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REDE/068: Dr. Johanna Wanka - Bundesministerin für Bildung und Forschung, 31.02.14 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Johanna Wanka, zur Bildungs- und Forschungspolitik der Bundesregierung in der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Bundestag am 31. Januar 2014 in Berlin:



Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Wie kann es sein, dass Deutschland - dieses kleine Deutschland - das Land in der Welt ist, das absolut betrachtet die meisten Hightechprodukte exportiert, mehr als die riesigen USA und mehr als China, die ja ganz andere Produktionskapazitäten haben? Wie kann es sein, dass Deutschland, wo gerade einmal 1,2 Prozent der Weltbevölkerung leben, die viertstärkste Industrienation ist? Da muss man mit Recht fragen: Was ist die Basis dafür? Die Basis ist Deutschlands starke Innovationskraft. Sie gründet auf Forschung und Entwicklung und Bildung.

Wenn man sich - es gibt viele Rankings - die schönen Zahlen anschaut, wird aber auch eines klar: Der globale Wettbewerb wird stärker, wird heftiger. Deswegen ist der Koalitionsvertrag ein starkes Signal, dass gute Bildung und leistungsstarke Forschung in unserem Land weiterhin eine Zukunft haben. Dafür werden wir uns in den nächsten vier Jahren gemeinsam engagieren.

Wir untermauern das im Koalitionsvertrag mit finanziellen Zusagen. Von den 23 Milliarden Euro, die zusätzlich bereitgestellt werden, fließen neun Milliarden Euro - das ist der größte Brocken, mehr als ein Drittel - in die Bereiche Forschung, Hochschule, Schule, Kita. Davon wollen wir sechs Milliarden Euro so anlegen, dass die Länder entlastet werden. Die Koalition macht damit deutlich, dass Bildung, Wissenschaft und Forschung für sie weiterhin Kernanliegen sind.

Für mich resultieren daraus für die nächsten Jahre drei Hauptaufgaben - sie sind entscheidend -:

Erstens. Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken, das heißt, die gerade beschriebene Innovationskraft erhalten und nach Möglichkeit ausbauen. Das ist ein zentrales Ziel.

Zweitens. Die Zukunftsarchitektur des Wissenschaftssystems bauen, das heißt die Leitplanken für die dynamische Weiterentwicklung des Systems.

Drittens. Bildungsgerechtigkeit. Wir leben in einem reichen Land. In diesem Land müssen jedem und jeder Lebenschancen durch Bildung eröffnet werden.

Zum Punkt Wettbewerbsfähigkeit. Seit acht Jahren bündeln Bundesregierung, Wissenschaft und Wirtschaft in der Hightech-Strategie ihre Kräfte für Innovation. Das zahlt sich aus. 2012 haben wir zum ersten Mal erreicht, dass drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts - dabei ist die Wirtschaft in starkem Maße, zu zwei Dritteln, beteiligt - für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden. In zahlreichen Rankings - von der EU und von vielen anderen - steht Deutschland sehr gut da.

Wirtschaftsminister Gabriel hat gestern das Thema Batterieforschung angesprochen. Ich will dieses Thema als Beispiel nehmen, um zu illustrieren, wie die Hightech-Strategie funktionieren kann und funktioniert. Batterieforschung ist für die Energiewende von zentraler Bedeutung. Deutschland war im letzten Jahrhundert auf diesem Gebiet weltmarktführend. Im Jahr 2008 dagegen gab es kaum noch Professoren für Elektrochemie, es gab in diesem Bereich nur ganz wenige Wissenschaftler überhaupt, es gab keine nachfragende Industrie. Es war aber schon damals klar, dass dieser Bereich in den nächsten Jahren systemrelevant werden würde. Deswegen wurde im Rahmen der Hightech-Strategie wirklich viel Geld in die Hand genommen, um diesen Bereich zu pushen. Mittlerweile sind wir im Forschungsbereich der modernen elektrochemischen Batterien wieder weltmarktführend.

