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USA/384: USA/Kuba - Sabotage der Entspannungsbemühungen in der Kennedy-Ära (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2015

USA/Kuba:
Sabotage der Entspannungsbemühungen in der Kennedy-Ära

von Robert F. Kennedy Jr.*



White Plains, New York, 20. Januar (IPS) - Ich bin in Hickory Hill aufgewachsen, auf dem Anwesen meiner Familie im US-Bundesstaat Virginia. Hier besuchten uns oft Veteranen, die an der gescheiterten Invasion in der [kubanischen] Schweinebucht teilgenommen hatten.

Mein Vater Robert F. Kennedy, der einerseits den Mut dieser Veteranen bewunderte und sich gleichzeitig zutiefst schuldig fühlte, die Kubaner durch diesen schlecht geplanten Einfall in Gefahr gebracht zu haben, setzte sich persönlich dafür ein, dass sie Arbeit und Wohnungen erhielten. Vielen ermöglichte er den Eintritt in die US-Streitkräfte.

Doch als sich der Entspannungsprozess entfaltete, griffen Misstrauen und Unmut so sehr um sich, dass sogar diejenigen Kubaner Hickory Hill fernblieben, die meinen Vater liebten und ihn in meinen Kindertagen dauernd besucht hatten.

In den Augen der CIA war Entspannung nichts weiter als perfide Aufwiegelei. Adlai Stevenson [zu jener Zeit US-Botschafter bei den Vereinten Nationen] versuchte Präsident John F. Kennedy zu warnen, indem er sagte, "dass leider die CIA für Kuba zuständig ist". Der Geheimdienst werde nie eine Normalisierung der [US-kubanischen] Beziehungen zulassen.

JFK war an Geheimverhandlungen mit Fidel Castro beteiligt. Obwohl Foggy Bottom [US-Außenministerium] und Langley [CIA] übergangen wurden, wusste die CIA über die geheimen Kanäle zwischen JFK und Castro Bescheid und versuchte die Friedensbemühungen mit irrwitzigen Methoden zu sabotieren.

Im April 1963 besprühten CIA-Beamte einen Taucheranzug, den JFKs Gesandte James Donovan und John Nolan dem kubanischen Staatschef als Geschenk mitbringen sollten, mit Gift in der Hoffnung, Castro auf diese Weise töten, JFK die Verantwortung für den Mord zuschieben und Kennedy und seine Friedensbemühungen in Verruf bringen zu können.

Auch stattete der Geheimdienst den auf Fidel angesetzten Auftragskiller Rolendo Cubelo in Paris mit einem vergifteten Füller aus. William Attwood [ehemaliger Journalist und US-Diplomat bei den Vereinten Nationen, der von JFK mit der Aufnahme der Geheimverhandlungen mit Castro beauftragt worden war] erklärte die Haltung der CIA folgendermaßen: "Zur Hölle mit dem Präsidenten, dem sie eigentlich dienen müsste."

Viele Exilkubaner brachten damals offen ihre Empörung über den 'Verrat' des Weißen Hauses zum Ausdruck, indem sie JFK vorwarfen, Fidel Castro eine "Ko-Existenz" zu ermöglichen. Einige Kubaner blieben meinem Vater treu verbunden, doch ein kleiner harter Kern aus mordgierigen Castro-Hassern richtete seinen Zorn nun auf JFK. Es liegen glaubwürdige Hinweise dafür vor, dass diese Leute und ihre Handlanger bei der CIA an Mordkomplotten gegen ihn beteiligt waren.

Am 18. April 1963 legte ein zornentbrannter Don José Miro Cardona den Vorsitz des 'Kubanischen Revolutionsrats' mit den für JFK bestimmten Worten nieder, dass die US-Regierung den Kampf für Kuba sabotiere. "Somit bleibt uns nur ein Weg, dem wir folgen werden: dem der Gewalt".

Hunderte Exilkubaner in Miami bekundeten ihren Ärger über das Weiße Haus, indem sie schwarzes Krepppapier aus den Fenstern ihrer Häuser hängten. Im November 1963 brachten Exilkubaner ein Pamphlet in Umlauf, in dem ein mögliches Attentat auf JFK angedeutet wurde. So ging aus dem Papier hervor, dass nur eine Entwicklung Castros Entmachtung herbeiführen und die Rückkehr der Exilkubaner in ihr geliebtes Heimatland ermöglichen würde: "wenn das Weiße Haus dank einer göttlichen Fügung innerhalb weniger Wochen einem Texaner in die Hände fiele, der bekanntermaßen ein Freund ganz Lateinamerikas ist".

Der Mafia-Boss und einstige Kasinozar von Havanna, Santo Trafficante, der mit der CIA verschiedene Mordkomplotte gegen Castro geplant hatte, erklärte kubanischen Freunden, dass JFK Zielscheibe eines Attentats werden würde.

Am selben Tag, als JFK erschossen wurde, traf sich Castro in seinem Sommersitz am Strand von Varadero mit dem französischen Journalisten Jean Daniel, Redakteur der sozialistischen Zeitung 'Le Nouvel Observateur' und einer von JFKs geheimen Verbindungsmännern zu Castro. Um 13.00 Uhr wurden die beiden telefonisch über den Mord an JFK informiert. "Voilà, das ist das Ende Ihrer Friedensmission", so Castro damals zu Daniel.

Nach JFKs Tod drängte Castro Lisa Howard [ABC-Journalistin, die JFK und Castro ebenfalls als Vermittlerin diente], Adlai Stevenson, William Attwood und andere immer wieder dazu, Kennedys Nachfolger Lyndon Johnson zur Wiederaufnahme des Dialogs zu bewegen. Johnson ignorierte die Anfragen, und irgendwann gab Castro auf.

