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MELDUNG/009: Aktuelles zum Uni-Streik, 24.11.2009


Aktuelles zum Uni Streik, 24. November 2009


Pressemitteilung der besetzten TUHH - Montag, 23. November 2009

Im Rahmen eines Aktionsplenums um 9.30 wurde heute Morgen ein Seminarraum der Technischen Universität Hamburg - Harburg erfolgreich besetzt und das Foyer wohnlich bezogen. Außerdem hat das studentische Sofacafe Couches bereit gestellt und sorgt für das leibliche Wohl. Im anschließenden Plenum um 12 Uhr, dem ein kurzer Informationsbeitrag vorgeschaltet war, formten sich erste neue Strukturen. Dass bei vielen ein allgemeiner akuter Gesprächsbedarf besteht, trat früh hervor. Besonders genannte Problempunkte waren hier die enggedrängte und druckgeprägte zeitliche Organisation des Studiums, die dadurch noch verschärft wird, dass viele Studenten wegen der hohen Studiengebühren arbeiten müssen, um ihr Studium zu finanzieren. Betont wurde, dass die Studierenden der TUHH sich wünschen, nicht nur ein Augenmerk auf die bundesweiten Problemstellungen zu legen, sondern auch "hausgemachte" Probleme, wie das Raumproblem, klar herauszuarbeiten und lösungsorientiert anzugehen.

Es wurde begonnen, eigene Strukturen und Verfahrensweisen zu entwerfen und zu manifestieren: Es bildeten sich Arbeitsgruppen zu unterschiedlichsten Themen, deren Termine und Treffpunkte über die Homepage www.tuhh.org koordiniert werden.

Hierbei ist es wichtig zu betonen, dass die Initiative vor allem dezentral organisiert ist und jeder der Studierenden in den Bereichen in denen er Lust hat mitwirken kann. Es geht den Studierenden dabei nicht darum, über einen kurzen Zeitraum Raum für Diskussion zur Verfügung zu stellen, sondern darum, dass ein dauerhafter Diskussionsprozess angestoßen wird. In diesem soll über Probleme der deutschen Bildungslandschaft, aber auch über lokale Probleme an der TUHH debattiert werden können.

Das nächste "kleine" Plenum zum Thema "Studiengebühren und Finanzierung" wird zur Zeit von einem der ersten Arbeitskreise vorbereitet und findet morgen um 13:00 im Audimax I statt. Um 19.15 Uhr soll das zweite "große" Plenum abgehalten werden.

E-Mail: Unsere-tuhh@gmx.d
Internet: www.tuhh.or


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Größte Vollversammlung seit Jahren an der Uni Hamburg beschließt Resolution

Pressemitteilung der BesetzerInnen des Audimax Hamburg vom 23.11.2009


Bei der größten uniweiten, studentischen Vollversammlung seit Jahren kamen heute weit mehr als 1500 Studierende im besetzten Audimax der Uni Hamburg zusammen. Auf der Tagesordnung stand das weitere Vorgehen bezüglich der Präsidenten-"Wahl" an der Uni. Es wurde nahezu einstimmig eine Resolution verabschiedet, die sich auf das Leitbild der Universität stützt und unter anderem folgende Punkte enthält (gesamte Resolution siehe unten):

Die Mitglieder des Akademischen Senats werden aufgefordert, sofort eine juristische Prüfung des stattgehabten und offenkundig regelverletzenden "Wahl"-Verfahrens mit dem Ziel zu veranlassen, einen Neubeginn der Leitungs-Findung zu ermöglichen.
Dieter Lenzen wird aufgefordert, sich der Kritik in öffentlicher Diskussion zu stellen.

Die Resolution wurde nach der Vollversammlung, bei der auch die sehr erfolgversprechende Kampagne für Gebührenfreiheit vorgestellt wurde (www.gebuehrenfreiheit.de), dem Vize-Präsidenten der Uni, Herrn Fischer, verlesen und überreicht.

Das enorme Interesse der Studierenden an der Vollversammlung zeigt, dass die unbedingte Notwendigkeit von demokratischen Entscheidungsstrukturen an der Uni von einer sehr großen Masse der Studierenden geteilt wird. Auch beweist der heutige Tag, dass die Präsidenten-"Wahl" für uns keine abgeschlossene Sache ist, sondern wir das Verfahren sowie den Kandidaten Lenzen weiterhin für inakzeptabel halten. Sicher ist: Wir werden noch einiges auf die Beine stellen.

Übrigens wurde heute auch die TU Hamburg-Harburg besetzt sowie aus Protest gegenüber der Präsidenten-"Wahl" das Gebäude der ex-HWP.