Das reicht aber noch nicht aus. Der Ansatz ist: Es muss transferiert werden. Wir haben einen Industrieverbund, dem alle Firmen, die mit der Wertschöpfung der Batterieproduktion zu tun haben, angehören. Darüber hinaus haben wir in Ulm die Schaffung einer Produktionsanlage unterstützt, in der geforscht werden kann. Diese startet im Sommer ihren Betrieb. Das ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg, vielleicht auch in der Produktion eine Weltmarktführerschaft zu erreichen. Zur Massenproduktion ist aber ein weiterer Schritt nötig. Ich will mich gerne zusammen mit meinem Kollegen Gabriel um dieses Thema kümmern.

Eine solche Hightech-Strategie zu verfolgen, die Innovationskraft zu stärken, ist das eine. Darüber hinaus ist es genauso wichtig, dass Deutschland als starke Industrienation eine große Verantwortung für die globalen Aufgaben, die globalen Herausforderungen in der Welt übernimmt. In der Debatte zum vorherigen Tagesordnungspunkt ging es um Klimawandel. Hier wird sich Deutschland, gerade weil wir auf diesem Gebiet stark sind, auch mit Forschungsleistungen hervortun müssen.

Die Hightech-Strategie wollen wir - das haben wir im Koalitionsvertrag beschlossen - ressortübergreifend zu einer allgemeinen Forschungs- und Innovationsstrategie weiterentwickeln. Dabei muss man immer wieder betonen: Es geht nicht nur um wirtschaftliche Innovationen; genauso entscheidend und wichtig sind gesellschaftliche Innovationen. Die Eckpunkte zu dieser Weiterentwicklung will ich im zweiten Quartal vorlegen.

Diese Weiterentwicklung wollen wir sehr eng mit dem Programm Horizon 2020 auf europäischer Ebene verzahnen. Auch die Kooperation mit Entwicklungsländern und aufstrebenden Wissenschaftsländern wollen wir forcieren.

Im Mittelpunkt stehen natürlich die Bereiche, die Innovationstreiber sind; ich kann das jetzt nicht im Detail ausführen. Als Beispiel nenne ich die Digitalisierung: Wir haben das Wissenschaftsjahr zur Digitalisierung, wo es vor allem um die Diskussion mit der Bevölkerung und deren Ängste geht. Wir werden zum Beispiel im Frühjahr zwei große Kompetenzzentren für Big Data eröffnen. Beim Projekt Industrie 4.0 sind wir gut aufgestellt. Mit dieser Strategie können wir ganz weit oben mitspielen. Daraus ergeben sich riesige Chancen zur Erhaltung des Wohlstands in Deutschland.

Zur Energieforschung. Die Energieforschung müssen wir an den Themen der Energiewende ausrichten. Wir haben im letzten Jahr die Forschungsplattform Energiewende gebildet, die in sehr starkem Maße ein Gremium zur Abstimmung auch mit Wirtschaft und Wissenschaft ist. Im Rahmen dieses Forschungsforums werden wir bis Ende dieses Jahres mit allen Beteiligten, das heißt mit Wirtschaft, Umwelt und Wissenschaft, eine Forschungsagenda im Bereich Energie für die nächsten Jahre aufstellen: Was sind die Themen, die zuerst bearbeitet werden müssen? Worauf wollen wir uns konzentrieren? - Diese Agenda steht zum Ende des Jahres.

Zum Thema Gesundheitsforschung. Gesundheitsforschung wird weiterhin einen hohen Stellenwert behalten. Dies gilt auch für die anderen Themen, die in der Hightech-Strategie zu finden sind.

Im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit sind auch die Fachkräfte ein wichtiges Thema.

Wir haben in Deutschland zwei starke Säulen in Bezug auf die Ausbildung von Fachkräften.

Die erste Säule ist der akademische Bereich. Hier haben wir in den letzten Jahren sehr viel gemacht; von Bund und Ländern sind Milliarden geflossen. Die Erfolge waren groß, wie man zum Beispiel an der Zahl der Studierenden sehen kann. Es ist auch beabsichtigt, das fortzuführen. Ich nenne nur die dritte Phase des Hochschulpaktes.

