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USA/374: Meinungsumschwung in Miami - Mehrheit für Normalisierung der Beziehungen zu Kuba (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2014

Kuba: Meinungsumschwung in Miami - Mehrheit für Normalisierung der Beziehungen

von Jim Lobe


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Demonstration in der kubanischen Stadt Holguin
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Washington, 13. Februar (IPS) - Sollte US-Präsident Barack Obama die Normalisierung der bilateralen Beziehungen mit Kuba weiter vorantreiben wollen, wäre ihm die Rückendeckung der meisten US-Bürger gewiss. Und nicht nur das: Nach den jüngsten Erkenntnissen des Atlantikrats, einer führenden Denkfabrik in Washington, ist der Ruf nach einer politischen Wende landesweit nirgendwo lauter zu vernehmen als in Florida, der einstigen Hochburg der Kuba-Gegner.

Wie die Auswertung einer im Januar vom überparteilichen 'Adrienne-Arsht-Lateinamerika-Zentrum des Atlantikrats durchgeführten Umfrage ergab, sind inzwischen 56 Prozent aller erwachsenen US-Bürger dafür, die Beziehungen zu dem Karibikstaat auf eine normale Basis zu stellen beziehungsweise auf direkterem Weg als bisher mit Havanna in Verbindung zu treten. Lediglich 35 Prozent sprachen sich dagegen aus.

Im Bundesstaat Florida, wo die meisten der aus Kuba stammenden US-Bürger leben, plädieren sogar 63 Prozent für den Wandel. Darunter sind Abgeordnete des Kongresses in Washington, die bisher zu den erbittertsten Gegnern der Castro-Regierung gehörten. Gerade einmal 30 Prozent der Umfrageteilnehmer aus Florida lehnen eine Normalisierung der Beziehungen ab.

Von den US-Amerikanern lateinamerikanischer Herkunft stimmten 62 Prozent für und ungefähr 30 Prozent gegen ein engeres Verhältnis zu Kuba. "US-Bürger, vor allem diejenigen, die in Florida leben oder lateinamerikanischer Herkunft sind, würden Veränderungen in der Kuba-Politik begrüßen", erklärten der Zentrumsleiter Peter Schechter und sein Stellvertreter Jason Marczak. "Auch wenn die Gegner des Wandels mit Entschlossenheit und Leidenschaft punkten können, so haben die demografische Entwicklung und die Einwanderung die Gleichung verändert."

Laut Marc Hanson vom Washingtoner Lateinamerika-Büro (WOLA), einem weiteren Think Tank, der sich seit langem für die Normalisierung der bilateralen Beziehungen einsetzt, wurde die Umfrage in einer Zeit durchgeführt, in der mehrere einflussreiche Persönlichkeiten beider politischen Lager in Florida öffentlich eine neue US-Kuba-Politik forderten.


Politiker sprechen sich offen gegen Kuba-Embargo aus

Zwei Demokraten, die für Gouverneursämter kandidieren - unter ihnen Charlie Christ, der von 2007 bis 2011 republikanischer Gouverneur von Florida war - stellten sich kürzlich offen gegen das seit fast 54 Jahren aufrecht erhaltene Embargo gegen Kuba. Außerdem sprach der Milliardär kubanischer Herkunft, Alfonso Fanjul, der sein Vermögen in der Zuckerindustrie erworben hat, öffentlich über seine Besuche auf der Insel und seine dortigen Geschäftsinteressen.

Ein weiterer kubastämmiger Geschäftsmann, Jorge Perez, setzte sich für einen Ausbau des bilateralen Handels zwischen den beiden Staaten ein und äußerte die Hoffnung, bald Werke kubanischer Künstler, auch solcher mit Verbindungen zur Regierung in Havanna, in seinem neuen Museum in Miami ausstellen zu können.

"Vor nicht allzu langer Zeit hätte Kritik an dem Embargo in Florida einen politischen Selbstmord bedeutet", sagte Hanson. "Doch die jüngsten öffentlichen Äußerungen zeigen, dass sich das politische Kalkül verändert hat."