Resolution der studentischen Vollversammlung vom 23. 11. 2009

Wider die bockige Durchsetzung eines unmöglichen
Uni-Präsidenten

Anstatt aus dem Scheitern einer exklusiv gekürten, wirtschaftsnahen und autoritären Präsidentin zu lernen, haben Hochschulrat und Akademischer Senat nun diese Tragödie als Farce wiederholt. Hektisch durchgedrückt wurde gegen massiven und begründeten öffentlichen Widerstand Dieter Lenzen, der als Präsident der FU-Berlin unrühmliche Bekanntheit erlangte mit

einer strengen Zurichtung der Universität auf wirtschaftsnahe "Wissenschaftscluster",
der dazugehörigen Abwicklung gesellschaftskritischer und allgemeinbildender Forschungs- und Studienanteile und
der Missachtung demokratischer Gremien, Mitbestimmung sowie studentischer Kritik.

Seine Benennung konnte nur durch ein verschärft antidemokratisches Auswahl- und Entscheidungsverfahren sowie erpresserische Forderungen des Kandidaten gelingen. Hätten sich die beteiligten Organe der Universität an die vorgeschlagenen Alternativen zur Öffnung, Veröffentlichung und Diskussion des Verfahrens und des bzw. der KandidatInnen gehalten, wäre die Kür eines Wesensverwandten von Monika Auweter-Kurtz unmöglich gewesen. Um aber den Wunschkandidaten von Hochschulrat und Hamburger Senat durchzusetzen, wurden selbst Mindeststandards von Gremiendemokratie und Berufungsverfahren verletzt. Dieter Lenzen ist - selbst im betörendsten Schafskostüm - als Hochschulpräsident weder geeignet noch erwünscht.

Die Entscheidung ist daher inakzeptabel. Die studentische Vollversammlung fordert die sofortige Revision. Eine künftige Universitätsleitung muß:

im Einklang mit der Präambel der Grundordnung und dem Leitbild der Universität für sozial verantwortliche Wissenschaft und Bildung mündiger Menschen für eine friedliche, demokratische und gerechte Gesellschaft eintreten,
die Einheit von Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung vertreten,
den kooperativen Zusammenhang der Universität und die Fächervielfalt fördern,
in diesem Verständnis für eine bedarfsgerechte, öffentliche Hochschulfinanzierung und demokratische Mittelverteilung einstehen, anstatt die inhaltliche Einflussnahme privater Geldgeber und die konkurrenzverschärfende Drittmittelorientierung zu befördern,
die sofortige Abschaffung aller Studiengebühren befürworten und sich aktiv dafür einsetzen,
sich den Positionen und Beschlüssen der akademischen Gremien verpflichtet sehen und die gleichberechtigte Verständigung mit allen Statusgruppen und ihren Interessenvertretungen suchen.

Eine neue Leitungs-Findung muß die demokratische Wahl solcher KandidatInnen ermöglichen.

Die Vollversammlung ruft alle Mitglieder der Universität auf, die Aktivitäten für ein gebührenfreies Studium, eine umfassende Studienreform "von unten" und die Demokratisierung der Uni, insbesondere für die Abschaffung des Hochschulrats sowie für gesellschaftskritische Wissenschaftsinhalte zu intensivieren.

Der Akademische Senat und das derzeitige Präsidium sollen hinkünftig durch Sitzungsbesuche von der kritischen Hochschulöffentlichkeit ihrer Verantwortung für eine sozial vernünftige, kollegiale und demokratische Umgestaltung des universitären Alltags nachdrücklich erinnert werden.

Der AStA wird aufgefordert, sich seiner Verantwortung im Studierendenparlament in öffentlicher Diskussion zu stellen, zu der hochschulöffentlich einzuladen ist.

Die Mitglieder des Akademischen Senats werden aufgefordert, sofort eine juristische Prüfung des stattgehabten und offenkundig regelverletzenden "Wahl"-Verfahrens mit dem Ziel zu veranlassen, einen Neubeginn der Leitungs-Findung zu ermöglichen.

Dieter Lenzen wird aufgefordert, sich der Kritik in öffentlicher Diskussion zu stellen.

Wir fordern alle öffentlichen Kritiker des Verfahrens und des Kandidaten - auch außerhalb der Universität - auf, sich nicht nur populär zu äußern, sondern ihrer Kritik auch Taten folgen zu lassen und sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für unsere Positionen einzusetzen.

E-Mail: hamburg-brennt@gmx.de


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Die Besetzer_innen des Audimax an der Uni Hamburg weisen Äußerungen Margret Wintermantels zurück und laden den redseligen Kandidaten Dieter Lenzen ins Audimax ein

Pressemitteilung der BesetzerInnen des Audimax Hamburg vom 24.11.2009


Die derzeitige Präsidentin der Hochschulrektoren-Konferenz (HRK) Margret Wintermantel hat am heutigen Dienstag DeutschlandRadio Kultur ein Interview gegeben, das sie als ernsthafte Diskussionspartnerin vollständig disqualifiziert.