Die zweite Säule im Bereich Fachkräfteausbildung ist das duale Ausbildungssystem. Dieses wird weltweit gelobt und bewundert. Hier besteht aber Handlungsbedarf. Das ist ein entscheidender Schwerpunkt in dieser Legislaturperiode. Wir wollen für den Bereich der beruflichen Bildung vieles tun, zum Beispiel mit dem großen Paket "Chance Beruf". Natürlich geht es - ohne auf Details einzugehen - auch darum, das eine oder andere modellhaft auszuprobieren. Uns geht es in dieser Legislaturperiode aber darum, Dinge, die gut und wichtig sind, flächendeckend umzusetzen. Das ist das strategische Ziel.

Dass die präventiven Möglichkeiten für junge Leute im Bereich "Chance Beruf" genutzt werden, ist einerseits natürlich volkswirtschaftlich wichtig - wir brauchen die Fachkräfte -, aber nicht nur. Denn das ist andererseits auch entscheidend für das Lebensglück der Menschen, weil nur eine gerechte Bildung individuelle Zukunftschancen ermöglicht. Deswegen ist das Thema Bildungsgerechtigkeit ganz zentral.

Wir werden den Ausbildungspakt gemeinsam mit allen Sozialpartnern weiterentwickeln und das Thema "allgemeine Weiterbildung" - gerade auch für die Älteren - sehr stark mit in den Fokus nehmen.

Zu dem Bereich Bildungsgerechtigkeit gehört natürlich auch das Thema Ausbildungsförderung beziehungsweise BAföG. Wir haben vor wenigen Tagen den 20. BAföG-Bericht im Kabinett verabschiedet. Die letzte Novelle im Jahre 2010 hat strukturelle Veränderungen gebracht, sodass wir jetzt sagen können: Migranten erhalten sehr viel häufiger als zuvor BAföG, und unsere deutschen Studenten sind sehr viel flexibler, wenn es um Auslandsaufenthalte geht. Die nächste BAföG-Novelle muss aber kommen, und wir gehen zügig an diese Arbeit.

Ich komme zum letzten Punkt. Es geht um die Zukunft des Wissenschaftssystems. Wir müssen die neue Architektur in diesem Bereich weiterbauen. Sie alle wissen: Es gibt Pakte und die Exzellenzinitiative. Wir haben dort ganz viel in Bewegung gebracht; es gibt eine große Dynamik. Wir können jetzt aber nicht damit fortfahren, dass ständig neuer Wettbewerb entsteht, sondern daraus müssen jetzt auch einmal langfristige Strukturen erwachsen. Vor allen Dingen muss die Balance zwischen den außeruniversitären Einrichtungen und den Hochschulen wiederhergestellt werden. Deswegen geht der Bund dort entscheidend heran; er will sich an der Grundfinanzierung der Hochschulen beteiligen.

Das alles kann man nur in Verhandlungen mit den Ländern erreichen. Der Bund ist hier nicht der alleinige Spieler. Wir versuchen, gemeinsam mit den Ländern einen nationalen Zukunftspakt zu schnüren.

Wir müssen weiter über Artikel 91 b des Grundgesetzes diskutieren. Ich glaube, wenn wir dort Bewegung erreichen, dann werden wir das Geld sehr viel besser einsetzen können.

Wir haben ehrgeizige Ziele, die für viele Häuser relevant sind. Bei dem einen oder anderen Ziel ist das Herzblut in den Häusern naturgemäß sicher unterschiedlich verteilt; das ist völlig klar. Diese Koalition steht aber gemeinsam für Innovationen, für nachhaltigen Wohlstand und für individuelle Zukunftschancen für alle in diesem Land.

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Quelle:
Bulletin 10-3 vom 31. Januar 2014
Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Dr. Johanna Wanka, zur Bildungs- und Forschungspolitik der Bundesregierung
in der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vor dem
Deutschen Bundestag am 31. Januar 2014 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2014