Tatsächlich konnte Obama, der schon im Wahlkampf 2008 in der Kuba-Frage eine liberalere Haltung eingenommen hatte, in Florida mehr Stimmen erringen als sein republikanischer Herausforderer John McCain. Und dass er mehrere Bestimmungen seines Amtsvorgängers George W. Bush außer Kraft setzte, die die Möglichkeiten für US-Amerikaner kubanischer Herkunft, ihre Familien finanziell zu unterstützen und selbst nach Kuba zu reisen, weiter eingeschränkt hatten, tat seiner Beliebtheit in Florida keinen Abbruch. Der Anteil der US-Kubaner, die 2012 für Obama stimmten, erhöhte sich gar um zehn Prozent.

Nach diesen ersten Schritten ist Obama allerdings vorsichtig geworden, nicht zuletzt deshalb, weil Alan Gross, Subunternehmer der US-Entwicklungsbehörde USAID, nach wie vor in Kuba hinter Gittern sitzt. Gross war Ende 2009 festgenommen und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er unter anderem ohne Genehmigung Computer an Mitglieder der jüdischen Gemeinde Kubas verteilt hatte.

Die meisten politischen Beobachter gehen davon aus, dass Havanna hofft, Gross gegen vier noch in den USA inhaftierte kubanische Geheimdienstmitarbeiter austauschen zu können, die Ende der 1990er Jahre in den USA wegen Spionage und anderer Vergehen verurteilt worden waren. Einer der sogenannten 'Cuban Five' wurde 2011 freigelassen. Ein weiterer wird wahrscheinlich in diesem Monat aus der Haft entlassen.


Weitreichende Reformen gefordert

Obama hat in den letzten Jahren Bildungs- und Kulturreisen nach Kuba erleichtert sowie bilaterale Gespräche auf niedriger Ebene über Themen wie Migration zugelassen. Doch Michael Shifter vom 'Inter-Amerikanischen Dialog' zufolge handelt es sich bei diesen Lockerungen um lediglich marginale politische Veränderungen. Die Denkfabrik setzt sich für weitreichendere Reformen ein, die ihrer Meinung nach auch das Verhältnis zu ganz Lateinamerika verbessern würden.

An der jüngsten Meinungsumfrage beteiligten sich 2.000 Personen, neben 1.000 willkürlich ausgesuchten Erwachsenen auch 617 Einwohner Floridas und 525 Latinos. Dabei zeigte sich, dass der Anteil der Männer (61 Prozent), die sich engere Beziehungen zu Kuba wünschen, höher ist als der der Frauen (51 Prozent). Die meisten derjenigen, die sich für die politische Kehrtwende aussprachen, haben einen höheren Bildungsabschluss. Für den Wandel stimmten 52 Prozent der Anhänger der Republikaner, die traditionell den größten Widerstand gegen eine Aufhebung des Embargos geleistet haben.

Landesweit sind laut der Umfrage 62 Prozent aller US-Bürger dafür, dass US-Firmen mit dem Inselstaat Handel treiben. 61 Prozent wünschen sich, dass die Reisebeschränkungen für US-Bürger aufgehoben werden. In Florida liegt der Anteil der Befürworter bei jeweils 63 und 67 Prozent.

Nur wenige politische Beobachter rechnen bereits in diesem Jahr, in dem Zwischenwahlen für den Kongress stattfinden, mit einem Gesetz zur Lockerung des Wirtschaftsembargos gegen Kuba. Doch sind viele der Meinung, dass die Umfrageergebnisse Obama zu weiteren Schritten veranlassen sollten. So soll er sich darum bemühen, das Kuba von der US-Liste der Länder gestrichen wird, die den internationalen Terror unterstützen. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.atlanticcouncil.org/publications/reports/us-cuba-a-new-public-survey-supports-policy-change
http://www.ipsnews.net/2014/02/floridians-lead-u-s-favouring-normalisation-cuba/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2014