Frau Wintermantel wirft den Studierenden unter anderem Ungeduld vor ("Es bewegt sich schon etwas, aber die Studierenden sind furchtbar ungeduldig."). Das ist eine zurückzuweisende Meinung, denn nach Jahren des erlittenen Bachelor-Master-Stress, formierte sich im Sommer 2009 eine breite Protestbewegung, die schon damals mit Verständnis von allen Seiten zugeschüttet wurde. Doch passiert ist seitdem Nichts. Und auch schon vor dem Bildungsstreik zeigten unzählige empirische Studien die Unstudierbarkeit der Bachelor auf (erhöhte Abbruchquoten, massiv auftretende Burn-Out-Syndrome etc.). Warme Worte ohne danach konsequent zu handeln nehmen keinen Prüfungsdruck, helfen nicht dabei, den überfrachteten Stundenplan zu verkleinern, sichern einem keinen Master-Studienplatz und geben einem nicht mehr Wahlfreiheit. Nicht Ungeduld, sondern die langsam zu Ende gehende Geduld der Studierenden mit den Entscheidungsträger_innen kennzeichnen die derzeitigen Proteste. Denn: Auf die Schulter klopfen können wir uns selber.

Weitaus skandalöser ist die Einschätzung Wintermantels, dass der Vorwurf der Entdemokratisierung an den Unis "barer Unfug" sei. Wir Hamburger Studierenden möchten Frau Wintermantel fragen: Ist es barer Unfug, dass unter Wissenschaftssenator Jörg Dräger die universitäre Mitbestimmung in Gremien vielfach eingestampft wurde? Ist es barer Unfug, dass an vielen Hochschulen ein Hochschulrat ohne jegliche demokratische Legitimation existiert, der die "Strategische Steuerung" der Hochschulen zur Aufgabe hat? Ist es barer Unfug, dass das aktuelle Verfahren zur Uni-Präsidenten-Findung in Hamurg intransparent und nicht-öffentlich ist und es noch nicht mal eine wirkliche Wahl war (u.a. weil es keine Auswahl gab)? Ist die Erprobungsklausel im Berliner Hochschulgesetz, die dort dem FU-Präsidium unter Dieter Lenzen erlaubte Entscheidungsprozesse über den Akademischen Senat hinweg durchzuziehen "barer Unfug"?

Wir hoffen, dass mit diesen Fragen klar wird, dass Frau Wintermantel in keinster Weise die Realitäten an deutschen Hochschulen wahrnimmt. Das liegt daran, dass Frau Wintermantel und die HRK diese Strukturen selbst (mit-)erschaffen bzw. eingefordert haben. Denn die HRK ist nicht die Stimme der Universitäten, sondern eine Lobbyorganisation der Uni-Leitungen. Seit Jahren arbeitet diese Organisation mit der Bertelsmann Stiftung im Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zusammen. Die Ziele: Die Akzeptanz der Studiengebühren erhöhen; Hochschulen zu Unternehmen umtransformieren (inklusiver mächtiger Führungsebenen) sowie den Wettbewerb zwischen Unis anheizen. Kein Wunder also, dass sich Frau Wintermantel nur das aus den Forderungen der Studierenden rauspickt, was ihr und ihrer Organisation nicht schadet. Die Forderungen der Studierenden sind aber kein IKEA-Katalog, aus dem man sich das angenehmste aussucht: eine radikale BA-MA-Reform beispielsweise ist nicht zu trennen von der Notwendigkeit nach Gebührenfreiheit sowie den Forderungen nach demokratischen Strukturen!

Zuletzt noch einige Anmerkungen zu Dieter Lenzen. Jener Kandidat (wir halten ihn nicht für den Präsidenten) gibt derzeit in jedes Mikrophon, was man ihm vor die Nase hält, ein Interview. Das soll seine Akzeptanz in der Öffentlichkeit sowie an der Uni erhöhen. Wenn Herr Lenzen so gerne redet, dann wird er doch auch gerne mal öffentlich an der Uni über seine Ideen sprechen können und sich der Diskussion mit den Studierenden stellen. Wir laden Dieter Lenzen deswegen hiermit ins besetzte Audimax ein und sind sicher, dass wir die besseren Argumente auf unserer Seite haben.

E-Mail: hamburg-brennt@gmx.de


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Quelle:
Pressemitteilung der Presse AG der TUHH vom 23.11.2009
E-Mail: Unsere-tuhh@gmx.de
Internet: www.tuhh.or
Pressemitteilung der BesetzerInnen des Audimax Hamburg vom 23. und 24.11.2009
E-Mail: hamburg-brennt@gmx.de
www.uni-hamburg.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2009