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INTERNATIONAL/013: Thailand - Gute Noten für bilinguale Schulen in Unruheprovinzen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Januar 2012

Thailand: Gute Noten für bilinguale Schulen in Unruheprovinzen - Lehrer leben gefährlich

von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 18. Januar (IPS) - Bilingualer Unterricht auf Thai und Malaiisch hat im muslimischen Süden Thailands erste Erfolge gezeigt. Bildungsexperten wollen das Experiment gegen den Widerstand der konservativen Regierung auf weitere öffentliche Schulen ausweiten.

Lehrer in der Region sind im Konflikt zwischen malaiisch-muslimischen Separatisten und Regierungstruppen zwischen die Fronten geraten. In den vergangenen acht Jahren wurden 155 Pädagogen getötet. Das südostasiatische Land gehört laut einer Studie der Vereinten Nationen zusammen mit Kolumbien, dem Irak und Nepal zu den vier Staaten, in denen Lehrer am meisten um ihr Leben fürchten müssen. Die Bevölkerung im Süden gehört der malaiisch-muslimischen Gemeinschaft an, der größten Minderheit im vorwiegend buddhistischen Thailand.

Längst nicht alle öffentlichen Schulen in den südlichen Unruheprovinzen lassen sich einschüchtern. Die dortigen Lehrer haben eine entscheidende Rolle dabei gespielt, bilingualen Unterricht auf Thai und Malaiisch in entlegenen Dorfschulen in den Provinzen Pattani, Yala und Narathiwat nahe der Grenze zu Malaysia einzuführen. Etwa 300 Schüler nahmen bisher an dem Experiment teil. Untersuchungen ergaben, dass die Kinder besser abschneiden, wenn sie Mathematik und andere grundlegende Fächer in ihrer eigenen Sprache lernen.


Bilingualer Unterricht zahlt sich aus

"Die Verbesserungen zeigten sich deutlicher, als wir erwartet hätten", sagte Kirk Person, der das 'Summer Institute of Linguistics' leitet. Das globale Netzwerk mit Sitz in den USA engagiert sich für die Förderung von Sprachen ethnischer Minderheiten. Dazu arbeitet das Institut mit der Mahidol-Universität in Zentralthailand zusammen. Angesichts des bisherigen Erfolgs soll der zweisprachige Unterricht in diesem Jahr auf 15 weitere öffentliche Schulen ausgeweitet werden, wie Person erklärte.

Das Experiment, das eine Ausnahme in dem nationalistischen Bildungssystem Thailands bedeutet, erhält auch Unterstützung von dem einflussreichen Verwaltungszentrum für die südlichen Grenzprovinzen (SBPAC). Die lokale Behörde hat die Aufgabe, eine Lösung in dem bewaffneten Konflikt zwischen Regierungstruppen und einem obskuren Netzwerk malaiisch-muslimischer Separatisten herbeizuführen.

"Wir wünschen uns mehr Schulen, die Malaiisch im Unterricht einsetzen", sagte Piya Kijthaworn, der stellvertretende Generalsekretär von SBPAC. Die Initiative könne vielleicht nicht direkt zum Frieden beitragen, gebe den Bewohnern der Region aber die Möglichkeit, sich auszudrücken. Außerdem sei es gut für ihre Identität.

Malaiisch-muslimische Erziehungswissenschaftler begrüßen diesen Vorstoß, rechnen aber nicht mit raschen Veränderungen in den insgesamt 1.640 staatlichen Schulen in der Region. Die meisten Bildungseinrichtungen halten sich an den von den Behörden in Bangkok vorgeschriebenen Lehrplan und sehen Thai weiterhin als einzige zulässige Unterrichtssprache.

"Die Regierung akzeptiert Malaiisch immer noch nicht als Arbeitssprache im Süden des Landes, obwohl sie die Muttersprache der dort lebenden Menschen und somit Teil ihrer Identität ist", erklärte Abd Shakur Dina, Mitarbeiter der Chariyathsuksa-Stiftungsschule. Die Veränderungen müssten im Schulsystem beginnen, meinte er im Gespräch mit IPS. Dass die Schüler, die die Fächer auf Thai lernten, schlechte Noten bekämen, sei Teil des Problems.

Der damalige Ministerpräsident Anand Panyarachun hatte bereits 2006 als Leiter einer nationalen Versöhnungskommission gefordert, Yawl - den malaiischen Dialekt der Muslime - zur 'offiziellen' Sprache des Südens zu machen. Dagegen stellte sich der ehemalige Armeechef Prem Tinsulanonda, der an der Spitze eines Beraterstabs des thailändischen Königs steht. "Wir müssen stolz darauf sein, Thailänder zu sein und Thai als einzige nationale Sprache zu haben", sagte Prem.


Staatliche Schulen sind Separatisten ein Dorn im Auge

Die Widerstand gegen öffentliche Manifestationen der kulturellen und linguistischen Identität der malaiischen Muslime ist also eine der tieferen Ursachen des Konflikts im Süden. Die staatlichen Schulen sind zu Angriffszielen von Rebellen geworden, wie bereits früher in den sechziger und siebziger Jahren. Die Einrichtungen werden als Assimilationsschmieden betrachtet. in denen die malaiisch-muslimischen Schüler dazu angehalten werden, thailändische Namen anzunehmen und ausschließlich Thai zu sprechen.

Die Ursprünge des Konflikts sind bereits Anfang des 20. Jahrhunderts zu suchen. 1902 wurden die drei südlichen Provinzen von dem damaligen Königreich Siam, dem heutigen Thailand, annektiert. Vorher gehörten die Gebiete zu dem muslimischen Königreich Pattani auf dem Territorium des heutigen Malaysia.

Seit Ausbruch der jüngsten Gewaltwelle im Januar 2004 sind mehr als 5.200 Menschen getötet und mehr als 10.000 verletzt worden. Zu den Opfern gehörten neben Lehrern auch muslimische Geistliche, Behördenvertreter und Gemeindeführer. Den schwer bewaffneten thailändischen Truppen werden zahlreiche Menschenrechtsverstöße wie willkürliche Festnahmen, Folter und extralegale Hinrichtungen vorgeworfen. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2012