in die USA reisen wollten, erklärte er. "Damit werden die Grenzen der USA weit über das Land hinaus ausgedehnt."

Vor etwa 25 Jahren hatte der US-Kongress das erste Gesetz verabschiedet, das ein härteres Vorgehen gegen Einwanderer vorsah. Seitdem sind die Kosten für die Einwanderungskontrollen auf mehr als 219 Milliarden US-Dollar gestiegen, wie aus den MPI-Report hervorgeht, der als erster untersucht, an welchen Stellen die US-Einwanderungsbehörden in den vergangenen zehn Jahren ausgebaut wurden.


Millionen Familien auseinandergerissen

"Dieser Bericht legt dem Kongress in Zeiten knapper Haushaltsmittel nahe, nicht noch mehr Geld für die Einwanderungskontrolle auszugeben", sagte Don Lyster vom 'National Immigration Law Center' in Washington. Wie er bemängelte, hat der Report nicht die Auswirkungen dieser hohen US-Ausgaben auf die betroffenen Menschen untersucht. "Millionen Familien wurden auseinandergerissen, Eltern von ihren Kindern und Männer von ihren Frauen getrennt. Denn der Kongress hat sich vor allem auf den Vollzug konzentriert, statt es den Immigranten zu ermöglichen, die Staatsbürgerschaft zu beantragen."

Das Gesetz, das die Grundlage für die heutigen Regelungen bildet, wurde zwar bereits 1986 eingeführt, aber erst nach den Anschlägen von 9/11 und der damit einhergehenden Bereitstellung der Mittel angewandt. Die Einwanderungskontrolle wurde zum Eckpfeiler der neuen Strategie des Landes im Kampf gegen den Terrorismus.

Infolgedessen wird eine "Politik der verbrannten Erde im Umgang mit illegalen Einwanderern betrieben, vor allem mit den denjenigen, die bereits vorbestraft sind", kritisierte Muzaffar Chishti, einer der Autoren der MPI-Studie, bei einer Podiumsdiskussion. Die neuen Strategien hätten das Strafrechtssystem und die Einwanderungsbehörden auf außergewöhnliche Weise miteinander in Verbindung gebracht.

Vorher waren Einwanderer zumeist dann abgeschoben worden, wenn sie schwere Verbrechen begangen hatten. 1996 nahm das Parlament eine neue Kategorie von Strafen für rund 50 Straftaten hinzu. Viele dieser Delikte waren zuvor lediglich als leichte Vergehen betrachtet worden. Somit haben die strafrechtlichen Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Einwanderungsvorschriften in beispielloser Weise zugenommen. Zwischen 2001 und 2009 haben sie sich sogar von 16.000 auf 92.000 pro Jahr versechsfacht, wie Chishti ausführte. Die Hälfte aller strafrechtlichen Ermittlungen der Bundesjustiz steht mittlerweile im Zusammenhang mit Einwanderern.

Laut dem Report wurde fast die Hälfte dieser Ermittlungsverfahren in fünf Justizdistrikten entlang der Grenze zwischen den USA und Mexiko aufgenommen. Dort leben lediglich zehn Prozent aller US-Einwohner.


Budgeterhöhungen für Behörden von bis zu 30 Prozent jährlich

Unabhängige Beobachter warnen, dass weder die Regierung noch auswärtige Beobachter angesichts der enormen Ausweitung der Einwanderungskontrollmechanismen noch den Überblick behalten können. "Wenn das Budget der Behörden um jährlich 20 bis 30 Prozent erhöht wird, wie es in einigen Jahren geschehen ist, können diese Mechanismen nicht mehr angemessen überprüft werden", beanstandete Doris Meissner, eine weitere Ko-Autorin des Berichts, die früher für die Einwanderungsbehörde gearbeitet hatte. Überdies warf sie den Behörden einen Mangel an Transparenz vor.

Ali Noorani, Exekutivdirektor des 'National Immigration Forum', beschuldigte Washington, Milliarden Dollar für die Einwanderungskontrolle in Zeiten knapper Mittel auszugeben, ohne für eine nationale Strategie gesorgt zu haben.

Baldige Veränderungen erwarten politische Beobachter nicht. US-Präsident Barack Obama hat zwar für seine zweite Amtszeit eine umfassende Reform der Einwanderungspolitik als prioritäres Thema angekündigt. In seiner ersten Amtsperiode wurden allerdings noch etwa 1,6 Millionen Einwanderer abgeschoben. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.migrationpolicy.org/pubs/enforcementpillars.pdf
http://www.immigrationforum.org/
http://www.nilc.org/
http://www.ipsnews.net/2013/01/u-s-immigration-systems-cost-reach-unprecedented/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2013