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FINANZEN/497: Studie - Qualifizierung von Flüchtlingen, ein Fonds ermöglicht die Finanzierung (idw)


Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) - 27.10.2015

Die Qualifizierung von Flüchtlingen ist nötig und lohnt sich - Ein Fonds ermöglicht die Finanzierung


Die Qualifizierung der Flüchtlinge, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, kostet in den kommenden Jahren mindestens 25 Milliarden Euro, wie eine heute veröffentlichte Studie des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie ergab. Zur Finanzierung wie auch zur Überwindung bürokratischer Regeln schlägt der Think Tank einen Refugee Impact Fund vor, der jetzt die Kosten für die Qualifizierungsmaßnahmen trägt und später einen Teil der Mehreinnahmen und Minderausgaben der öffentlichen Haushalte erhält.


Die aktuelle Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) beschäftigt sich mit der Frage, welche Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen bei den Flüchtlingen erforderlich sind, was diese kosten und wie sie finanziert werden können. Allein in diesem Jahr wandern mindestens 800.000, möglicherweise sogar 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland zu. Sollen diese eine Chance haben, als Fachkräfte in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, sind nicht nur Unterbringung und Lebensunterhalt zu finanzieren, sondern vielmehr auch vielfältige Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen notwendig.

"Bildung und Qualifizierung sind der Schlüssel für eine gelungene Integration", sagt Dr. Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildung- und Sozialökonomie (FiBS). "Nur dann werden aus hunderttausenden Flüchtlingen auch hunderttausende Fachkräfte, die unser Arbeitsmarkt angesichts demografischer Entwicklung gut gebrauchen kann." Zu den Kosten für Unterbringung und Lebensunterhalt, wofür nach Berechnungen des Deutschen Landkreistages etwa 15 Milliarden Euro aufzubringen sind, kommen im nächsten Jahr noch einmal 5 bis 7,5 Milliarden Euro für Bildung und Qualifizierung. Langfristig ist bei 800.000 Personen in den nächsten Jahren mit Ausgaben von mindestens 25 Milliarden Euro zu rechnen; sollten 1,5 Millionen Menschen kommen, können es auch 60 Milliarden Euro werden. Dies umfasst Integrations- und andere Sprachkurse, Kosten für Kitas, Schulen wie auch Berufsvorbereitung, Ausbildung oder Studium sowie Anpassungsqualifizierungen. "Es ist angesichts dieser Beträge davon auszugehen, dass die öffentlichen Haushalte die Ausgaben für Bildung und Qualifizierung der Flüchtlinge nicht vollständig tragen können", meint der Bildungsökonom. "Zudem verhindern rechtliche Vorgaben und bürokratische Prozesse eine schnelle Integration."

Das FiBS, einer der führenden Think Tanks zum Thema Bildungsfinanzierung in Deutschland und Europa, hat daher ein Konzept für einen Refugee Impact Fund entwickelt, durch den die finanziellen Mittel für diese Maßnahmen kurzfristig bereitstellt werden können. "Der Fonds kann zusammen mit einer unbürokratischen Umsetzung von Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen dazu beitragen, dass die hohe Motivation der Flüchtlinge zu einer möglichst schnellen Integration genutzt wird." Trotz des sehr großen Engagements der Beschäftigten in Ministerien, Behörden und Ämtern sowie zahlreicher Freiwilligen dauert es derzeit Monate, wenn nicht länger, bevor mit notwendigen Sprachkursen oder Bildungsmaßnahmen begonnen werden kann. Zeit, die nicht nur viel Geld kostet, sondern auch zu Frustration und Resignation bei den Flüchtlingen beitragen kann.

"Der Fonds ist nicht an die öffentlichen Regeln und bürokratischen Strukturen gebunden," sagt Dohmen, "sondern kann eigenständig agieren. Am Ende profitieren davon nicht nur Flüchtlinge und Unternehmen, sondern auch die öffentlichen Kassen. Je eher ein Flüchtling eine Arbeitsstelle findet, desto eher werden aus öffentlichen Ausgaben Steuermehreinnahmen, und die Investition fängt an, sich auszuzahlen."

Der Refugee Impact Fund kann sowohl Maßnahmen für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen als auch Einrichtungen oder einzelne Personen finanzieren, für die ansonsten die öffentliche Hand aufkommen würde. Im Gegenzug partizipiert der Fonds an den späteren Einsparungen und Mehreinnahmen. "Nach unseren Berechnungen ist mit zweistelligen Erträgen in den Staatskassen zu rechnen", führt der FiBS-Direktor aus. "Wenn der Fonds davon die Hälfte erhalten würde, dann wäre dies eine Rendite von mindestens fünf oder sechs Prozent für die öffentlichen Kassen, aber auch für den Fonds. Dies ist für beide Seiten eine attraktive Rendite, zumal es sich angesichts des zu erwartenden Fachkräftemangels um eine Investition ohne hohes Risiko handeln würde." Dies gilt selbst dann, wenn man annimmt, dass nicht aus jedem Flüchtling eine hochqualifizierte Fachkraft wird.

Der Fonds kann von (Lebens-) Versicherungen und Unternehmen, aber auch von Stiftungen und Privatpersonen finanziert werden, für die die Verzinsung attraktiv ist. Spenden sind für die Verfasser der Studie ein wichtiger Beitrag, aber sie werden aus ihrer Sicht nicht ausreichen, um die notwendigen Beträge nachhaltig zu beschaffen, insbesondere nicht, wenn es um längerfristige Förderung geht. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein," sagt Dohmen, "dass wir hier nicht über einmalige Kosten reden, sondern über Beträge, die über mehrere Jahre im Milliardenbereich liegen."

Eine besondere Herausforderung für die Politik in Deutschland ist, dass vergleichbare Beträge auch für die Qualifizierung der hier aufgewachsenen Menschen aufgebracht werden müssen. Wir haben über 7 Millionen Erwachsene, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, eine gleich hohe Zahl an Menschen kann nicht richtig rechnen, schreiben und lesen. "Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, Einheimische und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen," betont Dohmen. "Dies würde nur denen in die Hände spielen, die sich gegen Zuwanderung aussprechen." Der Refugee Impact Fund ist insofern Teil eines übergreifenden Konzepts für einen Bildungsinvestitionsfonds, der dazu beitragen kann, das Qualifikationsniveau aller hier lebenden Menschen zu verbessern.

Die vollständige Studie kann als FiBS-Forum Nr. 57 von der Homepage des FiBS (www.fibs.eu) heruntergeladen werden.


Weitere Informationen unter:
http://www.fibs.eu/de/sites/_wgData/FiBS-Forum_057_RIF-Refugee%20Impact%20Fund.pdf
- ausführliche Studie

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution674

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS),
Birgitt A. Cleuvers, 27.10.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2015

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