Unmittelbar nach dem Attentat auf JFK kamen Gerüchte auf, dass Castro der Auftraggeber des Mordes an Präsident Kennedy gewesen sei. Sie stellten sich später als falsch heraus. Johnson und andere Vertreter seiner Regierung kannten die Gerüchte und nahmen ihre Auswirkungen offenbar in Kauf.

Johnson entschloss sich gegen eine Wiederannäherung an Kuba, nachdem ihm von seinen Geheimdiensten inklusive dem Chef des FBI J. Edgar Hoover mitgeteilt worden war, dass der [Attentäter] Lee Harvey Oswald ein Agent der kubanischen Regierung gewesen sein könnte. Und dies, obwohl Oswald mit dem Anti-Castro-Lager sympathisierte.

Nach dem Tod von JFK versuchte mein Vater das US-Außenministerium zu einer Analyse der Frage zu bewegen, ob es für die USA nicht doch möglich sei, mit Castro zu leben. "Die derzeitigen Reisebeschränkungen sind mit traditionellen amerikanischen Freiheiten unvereinbar", erklärte mein Vater in seiner damaligen Funktion als US-Generalstaatsanwalt in Gesprächen über das Reiseverbot für US-Bürger nach Kuba, die hinter den Kulissen geführt wurden.

Im Dezember 1963 bereitete das Außenministerium eine Klage gegen vier Mitglieder des 'Student Committee for Travel to Cuba' vor, die eine Gruppe von 59 amerikanischen College-Schülern nach Havanna geführt hatten. Mein Vater widersetzte sich der strafrechtlichen Verfolgung und sprach sich zudem gegen das Reiseverbot für US-Bürger nach Kuba aus.

Am 12. Dezember 1963 schrieb er in einem vertraulichen Memorandum an den damaligen Außenminister Dean Rusk, dass er eine "Rücknahme der bestehenden Bestimmung, US-Bürgern Reisen nach Kuba zu verbieten, begrüßen würde". Mein Vater argumentierte, dass eine Einschränkung der Reisefreiheit der Amerikaner gegen die Rechte verstoße, die zu schützen es seine Aufgabe als Generalstaatsanwalt sei. Mit der Entscheidung, das Verbot aufzuheben, "würden wir eher unseren Vorstellungen von einer freien Gesellschaft entsprechen und uns von Dingen wie der Berliner Mauer und den kommunistischen Reiseeinschränkungen distanzieren".

Daraufhin schloss Außenminister Rusk meinen Vater von weiteren Gesprächen über auswärtige Angelegenheiten aus. Er blieb zwar Johnsons Generalstaatsanwalt, wurde jedoch von dem Geschäftsbereich entbunden, der ihm unter Kennedy erlaubt hatte, die US-Außenpolitik mitzugestalten.

In den ersten beiden Jahren der Johnson-Regierung versuchte die CIA auch weiterhin, Castro zu ermorden. Das hat Johnson nie erfahren. Castro übergab dem Senator George McGovern Beweismaterial zu mindestens zehn Mordversuchen in jener Zeit.

1978 erklärte Castro gegenüber Kongressabgeordneten, die sich zu Besuch in Kuba aufhielten: "Ich kann ihnen versichern, dass Kennedy zum Zeitpunkt seiner Ermordung dabei war, seine Politik gegenüber Kuba zu ändern. Es war gewissermaßen eine Ehre für uns, einen solchen Gegner zu haben. Er war eine herausragende Persönlichkeit."

William Attwood erklärte später: "Für mich steht fest, dass wir ohne das Attentat Verhandlungen aufgenommen hätten, die auf eine Normalisierung unserer Beziehungen zu Kuba hinausgelaufen wären."

Als ich Castro 1999 kennenlernte, äußerte er sich selbstkritisch über die eigene Taktik, sowjetische Atomwaffen nach Kuba zu holen: "Es war ein Fehler, die Welt einer solch großen Gefahr auszusetzen." Damals war ich in Kuba, um dem kubanischen Staatschef die Pläne seiner Regierung auszureden, in Juraguá ein Tschernobyl-ähnliches Kernkraftwerk zu bauen.

Bei einem anderen Treffen mit dem kubanischen Führer im August 2014 brachte Fidel seine Bewunderung für die Regierung von John F. Kennedy zum Ausdruck. Auch erklärte er, dass ein Atomkrieg zwischen beiden Ländern zur Zeit der Kubakrise die gesamte Zivilisation ausgerottet hätte.

Heute, fünf Jahrzehnte später und zwei Jahrzehnte, nachdem die Sowjets Kuba verlassen haben, sind wir endlich dabei, uns von einer fehlgeleiteten Politik zu verabschieden, die weder zur Stärkung der amerikanischen Führungsrolle beitrug, noch den außenpolitischen Interessen der USA diente. (IPS/Ende/kb/2015)

* Dies ist der letzte von insgesamt drei Beiträgen, in denen sich der Sohn des verstorbenen US-Generalstaatsanwalts Robert [Bobby] F. Kennedy und Neffe des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy mit den Beziehungen zwischen den USA und Kuba während des 54-jährigen Embargos Washingtons gegen den karibischen Inselstaat auseinandersetzt.

Die ersten beiden Beiträge des Juristen, Umweltschützers und Buchautors sind am 2. Januar unter dem Titel 'KUBA: US-Embargo ein 'monumentaler Fehlschlag' und am 15. Januar unter dem Titel 'KUBA: Die Geheimgespräche von JFK mit Fidel' bei IPS erschienen.


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/opinion-sabotaging-u-s-cuba-detente-in-the-kennedy-era/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2015


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